Einführung ins Recht der AGB - Allgemeine Geschäftsbedingungen in der rechtlichen Praxis - Teil 20 - Anwendungsbereich der §§ 308,309 BGB (Fortsetzung)
Herausgeber / Autor(-en):
Harald Brennecke
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz
Brennecke Rechtsanwälte
Oliver Ahnseel
Wissenschaftlicher Mitarbeiter
3.7.2. Mutmaßliche Einwilligung des Geheimnisinhabers
Wie bei dem Rechtsfertigungsgrund der Einwilligung werden auch bei der anscheinenden Einwilligung verschiedene Fallgruppen unterschieden. Die mutmaßliche Einwilligung kann in Folge mangelnden Interesses erfolgen sowie in Fällen, in denen im Interesse eines Betroffenen gehandelt wurde.
Beispiel:
Der Gesellschafter und Chefentwickler, der dem Kunden das neue Produkt vorstellen sollte, erscheint nicht zum Kundentermin und ist telefonisch nicht erreichbar. Daraufhin präsentiert sein Mitarbeiter eigenmächtig das geheime neue Produkt.
Eine mutmaßliche Einwilligung in der Folge mangelnden Interesses des Geheimnisträgers scheitert an dem Tatbestandsmerkmal des Geheimhaltungsinteresses des Geheimnisträgers. In diesem Fall liegt kein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis im Sinne des § 17 Abs. 1 UWG vor.
Die zweite Fallkonstellation soll Umstände erfassen, in denen eine Einwilligung durch den Inhaber des Geheimnisses nicht rechtzeitig eingeholt werden kann. Dennoch ist bei der Würdigung aller Umstände anzunehmen, dass der Geheimnisinhaber seine Einwilligung erteilen würde.
Beispiel:
Eine Rechtfertigung durch mutmaßliche Einwilligung kommt insbesondere bei Not- oder Eilsituationen in Betracht, wenn eine Person bewusstlos ist und deshalb eine Einwilligung nicht oder nicht rechtzeitig erfolgen kann.
Der Rechtfertigungsgrund der mutmaßlichen Einwilligung findet hauptsächlich im medizinischen Bereich Anwendung. Die praktische Relevanz in Bezug auf § 17 Abs.1 UWG ist gering.
3.7.3. Gesetzliche Mitteilungspflichten als Rechtfertigungsgrund
Ein weiterer Rechtfertigungsgrund für den Geheimnisverrat nach § 17 Abs. 1 UWG kann sich aus einer gesetzlichen Offenbarungspflicht ergeben.
Zu diesen Anzeige-, Auskunfts- und Aussagepflichten zählt insbesondere der § 138 StGB.
Nach dieser Vorschrift macht sich ein Mitarbeiter unter Umständen selbst strafbar, wenn dieser die Anzeige einer Straftat unterlässt.
Beispiel:
Ein Mitarbeiter begeht Geheimnisverrat, indem dieser Geheimnisse im Zusammenhang mit illegalen Preisabsprachen an die zuständigen Behörden meldet. Der Verrat erfolgt in diesem Fall nicht unbefugt, da dieser nach § 138 StGB gerechtfertigt ist.
Oftmals kommen Mitarbeiter, die illegale Tatsachen an Behörden melden, schon deshalb nicht als Geheimnisverräter nach § 17 Abs. 1 UWG in Betracht, weil derartige Tatsachen nicht in den Schutzbereich eines Geschäfts- und Betriebsgeheimnisses nach § 17 UWG fallen.
Eine besondere Rolle als Rechtfertigungsgrund im Rahmen der Mitteilungspflichten spielt das Zeugnisverweigerungsrecht:
- im Zivilprozess
- im Strafprozess
3.7.3.1. Zeugnisverweigerungsrecht im Zivilprozess
Ist der Mitarbeiter eines Unternehmens als Zeuge in einem Zivilverfahren geladen, besteht für diesen die Möglichkeit sich auf ein Zeugnisverweigerungsrecht zu berufen.
Die Berufung auf ein Zeugnisverweigerungsrecht ist insbesondere dann möglich, wenn der Gegenstand der Aussage ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis eines Unternehmens betrifft. Eine Notwendigkeit ist gegeben, da ansonsten der Schutz des Geheimnisses in zivilrechtlichen Auseinandersetzungen Dritter nicht gewährleistet wäre.
Beispiel:
Als Zeuge in einem Zivilprozess können sich Mitarbeiter auf § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO berufen. Demnach ist eine Zeugnisverweigerung berechtigt, wenn den Zeugen Tatsachen anvertraut wurden, deren Geheimhaltung sich aus der Natur der Sache oder aus gesetzlichen Vorschriften ergibt.
Eine Ausnahme besteht in Fällen, in denen die Geheimhaltung im Prozess sichergestellt wurde.
Beispiel:
Der Mitarbeiter der Entwicklungsabteilung eines Rüstungsunternehmens kann sich nicht auf sein Zeugnisverweigerungsrecht berufen, wenn die Geheimhaltung durch das Gericht sichergestellt wurde. Das Gericht kann nach § 172 Nr. 2 Gerichtsverfassungsgesetz die Öffentlichkeit von der Verhandlung ausschließen, wenn ein wichtiges Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis erörtert werden soll.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „17 UWG - Verrat von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen“ von Harald Brennecke, auf Vertriebsrecht spezialisierter Rechtsanwalt Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz, und Oliver Ahnseel wissenschaftlicher Mitarbeiter, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-38-0
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Oliver Ahnseel
Wissenschaftlicher Mitarbeiter
Stand: Januar 2015
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