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Gesellschaftsrecht in der Insolvenz – Teil 38 – Die Geschäftsführerhaftung

Geschäftsführerhaftung in der Insolvenz

5. Die Geschäftsführerhaftung in der Insolvenz

Zu den wichtigsten Pflichten des Geschäftsführers gehört es, die finanzielle Situation der GmbH zu überwachen. Er muss frühzeitig erkennen, wenn die Gesellschaft in eine wirtschaftliche Krise steuert. Für den Geschäftsführer ist dies von persönlichem Interesse, um den zahlreichen Haftungsrisiken in einer Insolvenzlage zu begegnen. Fehlverhalten und Pflichtverletzungen des Geschäftsführers führen in der Insolvenzreife zu zahlreichen zivilrechtlichen und strafrechtlichen Ansprüchen, die eine persönliche Haftung auslösen können. Neben den Insolvenzstraftaten stehen dabei besonders die Verletzung der Insolvenzantragspflicht und das Ausführen von Zahlungen in einer Insolvenzlage im Mittelpunkt.

5.1. Zahlungen in Insolvenzlage § 64 GmbHG

5.1.1 Allgemeines

Gemäß § 64 S. 1 GmbHG besteht für einen Geschäftsführer die Pflicht, nach Eintritt der Insolvenzreife die zukünftige Insolvenzmasse nicht durch Neubelastungen zu schmälern und dadurch die Überschuldung zu erweitern. Das Gesellschaftsvermögen der GmbH soll vor einer Masseverkürzung geschützt werden. Daher haftet der Geschäftsführer gegenüber der Gesellschaft für Zahlungen, die nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes vereinbar sind und die nach Eintritt der Insolvenzreife geleistet wurden (vgl. Baumbach/Hueck, GmbHG, § 64, Rn. 1b). Diese Haftung wird in einem laufenden Insolvenzverfahren vom Insolvenzverwalter geltend gemacht, der dann Zahlung vom Geschäftsführer persönlich verlangen kann.

5.1.2 Die Haftung im Einzelnen
5.1.2.1 Verbotene Zahlungen nach Eintritt Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung

Der Geschäftsführer haftet gemäß § 64 S. 1 GmbHG, wenn er nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder nach Feststellung der Überschuldung Zahlungen geleistet hat, die nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar sind. Zahlungen sind Geldleistungen und alle sonstigen Leistungen, die das Gesellschaftsvermögen schmälern.

Die Zahlungen müssen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit bzw. der Überschuldung geleistet worden sein.

Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn der Schuldner nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen. Davon ist abstrakt auszugehen, wenn eine innerhalb von 3 Wochen nicht zu beseitigende Liquiditätslücke des Schuldners 10% seiner fälligen Gesamtverbindlichkeiten beträgt (vgl. BGH, Urteil vom 24.05.2005, IX ZR 123/04, abgedruckt in NJW 2005, 3062). Konkret ist Zahlungsunfähigkeit gegeben, wenn der Schuldner seine am Tag X fälligen Verbindlichkeiten, innerhalb eines Zeitraums von 3 Wochen, nur in Höhe von höchstens 90% bezahlen kann, also eine Liquiditätslücke von 10 % besteht.

Beispiel:

  • Die Verbindlichkeiten des Schuldners werden am Tag X fällig und ein Vergleich zu den liquiden Mitteln ergibt eine Deckungslücke von 10%.
  • Der Schuldner kann bis zum Tag X+3 Wochen maximal 90% der fälligen Verbindlichkeiten begleichen. Die Liquiditätslücke besteht damit weiterhin in Höhe von 10%
    > Es greift die Regelvermutung der Zahlungsunfähigkeit, da der Schuldner innerhalb von 3 Wochen eine Liquiditätslücke von 10% nicht beseitigen konnte.
    > Kann der Schuldner die Liquiditätslücke innerhalb der 3 Wochen beseitigen, handelt es sich lediglich um eine Zahlungsstockung
    > Reduziert sich die Liquiditätslücke auf unter 10% ist grundsätzlich von Zahlungsfähigkeit auszugehen, es sei denn, die Lücke wird demnächst wieder 10% oder mehr betragen. Ebenso ist von Zahlungsunfähigkeit auszugehen, wenn die Lücke zwar kleiner als 10 % ist, aber innerhalb von maximal 6 Monaten nicht vollständig beseitigt werden kann.

Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen der Gesellschaft die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt. Zur Feststellung der Überschuldung trifft einen Geschäftsführer eine strenge Überwachungspflicht der Finanzen der Gesellschaft. Er hat in einer wirtschaftlichen Krise eine Fortbestehensprognose und eine Überschuldungsbilanz zu erstellen um zu überprüfen, ob bereits der Zustand der Überschuldung eingetreten ist. Die Überschuldungsbilanz wird grundsätzlich aus der Handelsbilanz abgeleitet und gibt über die tatsächlichen Werte des Gesellschaftsvermögens Auskunft. Darauf aufbauen ist eine Fortbestehensprognose, regelmäßig nach IDW S6 Standard, zu erstellen, welche ermittelt, ob das Unternehmen weiterhin am Markt bestehen kann.

Wurden nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung Zahlungen geleistet, sind diese nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes vereinbar, wenn sie der Insolvenzmasse schaden und es damit zu einer Verkürzung der Masse kommt.

Solche Zahlungen sind bspw. Überweisungen auf ein Gläubigerkonto, Warenlieferungen, Dienstleistungen oder die Übertragung von Rechten und Forderungen, wenn diese zu einer Verkürzung der Insolvenzmasse führen (vgl. Baumbach/Hueck, GmbHG, § 64, Rn. 63ff).


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Gesellschaftsrecht in der Insolvenz“ von Harald Brennecke, Fachanwalt für Handels- und Gesellschafts- sowie Insolvenzrecht und Thomas Dörner, wissenschaftlicher Mitarbeiter, 1. Auflage 2014, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2014, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-26-7.


 

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Kontakt: brennecke@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Dezember 2014


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Herausgeber / Autor(-en):

Harald Brennecke, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

Portrait Harald-Brennecke

Rechtsanwalt Harald Brennecke ist Gründer und Managing Partner der Kanzlei Brennecke & Partner. Er ist überwiegend im Bereich des Insolvenzrechts für Unternehmer und Unternehmen tätig.

Harald Brennecke ist seit 1999 im Bereich der Unternehmenssanierung tätig. Als Fachanwalt für Insolvenzrecht gestaltet er Sanierungen und begleitet Firmeninsolvenzen. Rechtsanwalt Brennecke berät insbesondere Geschäftsführer in der Unternehmenskrise hinsichtlich der für diese bestehenden  Haftungsrisiken sowie Gesellschafter im Interesse der Unternehmenssanierung unter dem Blickwinkel des Unternehmens als Vermögensbestandteil des Gesellschafters. Er vertritt bei unzulässigen oder unbegründeten Insolvenzanträgen. Rechtsanwalt Brennecke verhandelt mit Insolvenzverwaltern hinsichtlich des Erwerbs von Unternehmen aus der Insolvenz zum Zwecke der Unternehmensfortführung durch Investoren oder Familienangehörige. Weiter vertritt Rechtsanwalt Brennecke bei Ansprüchen des Insolvenzverwalters aus Anfechtung gegen Gesellschafter, Familienangehörige oder Dritte sowie bei (den häufig unterschätzten) Haftungsansprüchen gegen Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften.   

Er berät Insolvenzschuldner hinsichtlich der Erlangung der Restschuldbefreiung und der hierfür erforderlichen Obliegenheiten und vertritt im gesamten Insolvenzverfahren um sicherzustellen, dass der Schuldner die an ihn gestellten Obliegenheitsanforderungen zur Erlangung der Restschuldbefreiung (die über das hinausgehen, was ein Insolvenzverwalter vom Schuldner verlangt und verlangen darf) erfüllt. Der Irrtum, dass Insolvenzschuldner alleine dann schon Restschuldbefreiung erhielten, wenn sie alle Anforderungen des Insolvenzverwalters erfüllen, ist leider immer noch weit verbreitet.

Rechtsanwalt Brennecke berät Schuldner über das Vorgehen bei der Nutzung der Alternativen des europäischen Insolvenzrechts zur Restschuldbefreiung. In wenigen speziellen Fällen bietet ausländisches Insolvenzrecht Vorteile.

Er hat mehrere Bücher im Bereich Insolvenzrecht veröffentlicht, so

  • "Gesellschaftsrecht in der Insolvenz", ISBN 978-3-939384-267
  • "Die Limited in der Insolvenz", ISBN 978-3-939384-34-2
  • "Der Insolvenzplan – Sanierungsinstrument in der Insolvenz", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-06-9
  • "Die Restschuldbefreiung", 2006, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-00-7 
  • "Privatinsolvenz/Verbraucherinsolvenz - Eine Einführung", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-13-1
  • "Insolvenz und Restschuldbefreiung in Europa", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-05-2
  • "Der Insolvenzplan und der Verbraucherinsolvenzplan - Sanierungsinstrument in der Insolvenz - für Verbraucher und Unternehmen", ISBN 978-3-939384-06-9
  • "Die Regelinsolvenz - Insolvenz für Unternehmer und Unternehmen", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-07-6 
  • "Das Recht der GmbH", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-33-5
  • "Der Gesellschaftsvertrag der GmbH - Die GmbH-Satzung in Theorie und Praxis", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-40-3
  • "Der Unternehmenskauf -  Rechtliche Risiken bei Kauf und Verkauf mittelständischer Unternehmen", Verlag Mittelstand und Recht, 2014, ISBN 978-3-939384-18-2
  • "Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-29-8

Weitere Veröffentlichungen sind in Vorbereitung, so

  • „Selbständigkeit in der Insolvenz“
  • „Schutzschirm und Eigenverwaltung“
  • „Die Liquidation von Kapitalgesellschaften“

Er ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht im DeutscherAnwaltVerein und Dozent für Insolvenzrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.  Er moderiert die Gruppe Insolvenz und Insolvenzvermeidung bei XING.
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare unter anderem zu den Themen:

  • Insolvenzrecht für Gründer und lebende Unternehmen: Aus Insolvenzen anderer lernen heißtdas eigene Insolvenzrisiko zu vermeiden
  • Unternehmenssanierung: Kopf aus dem Sand! Wer zu spät reagiert, reagiert nie wieder.
  • Insolvenzrecht für Steuerberater – Grundlagen des Insolvenzrechts für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer 
  • Insolvenzrecht für Unternehmensberater – Sanierungschancen erkennen und wahren
  • Insolvenzberatung: das (enorme) Haftungsrisiko des Sanierungsberaters 
  • Selbständigkeit in der Insolvenz – die große Chance des Neustarts


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Telefon: 0721-20396-28

 


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