Einführung ins Erbrecht Teil 10: Das Vermächtnis – 2. Erscheinungsformen
Herausgeber / Autor(-en):
Harald Brennecke
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz
Brennecke Rechtsanwälte
Die Möglichkeit eines Vermächtnisses räumt dem Erblasser einen großen Handlungsspielraum ein. Daher werden im Folgenden die unterschiedlichen Erscheinungsformen eines Vermächtnisses kurz beschrieben:
1. Das Vorausvermächtnis, § 2150 BGB
Bei einem Vorausvermächtnis, bestimmt der Erblasser, dass eine Person, die zugleich Erbe ist einen bestimmten Gegenstand als Vermächtnis erhalten soll. Bei einem Vorausvermächtnis findet keine Anrechnung auf den Pflichtteil statt. Das Vermächtnis wird aus der Nachlassmasse ausgesondert. Der Bedachte erhält den Gegenstand im „voraus“. Erst aus dem Rest werden die Erbquoten ermittelt. Das Vorausvermächtnis ist unanhängig von der Annahme des Erbes. Auch wenn er das Erbe ausschlägt, erhält der Vermächtnisnehmer das Vermächtnis.
Beispiel:
Mein Testament Karlsruhe, den 10. Mai 2008
Ich, Michael Koch, setze meine Frau Karin Koch als Vorerbin ein. Sie kann über den Nachlass frei verfügen. Nacherben werden unsere gemeinschaftlichen Kinder zu gleichen Teilen sein. Zusätzlich erhält meine Ehefrau -ohne Anrechnung auf ihren Erbteil- als Vorvermächtnis meine Münzsammlung.
Michael Koch (Unterschrift)
Karlsruhe, den 10. Mai 2008; Karin Koch (Unterschrift)
Praxistipp:
In der Praxis bereitet es immer wieder Schwierigkeiten, das Vorausvermächtnis von der Teilungsanordnung abzugrenzen. Im Fall der Anordnung: „Mein Aktiendepot erhält mein Sohn A, das übrige Vermögen erhalten meine Söhne A und B zu gleichen Teilen.“ bleibt unklar, ob der Erblasser den A begünstigen wollte (dann Vorausvermächtnis) oder einen Ausgleich für das Aktiendepot anstrebte (dann Teilungsanordnung). Um eventuelle Unstimmigkeiten zu verhindern, ist bei der Abfassung einer letztwilligen Verfügung juristischer Rat einzuholen, zumal wenn es sich um eine Vielzahl oder wertvolle Vermächtnisse handelt.
2. Vor- und Nachvermächtnis
Von dem oben dargestellten Vorausvermächtnis ist das Vorvermächtnis zu unterscheiden. Das Vorvermächtnis ist im Zusammenhang mit dem Nachvermächtnis zu sehen. Der Erblasser kann ähnlich der Vor- und Nacherbschaft, Vermächtnisse zeitlich aneinander reihen. Das Vorvermächtnis steht dem Vorvermächtnisnehmer nur für einen bestimmten Zeitraum zu. Der Vorvermächtnisnehmer hat das Vorvermächtnis an den Nachvermächtnisnehmer (§2191 BGB) herauszugeben, wenn die vom Erblasser bestimmte Bedingung (§ 2177 BGB) eintritt.
3. Das Ersatzvermächtnis
Ebenso wie der Erblasser einen Ersatzerben für den eingesetzten Erben bestimmen kann, kann er auch einen Ersatz für den Vermächtnisnehmer benennen. Beispielsweise, für den Fall, dass der Bedachte bei Eintritt des Erbfalles nicht mehr leben sollte, kann der Erblasser ein Ersatzvermächtnis anordnen, § 2190 BGB.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch "Erbrecht – Eine Einführung“ von Harald Brennecke, Dr. Maren Augustin und Isabell Hartung, ISBN 978-3-939384-17-5.
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Stand: November 2009
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Harald Brennecke, Rechtsanwalt
Harald Brennecke ist seit 1997 mit erbrechtlichen Mandaten befasst.
Als Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht berät er insbesondere bei der Gestaltung von Unternehmertestamenten, der Übertragung von Unternehmensanteilen und der Ausarbeitung von Unternehmererbverträgen im Hinblick auf die Sicherung der Unternehmensnachfolge. Als Fachanwalt für Insolvenzrecht berät er Erben und potenzielle Erben bei überschuldetem Nachlass in Bezug auf Erbausschlagung, Dürftigkeitseinreden und der Beantragung und Begleitung bei Nachlassinsolvenzverfahren.
Er berät weiterhin bei der Erstellung von Testamenten und der Gestaltung von Vermögensübergängen, insbesondere aus erbschaftssteuerlicher Sicht und der Auseinandersetzung von Erbengemeinschaften. Er berät bei Pflichtteilsansprüchen, Vermächtnissen sowie bei Fragen der Vorerbschaft und Nacherbschaft. Er begleitet Erben bei der Beantragung von Erbscheinen und der Abwicklung der Erbschaft.
Harald Brennecke hat im Erbrecht veröffentlicht:
- "Erbrecht – Eine Einführung“ von Harald Brennecke und Dr. Maren Augustin, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-17-5
- „Erbschaftssteuer- und Schenkungssteuerrecht: Das Recht der Erbschafts- und Schenkungssteuer. Möglichkeiten zur Verringerung der Steuerbelastung bei Erbschaften und Schenkungen“, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-16-8
Bereits 1999 war er Experte für Erbrecht in einer Serie von Live-Fernsehsendungen.
Rechtsanwalt Brennecke ist Dozent für Erbrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare unter anderem zu den Themen:
- Erbrecht für Steuerberater – Grundlagen des Erbrechts als Basis erbschaftssteuerrechtlicher Beratung
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