Vorliegen eines landwirtschaftlichen (Nebenerwerbs)Betriebs i. S. des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB bei der Haltung von Pensionspferden trotz Erzeugung des Futters auf nur gepachteten landwirtschaftlichen Nutzflächen

Autor(-en):
Johannes Loth
Rechtsanwalt


Kennern der in der Überschrift genannten Materie dürfte jedenfalls die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg aus dem Jahr 2010 bekannt sein, die mit unter ausschlaggebend dafür war, dass kleinere Betriebe bei der betrieblichen Erweiterung privilegiert sein können, selbst dann, wenn sie nahezu oder vollständig auf Fremdflächen angewiesen sind.

Diese Rechtsprechung hatte erst jüngst in einer Rechtsstreitigkeit um die Erteilung eines Bauvorbescheid bei der 11. Kammer des Verwaltungsgericht München Bedeutung erlangt. Dort klagte der Inhaber eines pferdehaltenden bzw. pferdezüchtenden Betriebs auf Erteilung eines Vorbescheids zur baurechtlichen Nutzung eines ca. 10 km entfernten, angepachteten Stalls einschließlich der dazugehörigen Fläche von circa 1,5 ha zur Unterbringung von vier eigenen zweijährigen Zuchthengsten. Die erkennende Kammer ließ in der mündlichen Verhandlung keinen Zweifel daran zu, dass gerade auch mit Blick auf die zitierte Rechtsprechung eine Dauerhaftigkeit der Betriebsführung nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Kläger die Betriebsflächen nur gepachtet hat.

Mit Blick auf die Rechtsprechung des BVerwG ist ohnehin schon bekannt, dass „eine planmäßige und eigenverantwortliche landwirtschaftliche Betriebsführung grundsätzlich davon abhängt, dass dem Landwirt die für seine Ertragserzielung benötigten Flächen dauerhaft zur Verfügung stehen“ (Anmerkung des Texterstellers: Dies schließt die Möglichkeit der Betriebsführung auf Pachtflächen ausdrücklich mit ein). Eine landwirtschaftliche Betätigung, die ausschließlich oder weit überwiegend auf fremdem Grund und Boden verwirklicht wird, genügt den Voraussetzungen für eine Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB daher regelmäßig nicht (BVerwG, Beschluss vom 03.02.1989 - 4 B 14.89 - BauR 1989, 182). … ABER: „Schematische oder abstrakte Berechnungsformeln lassen sich nicht aufstellen, da es sich bei dem Verhältnis von Eigentums- und Pachtflächen stets nur um ein Indiz für die Beantwortung der Frage handelt, ob ein landwirtschaftlicher Betrieb vorliegt, es auf eine Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls ankommt und der Frage des Pachtlandes je nach den sonstigen Umständen des Falles eine mehr oder weniger große Bedeutung zukommen kann“ (BVerwG, Beschluss vom 19.05.1995 - 4 B 107.95 - Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 310).

Auch die 11. Kammer beim Verwaltungsgericht München geht soweit, dass von den mit der Pacht zusammenhängenden Ungewissheiten abgesehen werden kann, wenn Besonderheiten vorliegen, die ausnahmsweise für die Dauerhaftigkeit des Betriebs sprechen (vgl. hierzu auch BVerwG, Urteil vom 03.11.1972 - IV C 9.70 - BVerwGE 41, 138; Urteil vom 13.04.1983 - 4 C 62.78 - DÖV 1983, 316; Senatsurteile vom 21.06.1993 - 8 S 2970/92 - BRS 55 Nr. 80, vom 16.03.1994 - 8 S 1716/93 - juris und vom 07.11.1994 - 8 S 976/94 - NuR 1995, 355). Derartige Besonderheiten wurden bereits durch das BVerwG u.a. für einen Betrieb benannt, der schon seit Generationen im Wege der Pacht übernommen und seither kontinuierlich fortgeführt und erweitert wurde und damit eine erforderliche - auf Generationen angelegte - Dauerhaftigkeit des Betriebs indizierte und den dagegen sprechenden Gesichtspunkt einer Bewirtschaftung auf Fremdflächen deutlich überwiegt. Des Weiteren können die Besonderheiten auch in den fachliche Eignungen und Befähigungen eines Landwirts gesehen werden, der auch auf besondere Expertisen verweisen kann - wie im Münchner Fall gerade auch die besondere langjährige Kompetenz im Bereich der Pferdezucht und Pferdeausbildung.

Im Übrigen und der Vollständigkeit halber mit Blick auf den auch im Münchner Rechtstreit geäußerten Vorwurf, dass die Flächen und der Stall zu weit vom landwirtschaftlichen Betrieb verortet sind: Auch die Entfernung der gepachteten (Teil-)Betriebsflächen bis zu 10 km stellt eine Dauerhaftigkeit der Betriebsführung nicht ernsthaft in Frage. Auch hierzu hat bereits der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg ausgeführt, dass derartige „Entfernungen mit modernen Traktoren und Maschinen ohne wesentliche betriebliche Nachteile in angemessener Zeit überwindbar sind“ und deshalb kein Ausschlusskriterium darstellen.


Autor(-en):
Johannes Loth
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Stand: Juli 2024


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