Gesellschafterinteressen in der Publikums-KG – Teil 15 - Bekanntgabe der Identität der Gesellschafter
Herausgeber / Autor(-en):
Harald Brennecke
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz
Brennecke Rechtsanwälte
b) Bekanntgabe der Identität der Gesellschafter nur in begründeten Ausnahmesituationen des § 166 Abs. 1 und 3 HGB
Das OLG Hamburg hat mit Urteil vom 26.06.2009 entschieden, dass den Klägern ein Anspruch auf Herausgabe der Listen der Namen und Anschriften aller in Betracht kommenden Mittreugeber nicht zustehe.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Kläger beteiligten sich als Treugeber über die Beklagte als Treuhandkommanditistin an je einem unterschiedlichen Publikumsfonds in Form einer GmbH & Co. KG. Die Beteiligung erfolgte in der Weise, dass die Beklagte selbst Kommanditistin beider Fondsgesellschaften wurde und auf der Grundlage der jeweils gleichlautenden Treuhand- und Verwaltungsverträge als Treuhänderin die eingesammelten Gelder der treugebenden Anleger in die Fondsgesellschaften einbrachte. Die Verwaltung der Beteiligung einschließlich der Wahrnehmung der Gesellschafterrechte oblag dabei der Beklagten. Die Kläger forderten die Beklagte auf „zur Quorenbildung und sonstigen Vorbereitung vor einer Abstimmung der Anleger“ eine Aufstellung sämtlicher Namen und Adressen der Treugeber zu übersenden, mit Ausnahme derer, die ausdrücklich einer Weitergabe ihrer Daten an Mittreugeber widersprochen hätten. Die Beklagte lehnte dies ab.
Das Gericht unterstellt zunächst zugunsten der Kläger, dass das Innenverhältnis zwischen den einzelnen (mittelbaren) Anlegern und der Beklagten als ihrem Organ rechtlich als eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu qualifizieren ist, mit der Folge, dass sich die Pflichten der Beklagten grundsätzlich nach § 713 i.V.m. §§ 664 ff. BGB richten.
Das Auskunftsverlangen lehnte das Gericht in vorliegendem Fall jedoch schon deshalb ab, weil die Kläger – statt einer bloßen Einsichtnahme – von der Beklagten die Herausgabe einer vollständigen Liste sämtlicher Treugeber verlangten. Ein solches Recht folge aus der Anwendung von §§ 675 Abs. 1, 666 BGB jedoch nicht.
Ein allgemeines Informationsrecht in dem Sinne, dass die Kläger unabhängig von dem ursprünglich geführten Streit über eine Rückforderung der Geschäftsführervergütung von der Beklagten die Bekanntgabe von Namen und Anschriften der Mitanleger verlangen könnten, stehe den Klägern nicht zu.
Zwar sei die Beklagte nach dem zwischen den Parteien geschlossenen Treuhand- und Verwaltungsvertrages verpflichtet, den Treugeber „umfassend über die Verhältnisse der Gesellschaft und über seine treuhänderische Beteiligung zu informieren“. In der Sache entspricht diese vertragliche Regelung dem sich aus § 713 BGB i.V.m. § 666 BGB ergebenden Auskunftsanspruch.
Der den Klägern zustehende Auskunftsanspruch sei nicht durch die Regelung des Treuhand- und Verwaltungsvertrages von vornherein ausgeschlossen, nach welcher die Beklagte gegenüber Dritten – mit Ausnahme der Finanzverwaltung und der Gesellschaft – die treuhänderische Beteiligung des Treugebers an der Gesellschaft nur mit dessen ausdrücklicher, schriftlicher Zustimmung offen legen darf. Im Hinblick auf die gesellschaftsvertragliche Verbundenheit der mittelbaren Anleger sieht das Gericht sie nicht als „Dritte“ im Sinne der vertraglichen Regelung an.
Das Gericht lässt dann aber doch offen, ob diese Regelung im Treuhandvertrag eine Verbotswirkung entfalten könnte. Denn ungeachtet dieser Regelung käme ein Einsichts- oder Auskunftsanspruch der Kläger wegen § 242 BGB ohnehin nur innerhalb der Grenzen des Erforderlichen und Zumutbaren in Betracht.80
Dem Merkmal der Erforderlichkeit könne jedoch nur eine zweck- bzw. anlassgebundene Auskunftserteilung genügen. Dabei sei im Einzelfall abzuwägen einerseits zwischen dem berechtigten Interesse der auskunftsfordernden Anleger an der Möglichkeit, auch außerhalb der jährlich durchzuführenden Anlegerversammlung zum Zwecke der Erörterung konkreter Sachfragen mit den übrigen Treugebern in Kontakt zu treten, und andererseits dem Interesse der Beklagten (und ggf. ihrer übrigen Treugeber) an einer Geheimhaltung der Listen mit den Namen und Anschriften aller mittelbaren Anleger.
Einigen Ansichten zufolge ging das Urteil des OLG Hamburg noch nicht weit genug.81 Treugeber müssten es niemals hinnehmen, dass die Treuhandkommanditistin anderen Treugebern Namen und ladungsfähige Anschriften der Treugeber mitteilt. Die Gründe dafür ergäben sich aus der Rechtsnatur des Treuhandverhältnisses.
Zwischen den Treugebern einer Publikumskommanditgesellschaft gäbe es gerade kein Gesellschaftsverhältnis, gleich wie man das Verhältnis zwischen Treugeber und Treuhandkommanditist einordnen wolle. Fehle es aber an einem Gesellschaftsverhältnis und überhaupt an einem Vertragsverhältnis zwischen den Treugebern untereinander, sei nicht ersichtlich, woraus Treupflichten der Treugeber gegenüber anderen Anlegern folgen sollten.82
Die nur mittelbar beteiligten Anleger einer Publikumskommanditgesellschaft könnten allenfalls mit Hilfe eines Analogieschlusses in diejenigen Treuepflichten genommen werden, die Gesellschafter einer Personen – oder Kapitalgesellschaft treffen. Die analoge Begründung von Treuepflichten für nur mittelbar beteiligte Anleger einer Publikumskommanditgesellschaft hänge aber allein davon ab, ob die Treugeber sich untereinander eine – wie auch immer zu bestimmende – „Solidarität“ schulden. Dann - und nur dann - komme in Betracht, dass der Treuhandkommanditist jedem Treugeber auf Wunsch die Namen der übrigen Treugeber nennen muss, damit jeder Treugeber die „Schuldner der Solidarität“ bezeichnen und belangen könne.83
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Gesellschafterinteressen in der Publikums-KG: Auskunftsrechte der Kommanditisten einer Publikums-KG gegen Treuhänder“ von Harald Brennecke, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht 2014, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-28-1.
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Stand: September 2014
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Harald Brennecke ist seit 1999 im Bereich der Unternehmenssanierung tätig. Als Fachanwalt für Insolvenzrecht berät und begleitet er Sanierungen und betreut Geschäftsführer und Gesellschafter bei Firmeninsolvenzen. Er unterstützt Geschäftsführer in der Unternehmenskrise hinsichtlich der für sie bestehenden Haftungsrisiken sowie Gesellschafter im Interesse der Wahrung der Unternehmenswerte. Er unterstützt bei der Suche nach Investoren und Wagniskapitalgebern (venture capital), begleitet Verhandlungen und erstellt Investorenverträge.
Rechtsanwalt Harald Brennecke hat im Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht veröffentlicht:
- "Das Recht der GmbH", Verlag Mittelstand und Recht, 2015, ISBN 978-3-939384-33-5
- "Der Gesellschaftsvertrag der GmbH - Die GmbH-Satzung in Theorie und Praxis", 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-40-3
- "Der Unternehmenskauf - Rechtliche Risiken bei Kauf und Verkauf mittelständischer Unternehmen", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-18-2
- "Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-29-8
- "Gesellschaftsrecht in der Insolvenz", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-26-7
- "Die Limited in der Insolvenz", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-34-2
- "Der Insolvenzplan – Sanierungsinstrument in der Insolvenz", 2007, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-03-8
- "Die Regelinsolvenz - Insolvenz für Unternehmer und Unternehmen", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-07-6
- "Gesellschafterinteressen in der Publikums-KG: Auskunftsrechte der Kommanditisten einer Publikums-KG gegen Treuhänder“, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-28-1
- "Die Gesellschafterversammlung: Ein Leitfaden", Harald Brennecke und Dipl.-Jur. Marc Schieren, M. L. E., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-50-2
- "Arztpraxis – Kauf und Übergang", Harald Brennecke und Michael Kaiser, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-54-0
Folgende Veröffentlichungen von Rechtsanwalt Brennecke sind in Vorbereitung:
- Die Due Diligence – Rechtliche Prüfung beim Unternehmenskauf
- Die Liquidation der Kapitalgesellschaft
- Die Unternehmergesellschaft (UG)
Harald Brennecke ist Dozent für Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie und Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht im DeutscherAnwaltVerein.
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare unter anderem zu den Themen:
- Gesellschaftsrecht für Steuerberater und Unternehmensberater – Grundlagen des Gesellschaftsrechts
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- Welche Gesellschaftsform ist die Richtige? Vor- und Nachteile der Rechtsformen für Unternehmer
- Geschäftsführerhaftung – Geschäftsführung von Kapitalgesellschaften; das letzte große Abenteuer der westlichen Zivilisation
- Insolvenzrecht für Gründer und lebende Unternehmen: Aus Insolvenzen anderer lernen heißt das eigene Insolvenzrisiko zu vermeiden
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