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Franchiserecht - Eine Einführung in das Recht des Franchising - Teil 05-1 Vertragsverhandlungen

5. Vertragsverhandlung

5.1. Grundlegendes zur Vertragsverhandlung

Die rechtliche Grundlage der Zusammenarbeit des Franchisegebers und dessen Franchisenehmer bildet der Franchisevertrag: Denn erst durch Abschluss des Franchisevertrages entsteht das Franchiseverhältnis. In den Abschnitten 6 bis 10 ist der Franchisevertrag daher Gegenstand der Betrachtung. Da dem Abschluss des Franchisevertrages üblicherweise verschiedene Stationen vorgeschaltet sind, wird zunächst die vorvertragliche Situation der künftigen Kooperationspartner betrachtet.

Üblicherweise bewirbt sich ein potenzieller Franchisenehmer um den Abschluss des Franchisevertrages. Sofern der Franchisegeber von der Eignung des Bewerbers überzeugt ist, kommt es zu Vertragsverhandlungen. Diese Verhandlungen zielen auf den Abschluss eines Franchisevertrages und können dessen Inhalt maßgeblich gestalten. Obwohl zu diesem frühen Zeitpunkt noch kein Vertragsverhältnis entstanden ist, gilt es schon vor dem Vertragsschluss unterschiedliche, die so genannten vorvertraglichen Pflichten zu beachten.

Dazu zählen besonders:

  • die Aufklärungspflicht (5.2.),
  • die Widerrufsbelehrung (5.3.),
  • die Informations- und Auskunftspflicht (5.4.)

Außerdem werden die praxisrelevanten Vorverträge (5.5.) erläutert. Anschließend erfolgt eine Betrachtung der eigentlichen Vertragsgestaltung (6.), der Rechte und Pflichten des Franchisegebers (7.) und des Franchisenehmers (8.), sowie der Haftungsproblematik (9.). Abschließend werden verschiedene Gründe für das Ende des Franchiseverhältnisses (10.) in den Mittelpunkt der Betrachtung gerückt.

5.2. Aufklärungspflicht

Da sich der Franchisenehmer langfristig an einen Franchisegeber bindet und zugleich tief in dessen Franchisenetz integriert wird, liegt es im Interesse des Franchisenehmers einen für ihn nachteiligen Vertragsschluss zu verhindern. Deshalb ist dieser mit einem Schutzrecht versehen, das zugleich eine wesentliche Pflicht des Franchisegebers darstellt: die Aufklärungspflicht. Durch die Aufklärungspflicht ist er gehalten, den potenziellen Franchisenehmer im erforderlichen Umfang (5.2.2.) durch entscheidungserhebliche Informationen zu unterrichten.

5.2.1. Beginn der Aufklärungspflicht

Die vorangestellte Aussage lässt erkennen, dass die Aufklärungspflicht einen zukünftigen Franchisenehmer schützen soll.
Da ein solcher üblicherweise noch keinen Franchisevertrag geschlossen hat, scheint es zunächst an einer rechtlichen Grundlage der Aufklärungspflicht des Franchisegebers zu fehlen.

§ 311 Absatz 1 BGB macht deutlich:

„Zur Begründung eines Schuldverhältnisses (...) ist ein Vertrag zwischen den Beteiligten erforderlich, soweit nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt.“

§ 311 Absatz 2 BGB fügt dem jedoch hinzu:

„Ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Absatz 2 BGB entsteht auch durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen die Anbahnung eines Vertrags, bei welcher der eine Teil im Hinblick auf eine etwaige rechtsgeschäftliche Beziehung dem anderen Teil die Möglichkeit zur Einwirkung auf seine Rechte, Rechtsgüter und Interessen gewährt oder ihm diese anvertraut , oder ähnliche geschäftliche Kontakte.“

§ 241 Absatz 2 BGB stellt schließlich klar:

„Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.“

Demnach entsteht ein vertragsähnliches, schutzwürdige Vertrauensschuldverhältnis bereits durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen. Ein Verstoß gegen die Aufklärungspflicht kann somit zu einer Haftung des Franchisegebers im Innenverhältnis führen (9.1.2.). Unter bestimmten Voraussetzungen kann diese darüber hinaus von einem Dritten verletzt werden (9.2.3.).

Beispiel 38:

F tritt als Franchisegeber auf und wirbt für sich regelmäßig bei Existenzgründermessen. Bislang war er der Meinung zu diesem Zeitpunkt noch keiner Aufklärungspflicht zu unterliegen. N besucht eine dieser Messen und es kommt zu einem Gespräch mit F. Einige Tage später entschließt sich N, sich bei F als Franchisenehmer zu bewerben. Als N schließlich Franchisenehmer des F wird, muss er nach einigen Wochen erkennen, dass ihm beim Informationsgespräch während des Messebesuches wichtige Informationen vorenthalten worden sind. N vertritt die Auffassung, F hätte seine Aufklärungspflicht verletzt, indem er mit entscheidungserheblichen Informationen zur Wirkungsweise des Systems zurückgehalten hätte. Außerdem gibt N an, dass er den Franchisevertrag bei vollständiger Kenntnis der Informationen niemals abgeschlossen hätte.Hat F gegen die vorvertraglichen Aufklärungspflichten verstoßen? Eine solche Pflicht des Franchisegebers beginnt bereits zum Zeitpunkt des ersten Kontakts des Franchisegebers zu einem interessierten Franchisenehmer, soweit der Franchisegeber sein Franchisesystem im Einzelnen darstellt. Der erste Kontakt kann daher bereits durch Anzeigen in Zeitungen oder wie im vorliegenden Fall durch Messeauftritte aufgenommen werden. Dieses Gespräch hat N maßgeblich zum Abschluss des Vertrages bewogen. F hat es dabei unterlassen, N hinreichend und vollständig über das Franchisesystem zu informieren.F hat demnach gegen die vorvertragliche Aufklärungspflicht verstoßen und haftet unter Umständen für Schäden, die bei N entstanden sind oder später entstehen können.(Eine mögliche Anfechtung des Franchisevertrages soll hier außer Acht bleiben.)

5.2.2. Umfang und Grenzen

Im Folgenden wird geschildert, in welchem Umfang eine Aufklärung zu erfolgen hat und wo deren Grenzen zu ziehen sind.
Im Gegensatz zu anderen Ländern kennt das deutsche Recht für das Franchising keine so genannten disclosure-Regelungen und somit keine klare Festlegung des Umfangs der Aufklärungspflicht. Viel mehr kommt es auf den jeweiligen Einzelfall an. Es ist daher abzuwägen, wie hoch der Informationsbedarf, sowie die Informationsmöglichkeiten des Franchisenehmers einzuschätzen sind. Ein unerfahrener Existenzgründer genießt jedenfalls eine stärkere Schutzwürdigkeit als ein mit der Branche bereits vertrauter Franchisenehmer.

Unabhängig von der konkreten Schutzbedürftigkeit des Franchisenehmers sollte der Franchisegeber seinen Verhandlungspartner entsprechend der Richtlinie des Deutschen Franchise-Verbandes e.V. „vorvertragliche Aufklärungspflichten“ jedoch zumindest über folgende Kriterien informieren:

  • Informationen über das Franchisekonzept,
  • Informationen über die mit Entscheidungsbefugnis ausgestatteten Personen der Systemzentrale,
  • Franchise-Angebot,
  • Rentabilitätsvorschau (sofern vorhanden),
  • Franchisevertrag (zuzüglich aller standardisierten Anlagen),
  • Bankreferenzen,
  • Angaben über Mitgliedschaften in Verbänden,
  • Angaben über andere Vertriebswege der Franchiseprodukte oder Dienstleistungen

Die genannten Punkte stellen eine Art Kalkulationsgrundlage dar, die dem Franchisenehmer eine Entscheidung für oder gegen den Abschluss eines Franchisevertrages erleichtern sollen. Gerade deshalb sollte selbst ein Franchisegeber, der kein Mitglied des DFV ist, über die genannten Punkte informieren. Eine Selbstverständlichkeit ist weiterhin, dass er den interessierten Franchisenehmer wahrheitsgemäß zu informieren hat. Damit einher geht die Pflicht, auf seine Fragen aufrichtig und, soweit möglich, ausführlich zu antworten. Eine bewusst falsch erteilte Information oder ein beabsichtigtes Zurückhalten entscheidungserheblicher Informationen stellt daher eine klare Pflichtverletzung dar. Im Übrigen kann sich für den Franchisegeber dadurch ein Recht zur Anfechtung des Franchisevertrages nach § 123 Absatz 1, erste Alternative BGB ergeben. Die Grenzen der Aufklärungspflicht sind jedoch dann erreicht, sobald eine Aufklärung über einen bestimmten Punkt nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand erfolgen und dem Franchisegeber somit nicht zugemutet werden kann.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch "Franchiserecht - Eine Einführung in das Recht des Franchising" von Harald Brennecke und Christian Metzger, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-15-1.


 

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Stand: September 2007


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Herausgeber / Autor(-en):

Harald Brennecke, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

Portrait Harald-Brennecke

Harald Brennecke ist seit Jahren im Vertriebsrecht, insbesondere in den Bereichen Handelsvertreterrecht, Franchiserecht und Vertragshändlerrecht tätig.

Er vertritt Unternehmen, Handelsvertreter und Vertragshändler bei der Gestaltung und Verhandlung von Handelsvertreterverträgen und Vertragshändlerverträgen. Er begleitet bei Auseinandersetzungen über Provisionen, Überhangsprovisionen oder Handelsvertreterausgleich für Handelsvertreter, Versicherungsvertreter oder Franchisenehmer. Er begleitet bei der Erstellung n Prüfung von Buchauszügen.

Er begleitet den Aufbau und die Konzeption von Franchisesystemen und Partnersystemen im Bereich Handel, Dienstleistung und Beratung. Er gestaltet und prüft Franchiseverträge und Masterfranchiseverträge. Er verhandelt für Parteien von Franchisesystemen im Interesse einer konstruktiven Zusammenarbeit und vertritt bei Verletzungen der Verpflichtungen von Franchisegebern und Franchisenehmern.

Rechtsanwalt Brennecke vertritt weiterhin bei der Verletzung von Wettbewerbsverboten und Geschäftsgeheimnissen. Er ist besonders spezialisiert auf zivilrechtliche wie strafrechtliche Verfahren in Bezug auf  unzulässige Verwendung von Kundendaten und anderen Geschäftsgeheimnissen (17 UWG).

Rechtsanwalt Harald Brennecke hat mehrere Bücher im Bereich Vertriebsrecht veröffentlicht, so

  • "Der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters", 2007, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-04-5
  • "Die Wettbewerbsabrede nach Beendigung des Handelsvertretervertrages", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-03-8
  • "Die Provision des Handelsvertreters - Eine Einführung", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-14-4
  • "Franchiserecht - Eine Einführung in das Recht des Franchising", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-15-1
  • "17 UWG - Verrat von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen", 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-38-0


Rechtsanwalt Brennecke ist Dozent für Vertriebsrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie. 
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare zu den Themen:

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  • Schutz von Kundenadressen und Geschäftsgeheimnissen – 17 UWG in Theorie und Praxis


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