Vereinspraxis im Arbeitsrecht - Arbeitnehmer im Verein: Teil 4.1 Hauptamtlich tätige Vereinsmitglieder
Ein hauptamtlich tätiges Vereinsmitglied kann nicht ohne weiteres als Arbeitnehmer betrachtet werden. Bei dessen Tätigkeit ist zwischen verschiedenen Vereinsaufgaben zu unterscheiden.
4.1.1. Mitgliedsgebundene Vereinsaufgaben
Übt das Mitglied Tätigkeiten aus, die die mitgliedsgebundene Erfüllung von Vereinsaufgaben wie z.B. die Teilnahme an Mitgliederversammlungen, Tagungen und Sitzungen darstellt, so begründet dies nicht die Annahme eines Arbeitnehmerstatus gegenüber dem Verein. Die Mitglieder werden allein aufgrund vereinsvertraglicher Verpflichtungen tätig.
4.1.2. Vereinsrechtlich begründete Dienstpflicht
Die Vereinsmitglieder können zusätzlich für den Verein Leistungen in Form von Diensten in persönlicher Abhängigkeit erbringen. Als Rechtsgrundlage für diese Leistungen kommt die Mitgliedschaft im Verein in Betracht. Es ist nämlich anerkannt, dass die Vereinssatzung nach § 58 Nr. 2 BGB vorsehen kann, dass die Beiträge nicht nur in Form von Geldern, sondern auch in Form von Dienst- oder Werkleistungen erbracht werden können. Hierbei kann es sich beispielsweise um stundenweise Leistungen bei der Errichtung und Unterhaltung von Vereinseinrichtung oder bei der Mitgestaltung von Vereinsveranstaltungen handeln. Hauptamtlich tätige Mitgliedern mit vollem Stimmrecht, die auf diese Art und Weise Einfluss auf Leistungen, Organisation und Entscheidungem des Vereins nehmen, sind keine Arbeitnehmer, sofern sie mit ihrer Tätigkeit keine Erwerbsabsichten verfolgen. Vielmehr handelt es sich um eine zulässige vereinsrechtlich begründete Dienstpflicht. Für diese Tätigkeiten sind die Vorschriften aus dem Auftragsrecht (§§ 662 ff. BGB) entsprechend anzuwenden.
Auf diesen Grundsatz beruhend entschied das BAG, dass Rote-Kreuz-Schwestern, die ihren Beruf ausschließlich als Mitglieder und im Auftrag der Schwesternschaft ausüben, nicht dem Status des Arbeitnehmers entsprechen. Ihnen stehen einerseits weit reichende Mitgliedschaftsrechte zu, mit denen sie die Geschicke des Vereins und damit zugleich die Arbeitsorganisation beeinflussen können. Hinzu kommt, dass den Schwestern ein Anspruch auf eine monatliche Vergütung, ein zusätzliches Ruhegeld, jährlichen Urlaub und Krankenbezüge eingeräumt wird. Maßgebendes Kriterium für die Entscheidung des BAG war aber, dass die Schwestern und die Organisation keine wirtschaftlichen Zwecke verfolgen. Die Schwesternschaft verfolgt ausschließlich gemeinnützige, karitative Ziele. Entsprechend entschied das BAG für Ordensangehörige und Mitglieder von Säkularinstitutionen der Kirchen.
Die Begründung vereinsrechtlicher Arbeitspflichten darf allerdings nicht zur Umgehung zwingender arbeitsrechtlicher Schutzbestimmungen führen. Eine solche Umgehung liegt vor, wenn dem zur Leistung abhängiger Arbeit verpflichteten Vereinsmitglied keine Mitgliedschaftsrechte zustehen, die ihm eine Einflussnahme ermöglichen. Gleiches gilt, wenn der Verein seinem Mitglied keinen Anspruch auf angemessene Vergütung/Versorgung gewährt oder der Verein eine wirtschaftliche Zielsetzung verfolgt.
In Anwendung dieser Grundsätze hat das BAG die aktiv tätigen außerordentlichen Mitglieder von Scientology als Arbeitnehmer qualifiziert. Grund für dieses Urteil war, dass die Mitglieder aus vereinsrechtlicher Sicht nahezu rechtlos waren. Außerdem diene nach Ansicht des BAG die religiösen und weltanschaulichen Lehren von Scientology als Vorwand für die Verfolgung wirtschaftlicher Zwecke.
4.1.3 Vertragliche Dienstpflicht
Der Umstand der Mitgliedschaft in einem Verein schließt nicht aus, dass ein Vertrag in Form eines Dienst- oder Arbeitsvertrages zwischen dem Mitglied und seinem Verein geschlossen wird. Für die Annahme einer Einstellung des Vereinsmitglieds reicht es nach dem oben Gesagten aus, wenn es während des Einsatzes eine seiner Art nach weisungsgebundene Tätigkeit verrichten, die der Verein organisiert und in der Regel vergütet. Dabei muss die ausgeübte Tätigkeit über die Erfüllung von mitgliedsgebundenen Vereinsaufgaben hinausgehen; d.h. das Mitglied darf nicht aufgrund seines Mitgliedschaftsverhältnisses zur Tätigkeit verpflichtet sein. Typische Fälle sind die Aufgaben von Büropersonal in Geschäftsstellen. Das hauptamtlich tätige Vereinsmitglied ist in diesem Fall als Arbeitnehmer zu behandeln. Es sind damit alle arbeitsrechtlichen Vorschriften inklusive der Sondervorschriften zu berücksichtigen.
(Auszug aus dem Buch „ Der Verein als Arbeitgeber – Vereinspraxis im Arbeit-, Sozial-, und Lohnsteuerrecht und Personalwesen“ von Marc Wandersleben und Isabell Hartung, Verlag Mittelstand und Recht, 2008)
Stand: 2008/05
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