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Gesellschaftsrecht in der Insolvenz – Teil 40 – Verschulden bei Haftung gemäß § 64 S.1 GmbHG

5.1.2.4.1 Verschulden bei Haftung gemäß § 64 S. 1 GmbHG

Der Geschäftsführer muss die Masseverkürzung verschuldet haben. Dabei reicht es aus, wenn er fahrlässig gehandelt hat. Er muss sich bei Ausführen der Zahlung über die Zahlungsunfähigkeit bewusst gewesen sein. Ebenso muss ihm bewusst gewesen sein, dass die Zahlung zu einer Verkürzung der Insolvenzmasse führen wird. Bei Überschuldung bedarf es keiner positiven Kenntnis der Überschuldung. Er muss es jedoch fahrlässig unterlassen haben, eine Fortbestehensprognose und eine Überschuldungsbilanz zu erstellen, mit der die Überschuldung hätte festgestellt werden können.

Als Fahrlässigkeitsmaßstab ist die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns zu Grunde zu legen. Es kommt damit nicht auf die individuellen Fähigkeiten des Geschäftsführers an. Fehlt dem Geschäftsführer die fachliche Qualifikation zur Beurteilung, hat er sich fachkundiger Beratung zu bedienen (vgl. BeckOK, GmbHG, § 64, Rn. 63).

Das Verschulden wird vermutet. Damit hat der Geschäftsführer zu beweisen, dass er weder fahrlässig noch schuldhaft gehandelt hat, um eine Haftung abzuwenden. Um einer Haftung vorzubeugen ist es daher ratsam, eine ständige wirtschaftliche Selbstkontrolle durchzuführen, um Haftungsrisiken zu vermeiden (vgl. BeckOK, GmbHG, § 64, Rn. 62).

5.1.2.4.2 Verschulden bei Haftung gemäß § 64 S. 3 GmbHG

Auch die Insolvenzverursachungshaftung erfordert ein Verschulden des Geschäftsführers. Fahrlässiges Handeln ist ausreichend. Ebenso wie bei der Haftung nach § 64 S. 1 GmbHG wird das Verschulden vermutet.

Der Geschäftsführer hat demnach zu beweisen, dass es auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes nicht erkennbar war, dass die Zahlung zur Zahlungsunfähigkeit führen würde.

5.1.3 Beispiele für die Haftung des Geschäftsführers für verbotene Zahlungen in Insolvenzlage

Beispiel 1:
Die Geschäfte der X-GmbH laufen schlecht. Als ein weiterer Auftrag für einen Kunden nicht zustande kommt und das dringend benötigte Geld für die Produktion nicht mehr beschafft werden kann, tritt Zahlungsunfähigkeit ein. Geschäftsführer A der X-GmbH hat sich noch nie sonderlich für die Finanzlage der X-GmbH interessiert und denkt nicht daran, einen Insolvenzantrag zu stellen. Er will neue Aufträge abschließen, um die Finanzlage noch zu retten. Der Geschäftsbetrieb läuft daher zunächst weiter. Geschäftsführer A überweist daher überhöhte Lieferantenrechnungen an den Gläubiger G, damit dieser doch noch dringend benötigte Rohstoffe liefern kann. Ebenfalls veranlasst er die noch vorhandenen fertigen Erzeugnisse auszuliefern und in den Handel zu bringen.

  • Geschäftsführer A haftet gemäß § 64 S. 1 GmbHG wegen Zahlungen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit. Er hat nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit Zahlungen veranlasst, die nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes vereinbar sind. Durch die Zahlungen sind negative Folgen für die Insolvenzmasse eingetreten. A hat die Pflichtverletzung auch zu vertreten. Er hat trotz Eintritt der Zahlungsunfähigkeit den Geschäftsbetrieb weitergeführt und Zahlungen an Dritte veranlasst.

Beispiel 2:
Die Geschäfte der X-GmbH laufen schlecht. Gesellschafter G ist sich bewusst, dass die GmbH nicht mehr lange überleben wird. Er unterbreitet daher Geschäftsführer A den Vorschlag, eine größere Geldsumme an G zu überweisen. G würde sich dann bei A dafür revanchieren. A überweist G 200.000 EUR obwohl insgesamt nur noch 150.000 EUR liquide Mittel zur Verfügung stehen. Durch diese Zahlung an den Gesellschafter G gerät die GmbH in die Zahlungsunfähigkeit.

  • Geschäftsführer A haftet gemäß § 64 S. 3 GmbHG. Er hat an Gesellschafter G eine Zahlung veranlasst, welche nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes vereinbar war und dadurch die Zahlungsunfähigkeit der GmbH herbeigeführt. A hat zudem die Pflichtverletzung zu verschulden. Bei Anwendung der ordentlichen Sorgfalt hätte er erkennen müssen, dass die Zahlung an den Gesellschafter unzulässig ist und zur Zahlungsunfähigkeit führt.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Gesellschaftsrecht in der Insolvenz“ von Harald Brennecke, Fachanwalt für Handels- und Gesellschafts- sowie Insolvenzrecht und Thomas Dörner, wissenschaftlicher Mitarbeiter, 1. Auflage 2014, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2014, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-26-7


 

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Stand: Dezember 2014


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Herausgeber / Autor(-en):

Harald Brennecke, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

Portrait Harald-Brennecke

Rechtsanwalt Harald Brennecke ist Gründer und Managing Partner der Kanzlei Brennecke & Partner. Er ist überwiegend im Bereich des Insolvenzrechts für Unternehmer und Unternehmen tätig.

Harald Brennecke ist seit 1999 im Bereich der Unternehmenssanierung tätig. Als Fachanwalt für Insolvenzrecht gestaltet er Sanierungen und begleitet Firmeninsolvenzen. Rechtsanwalt Brennecke berät insbesondere Geschäftsführer in der Unternehmenskrise hinsichtlich der für diese bestehenden  Haftungsrisiken sowie Gesellschafter im Interesse der Unternehmenssanierung unter dem Blickwinkel des Unternehmens als Vermögensbestandteil des Gesellschafters. Er vertritt bei unzulässigen oder unbegründeten Insolvenzanträgen. Rechtsanwalt Brennecke verhandelt mit Insolvenzverwaltern hinsichtlich des Erwerbs von Unternehmen aus der Insolvenz zum Zwecke der Unternehmensfortführung durch Investoren oder Familienangehörige. Weiter vertritt Rechtsanwalt Brennecke bei Ansprüchen des Insolvenzverwalters aus Anfechtung gegen Gesellschafter, Familienangehörige oder Dritte sowie bei (den häufig unterschätzten) Haftungsansprüchen gegen Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften.   

Er berät Insolvenzschuldner hinsichtlich der Erlangung der Restschuldbefreiung und der hierfür erforderlichen Obliegenheiten und vertritt im gesamten Insolvenzverfahren um sicherzustellen, dass der Schuldner die an ihn gestellten Obliegenheitsanforderungen zur Erlangung der Restschuldbefreiung (die über das hinausgehen, was ein Insolvenzverwalter vom Schuldner verlangt und verlangen darf) erfüllt. Der Irrtum, dass Insolvenzschuldner alleine dann schon Restschuldbefreiung erhielten, wenn sie alle Anforderungen des Insolvenzverwalters erfüllen, ist leider immer noch weit verbreitet.

Rechtsanwalt Brennecke berät Schuldner über das Vorgehen bei der Nutzung der Alternativen des europäischen Insolvenzrechts zur Restschuldbefreiung. In wenigen speziellen Fällen bietet ausländisches Insolvenzrecht Vorteile.

Er hat mehrere Bücher im Bereich Insolvenzrecht veröffentlicht, so

  • "Gesellschaftsrecht in der Insolvenz", ISBN 978-3-939384-267
  • "Die Limited in der Insolvenz", ISBN 978-3-939384-34-2
  • "Der Insolvenzplan – Sanierungsinstrument in der Insolvenz", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-06-9
  • "Die Restschuldbefreiung", 2006, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-00-7 
  • "Privatinsolvenz/Verbraucherinsolvenz - Eine Einführung", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-13-1
  • "Insolvenz und Restschuldbefreiung in Europa", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-05-2
  • "Der Insolvenzplan und der Verbraucherinsolvenzplan - Sanierungsinstrument in der Insolvenz - für Verbraucher und Unternehmen", ISBN 978-3-939384-06-9
  • "Die Regelinsolvenz - Insolvenz für Unternehmer und Unternehmen", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-07-6 
  • "Das Recht der GmbH", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-33-5
  • "Der Gesellschaftsvertrag der GmbH - Die GmbH-Satzung in Theorie und Praxis", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-40-3
  • "Der Unternehmenskauf -  Rechtliche Risiken bei Kauf und Verkauf mittelständischer Unternehmen", Verlag Mittelstand und Recht, 2014, ISBN 978-3-939384-18-2
  • "Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-29-8

Weitere Veröffentlichungen sind in Vorbereitung, so

  • „Selbständigkeit in der Insolvenz“
  • „Schutzschirm und Eigenverwaltung“
  • „Die Liquidation von Kapitalgesellschaften“

Er ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht im DeutscherAnwaltVerein und Dozent für Insolvenzrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.  Er moderiert die Gruppe Insolvenz und Insolvenzvermeidung bei XING.
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare unter anderem zu den Themen:

  • Insolvenzrecht für Gründer und lebende Unternehmen: Aus Insolvenzen anderer lernen heißtdas eigene Insolvenzrisiko zu vermeiden
  • Unternehmenssanierung: Kopf aus dem Sand! Wer zu spät reagiert, reagiert nie wieder.
  • Insolvenzrecht für Steuerberater – Grundlagen des Insolvenzrechts für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer 
  • Insolvenzrecht für Unternehmensberater – Sanierungschancen erkennen und wahren
  • Insolvenzberatung: das (enorme) Haftungsrisiko des Sanierungsberaters 
  • Selbständigkeit in der Insolvenz – die große Chance des Neustarts


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Telefon: 0721-20396-28

 

Normen: § 64 GmbHG

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