Einführung ins Recht der AGB - Allgemeine Geschäftsbedingungen in der rechtlichen Praxis - Teil 21 - Klauseln ohne Wertungsmöglichkeit (§309 BGB)
4.3 Klauseln ohne Wertungsmöglichkeit (§ 309 BGB)
Für Klauseln der AGB, die unter ein Verbot des § 309 BGB fallen, gibt es keine Wertungsmöglichkeit. Diese sind bei Verbraucherverträgen immer unwirksam. Bei Unternehmerverträgen besteht zumeist eine starke Indizwirkung für die Unwirksamkeit.
Die Beweislast für das Vorliegen einer unwirksamen Klausel liegt bei der Partei, die sich auf die Unwirksamkeit beruft. Zumeist ist dies der Vertragspartner des Verwenders.
4.3.1 Nr. 1 – Kurzfristige Preiserhöhungen
Preiserhöhungen innerhalb von vier Monaten nach Vertragsschluss sind unwirksam. Es ist unerheblich, ob die Erhöhung an sich angemessen ist. Es soll verhindert werden per AGB den Preis einseitig erhöhen zu können.
4.3.1.1 Klauseln
Unter Nr. 1 fallen folgende Klauseln :
Gleit- und Spannungsklauseln: Diese erlauben es aufgrund vertragsfremder Bezugsgrößen, wie statistische Indexe oder den zukünftigen Werten gleichartiger Güter wie der Vertragsgegenstand, den Preis zu erhöhen.
Leistungsvorbehaltsklauseln: Sie gestatten es dem Verwender nur leisten zu müssen, wenn der Preis zum Leistungszeitpunkt noch angemessen ist beziehungsweise gestehen ihm ansonsten ein Zurückbehaltungsrecht zu.
Verhandlungsklauseln: Sie verlangen, dass es zu Neuverhandlungen über den Preis kommt, sollte der ursprüngliche Preis nicht mehr angemessen sein.
Kostenelementklauseln: Sie gewährleisten eine Erhöhung von Einzelpositionen des Gesamtpreises, sodass mittelbar der Gesamtpreis steigt.
Irrtumsklauseln: Diese gestatten es dem Verwender den Preis aufgrund einer Fehlkalkulation neu festzusetzen.
4.3.1.2 Gültigkeit von Preisanpassungsklauseln
Alle genannten Klauseln und die generelle Preiserhöhung sind dann gültig, wenn die Leistungserbringung länger als vier Monate dauert oder erst nach vier Monaten erfolgt.
Nach den vier Monaten können die Preiserhöhungsklauseln an § 307 BGB gemessen werden, sodass sie dennoch unwirksam sein können. Dies liegt vor, wenn dem Verwender das einseitige Recht zugestanden wird, den Preis neu zu bestimmen.
Grundsätzlich sind Preiserhöhungsklauseln in AGB zulässig, wenn die Erhöhung erst vier Monate nach dem Vertragsschluss zum ersten Mal greifen kann, die Voraussetzungen bestimmt sind und der Umfang der Erhöhung definiert ist. Der Vertragspartner muss aus der Klausel erkennen können, zu welchem Zeitpunkt der Verwender berechtigt ist, die Preisanpassung durchzuführen und in welchem Umfang dies zu geschehen hat. Andererseits kann bestimmt werden, dass dem Vertragspartner das Recht eingeräumt wird, sich vom Vertrag lösen zu können, sollte er die Preiserhöhung nicht mehr mittragen wollen. Jedoch entbindet dies nicht davon die Preisanpassung nachvollziehbar zu gestalten (Fußnote).
4.3.1.3 Besonderheiten, Unwirksamkeitsfolgen
Werden Preise per AGB als „unverbindlich“ oder „freibleibend“ gekennzeichnet, so ist bei Verbrauchergeschäften immer der Preis verbindlich, auf den sich die Parteien geeinigt haben.
Wird für den Preis nur auf eine Preisliste verwiesen, so unterfällt die Klausel nicht mehr § 309 Nr. 1 BGB, da sich inhaltlich die Preiserhöhung erst mittelbar ergibt, indem die Liste geändert wird. Gleichwohl kann eine Prüfung nach § 307 BGB erfolgen.
Die Unwirksamkeit der Preisanpassungsklausel der AGB verhindert Preisanstiege. Es gilt der anfänglich vereinbarte Preis. Gab es anfangs keinen Preis, so gilt der des Gesetzes (beispielsweise §§ 612 II, 632 II BGB) beziehungsweise die ergänzende Vertragsauslegung (§§ 133, 157 BGB).
4.3.1.4 Sonderfall Dauerschuldverhältnis
Dauerschuldverhältnisse wie Arbeits-, Versicherungs-, Miet-, Leih-, Pacht- und Rahmenlieferverträge sind von § 309 Nr. 1 BGB ausgenommen. Preisanpassungsklauseln werden nach § 307 BGB geprüft.
Selbst hier gilt, dass die Preisanpassungsklausel unwirksam ist, wenn sie es dem Verwender ermöglicht den Preis einseitig anzupassen ohne dass der Vertragspartner die Möglichkeit hat, die Preisänderung nachzuvollziehen und nachzuprüfen (Fußnote). Das heißt der Vertragspartner muss erkennen können wann und in welchem Umfang die Preisanpassung durchzuführen ist. Wird ihm ein Lösungsrecht zugestanden, so muss die Preisanpassung dennoch nachvollziehbar sein.
Ist ein Vertragspartner besonders auf den Vertrag angewiesen, so wird ein strengerer Prüfungsmaßstab bei Prüfung der Nachvollziehbarkeit angelegt.
4.3.1.5 Unternehmerischer Verkehr
Die Nr. 1 hat kaum Indizwirkung für den unternehmerischen Verkehr. Grundsätzlich sind Preisanpassungsklauseln innerhalb der ersten vier Monate erlaubt.
Die Klauseln müssen dennoch transparent und nachvollziehbar sein. Dem Verwender soll nicht ermöglicht werden sich leichtfertig von einem vereinbarten Preis lösen zu können.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Einführung ins Recht der AGB - Allgemeine Geschäftsbedingungen in der rechtlichen Praxis“ Michael Kaiser
auf AGB-Recht spezialisierter Rechtsanwalt bei Brennecke & Partner, Rechtsanwälte Fachanwälte mbB, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2014,www.vmur.de,ISBN 978-3-939384-36-6.
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Kontakt: kaiser@brennecke-rechtsanwaelte.deStand: Dezember 2014