Rechtliche Risiken beim Unternehmenskauf – Teil 08 – Die Unterrichtung der Arbeitnehmer
Herausgeber / Autor(-en):
Harald Brennecke
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz
Brennecke Rechtsanwälte
1.5 Die Unterrichtungspflicht der Arbeitnehmer bei Übergang des Betriebs
Nach § 613a V BGB haben der bisherige Arbeitgeber oder der neue Inhaber die Arbeitnehmer vor dem Übergang in Textform über den Betriebsübergang zu unterrichten. Dabei müssen neben dem Zeitpunkt des Übergangs die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen für die Arbeitnehmer dargestellt werden. Der einzelne Arbeitnehmer ist nicht individuell zu informieren. Es ist ausreichend, wenn die Arbeitnehmer etwa über ein Standardschreiben informiert werden. Diese Informationen müssen nachvollziehbar und in einer für einen juristischen Laien verständlichen Sprache abgefasst sein.16 Sind in dem Betrieb nichtdeutschsprachige Arbeitnehmer beschäftigt sind, genügt es dennoch, wenn das Unterrichtungsschreiben in deutscher Sprache abgefasst ist. Es empfiehlt sich, das Unterrichtungsschreiben mit einem Empfangsbekenntnis zu versehe, so dass der Zugang des Unterrichtungsschreibens in einem eventuellen Prozess nachgewiesen werden kann.
1.5.1 Die inhaltlichen Anforderungen an das Unterrichtungsschreiben
Die in dem Unterrichtungsschreiben erteilten Informationen müssen inhaltlich so genau sein, dass der Arbeitnehmer genügend Tatsachenmaterial für seine Entscheidung hat, ob er gegen den Betriebsübergang nach § 613a VI BGB Widerspruch erheben möchte. Dazu muss dem Arbeitnehmer die volle Identität des Erwerbers mitgeteilt werden. Ebenso ist die Adresse anzugeben, damit der Arbeitnehmer in die Lage versetzt wird, beim Handelsregister Nachforschungen über den Erwerber anzustellen.17
1.5.1.1 Der Grund für den Betriebsübergang
Weiterhin muss der Grund für den Betriebsübergang mitgeteilt werden. Hierunter versteht man das unternehmerische Motiv. Es müssen dabei aber keine Unternehmensgeheimnisse mitgeteilt werden. Das ist insbesondere problematisch, weil die Arbeitnehmer über die wirtschaftlichen und rechtlichen Folgen des Unternehmensübergangs unterrichtet werden müssen. Wenn sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des erwerbenden Unternehmens auf das Arbeitsverhältnis auswirken können, müssen diese wirtschaftlichen Verhältnisse den Arbeitnehmern mitgeteilt werden.18 Ansonsten können diese nicht beurteilen, ob sie ihr Widerspruchsrecht nach § 613 VI BGB ausüben möchten und lieber bei ihrem alten Arbeitgeber verbleiben möchten. Daher wird auch der Kaufpreis mitzuteilen sein, wenn dieser etwa sehr gering ist und ein Anzeichen dafür darstellt, dass sich der Betrieb in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindet. Das gilt insbesondere, wenn ein negativer Kaufpreis vereinbart wurde oder der Betrieb für einen symbolischen Preis verkauft werden soll.19 Dabei dürfen keine falschen Angaben über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Unternehmens gemacht werden. Es ist etwa nicht zulässig, einen Newcomer auf dem Markt als erfahrenes und erfolgreiches Industrieunternehmen zu bezeichnen.20 Das übernehmende Unternehmen darf ebenso wenig als weltweit agierender Marktführer bezeichnet werden, wenn das übernehmende Unternehmen in Wahrheit nur ein von diesem Marktführer noch neu zu gründendes Tochterunternehmen darstellt, welches gerade mit dem Mindestkapital ausgestattet ist.21
1.5.1.2 Die Information über die rechtlichen Folgen des Betriebsübergangs
Das Unterrichtungsschreiben muss weiter auf die rechtlichen Folgen des Betriebsübergangs hinweisen. Dabei ist über die Regelung des § 613a BGB zu belehren. Die Arbeitnehmer sind über ihr Widerspruchsrecht nach § 613a V BGB und die Folgen der Ausübung ihres Widerspruchsrechts zu belehren. Ebenso muss darüber belehrt werden, dass der alte Arbeitgeber die Möglichkeit zur betriebsbedingten Kündigung hat, wenn er den von seinem Widerspruchsrecht Gebrauch machenden Arbeitnehmer nicht auf eine andere Stelle in seinem Betrieb umsetzen kann.
1.5.1.3 Die hinsichtlich der Arbeitnehmer beabsichtigten Maßnahmen
Ferner ist über die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht gestellten Maßnahmen zu unterrichten. Darunter sind neben Weiterbildungsmaßnahmen oder Produktionsumstellungen auch personelle Maßnahmen zu verstehen. Der Arbeitnehmer hat ein Recht zu erfahren, ob der neue Inhaber des Unternehmens etwa beabsichtigt, eine große Zahl von betriebsbedingten Kündigungen auszusprechen.22 Ebenso muss der Arbeitnehmer darüber informiert werden, wenn im erworbenen Betrieb kein Betriebsrat bestehen soll oder großzügige Prämienregelungen abgeschafft werden sollen.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Der Unternehmenskauf – Rechtliche Risiken bei Kauf und Verkauf mittelständischer Unternehmen“ von Harald Brennecke, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht 2014, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-18-2.
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Stand: November 2014
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Harald Brennecke ist seit 1999 im Bereich der Unternehmenssanierung tätig. Als Fachanwalt für Insolvenzrecht berät und begleitet er Sanierungen und betreut Geschäftsführer und Gesellschafter bei Firmeninsolvenzen. Er unterstützt Geschäftsführer in der Unternehmenskrise hinsichtlich der für sie bestehenden Haftungsrisiken sowie Gesellschafter im Interesse der Wahrung der Unternehmenswerte. Er unterstützt bei der Suche nach Investoren und Wagniskapitalgebern (venture capital), begleitet Verhandlungen und erstellt Investorenverträge.
Rechtsanwalt Harald Brennecke hat im Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht veröffentlicht:
- "Das Recht der GmbH", Verlag Mittelstand und Recht, 2015, ISBN 978-3-939384-33-5
- "Der Gesellschaftsvertrag der GmbH - Die GmbH-Satzung in Theorie und Praxis", 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-40-3
- "Der Unternehmenskauf - Rechtliche Risiken bei Kauf und Verkauf mittelständischer Unternehmen", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-18-2
- "Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-29-8
- "Gesellschaftsrecht in der Insolvenz", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-26-7
- "Die Limited in der Insolvenz", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-34-2
- "Der Insolvenzplan – Sanierungsinstrument in der Insolvenz", 2007, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-03-8
- "Die Regelinsolvenz - Insolvenz für Unternehmer und Unternehmen", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-07-6
- "Gesellschafterinteressen in der Publikums-KG: Auskunftsrechte der Kommanditisten einer Publikums-KG gegen Treuhänder“, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-28-1
- "Die Gesellschafterversammlung: Ein Leitfaden", Harald Brennecke und Dipl.-Jur. Marc Schieren, M. L. E., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-50-2
- "Arztpraxis – Kauf und Übergang", Harald Brennecke und Michael Kaiser, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-54-0
Folgende Veröffentlichungen von Rechtsanwalt Brennecke sind in Vorbereitung:
- Die Due Diligence – Rechtliche Prüfung beim Unternehmenskauf
- Die Liquidation der Kapitalgesellschaft
- Die Unternehmergesellschaft (UG)
Harald Brennecke ist Dozent für Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie und Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht im DeutscherAnwaltVerein.
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare unter anderem zu den Themen:
- Gesellschaftsrecht für Steuerberater und Unternehmensberater – Grundlagen des Gesellschaftsrechts
- Gesellschaftsvertragsgestaltung – Grundlagen und Risiken
- Die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) – kleine Chance, großes Risiko
- Welche Gesellschaftsform ist die Richtige? Vor- und Nachteile der Rechtsformen für Unternehmer
- Geschäftsführerhaftung – Geschäftsführung von Kapitalgesellschaften; das letzte große Abenteuer der westlichen Zivilisation
- Insolvenzrecht für Gründer und lebende Unternehmen: Aus Insolvenzen anderer lernen heißt das eigene Insolvenzrisiko zu vermeiden
- Unternehmenssanierung: Kopf aus dem Sand! Wer zu spät reagiert, reagiert nie wieder.
- Insolvenzrecht für Steuerberater – Grundlagen des Insolvenzrechts für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer
- Insolvenzrecht für Unternehmensberater – Sanierungschancen erkennen und wahren
- Insolvenzberatung: das (enorme) Haftungsrisiko des Sanierungsberaters
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