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Die Beraterhaftung im Kapitalmarktrecht – Teil 13 – Beratungspflichten: Objektgerechte Beratung


Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin

Peter Lechner
Wissenschaftlicher Mitarbeiter


2.3.2. Objektgerechte Beratung

Die Beratung hat objektgerecht zu sein. Das heißt, die empfohlene Anlage muss den Anlagekriterien des Anlegers Rechnung tragen. Ein risikoscheuer Anleger vertraut z.B. darauf, von seinem Berater eine sichere Anlage empfohlen zu bekommen.

Um eine solche Empfehlung abgeben zu können, muss die Bank nicht nur Informationen zum Anleger einholen, sondern auch Anlagen prüfen, zu denen beraten werden soll. Es besteht dabei die Möglichkeit, die Prüfung einer Anlage von Dritten durchführen zu lassen, z.B. von einer Konzerngesellschaft oder einer Forschungseinrichtung. Dies braucht der Berater dem Anleger nicht mitzuteilen.

Hat die Bank eine Bonitäts- oder Plausibilitätsprüfung nicht durchgeführt, muss sie das dem Anleger mitteilen. Dann kann eine eingeschränkte Aufklärungspflicht wie beim Execution-only-business vorliegen.

Es gibt zwei Arten, eine Anlage zu prüfen. Dazu zählen die Plausibilitätsprüfung und die Prüfung mit banküblichem kritischem Sachverstand. Sowohl Anlageberater als auch Anlagevermittler müssen eine Plausibilitätsprüfung durchführen. Anlageberater müssen darüber hinaus mit banküblichem kritischem Sachverstand prüfen.

2.3.2.1. Plausibilitätsprüfung

Zunächst hat eine Plausibilitätsprüfung der vorhandenen Informationen zu erfolgen. Die vorhandenen Informationen müssen ergeben, dass die Anlage wirtschaftlich funktionieren kann (wirtschaftliche Tragfähigkeit).

Beispiel

Die Schlau und Clever GmbH & Co. KG legt eine Anlage auf, die auf einem Schneeballsystem beruht. Das heißt, die Anlage läuft nur, solange neue Anleger hinzutreten. Ein Gewinn wird nicht erwirtschaftet, sondern es droht die Insolvenz. Einige Geschäfte der Schlau und Clever GmbH & Co. KG laufen über Anderkonten. Ein Wirtschaftsprüfbericht der Wirtschaftsprüfungskanzlei Schlamp enthält einen Bestätigungsvermerk dafür, dass der Zahlungsverkehr des Unternehmens über Anderkonten ordnungsgemäß abgewickelt wurde.

Die B&B Bank hält deshalb die Anlage für plausibel und empfiehlt sie ihrem Kunden, Herrn Winter.
Diese Plausibilitätsprüfung ist fehlerhaft, weil allein der Vermerk, dass der Zahlungsverkehr über ein Anderkonto ordnungsgemäß abgewickelt wird, nichts über die wirtschaftliche Tragfähigkeit der Anlage aussagt, sondern nur etwas über die ordnungsgemäße Zahlungsabwicklung des Unternehmens. Herr Winter, der auf die Empfehlung der Bank vertraut hat und auf Grund des Schneeballsystems sein Geld verloren hat, kann gegenüber der B&B Bank Schadensersatz geltend machen.

Beispiel

In einem Börseninformationsdienst wird der Immobilienfonds „Neues Wohnen in Dubai“ als seriöser als vergleichbare Angebote vorgestellt. Die Sonder Bank nimmt „Neues Wohnen in Dubai“ daher in ihr Beratungsprogramm auf und empfiehlt ihrem Kunden, Herrn Alt, Anteile an diesem Fonds zu erwerben. Wenn Herr Lasso nun Verluste erleidet, kann er seine Bank auf Schadensersatz in Anspruch nehmen.Die Angabe in dem Börseninformationsdienst sagt nichts darüber aus, ob die Anlage wirtschaftlich tragfähig ist. Deshalb durfte auf diese Angabe keine Plausibilitätsprüfung gestützt werden.

Im Rahmen der Plausibilitätsprüfung haben sich drei spezielle Prüfpflichten herausgebildet: Die Renditeberechnung muss überprüft werden, Angaben im Emissionsprospekt müssen unter Umständen geprüft werden und personalisierte Berechnungen müssen auf Plausibilität überprüft werden.
Bei der Prüfung der Renditeberechnung muss geprüft werden, ob nach der Anlagestrategie des Prospekts die vorgegebene Rendite zumindest möglich ist.

Beispiel

Herr Matthias möchte 10.000 € aus einem Erbe anlegen. Dazu fragt er bei seiner Bank nach einer rentablen Anlage.
Die Bank empfiehlt daraufhin einen Fonds, der eine Renditeerwartung von 15 % haben soll, ohne anzugeben, wie dies erfolgen soll. Die Bank selbst glaubt diese Angabe des Fondsemittenten, weil ein Rechtsanwalt und ein Notar bestätigt haben, dass 91 % der Kapitalsicherheit, wie im Prospekt geschildert, eingezahlt sind. Aus der bloßen Tätigkeit eines Rechtsanwalts oder Notars kann allerdings nicht geschlossen werden, dass die angegebene Renditeerwartung von 15 % plausibel ist. Wenn deshalb die Renditeerwartung nicht den angegebenen 15 % entspricht, hat die Bank ihre Pflicht zur Anlageprüfung verletzt und macht sich schadensersatzpflichtig.

Beispiel

Im Prospekt des Fonds Staatsanleihe Frankfurt III wird mit einer Rendite von 22 % geworben. Die Rendite soll mit der Anlage in Staatsanleihen hoher Bonität erworben werden. Die Berliner Bank empfiehlt ihrem Kunden, Herrn Ludwig, Anteile an diesem Fonds zu erwerben. Die Bank hat hier ihre Plausibilitätsprüfungspflicht verletzt.
Bereits aus der Kombination von hoher Rendite bei hoher Sicherheit hätte die Berliner Bank erkennen müssen, dass die Anlage nicht plausibel ist.

Die Pflicht, Angaben im Emissionsprospekt zu prüfen, besteht dann, wenn besondere Kenntnisse in Anspruch genommen werden.

Beispiel

Die Wind und Energie GmbH tritt als Vermittler von Beteiligungen an Windparks auf.
Im Prospekt einer vermittelten Beteiligung sind falsche Angaben zur technischen Leistung und den Wetterbedingungen am Ort des Windparks aufgeführt. In diesem Fall obliegt der Wind und Energie GmbH eine Prüfpflicht bzgl. der technischen und klimatischen Angaben, weil sie vorgibt, über besondere Sachkenntnis zu verfügen.
Will die Wind und Energie GmbH eine Schadensersatzpflicht vermeiden, muss sie Interessenten darauf hinweisen, dass sie die technischen und klimatischen Details nicht geprüft hat.

Eine dritte Pflicht des Anlagevermittlers und -beraters besteht darin, personalisierte Berechnungen auf Plausibilität zu überprüfen.

Beispiel

Die Lebensversicherung „Sicher im Alter“ gibt ihren Vermittlern Berechnungsbeispiele mit, die von den Vermittlern vor Ort mit individuellen Kennzahlen ausgefüllt werden können. Dabei wird eine Rendite von 8,5 % angenommen. Den Anlegern wird anschließend auf 6 Seiten vorgerechnet, wie sich die Anlage entwickeln wird. Erst auf Seite 7 wird dargestellt, dass nur eine Rendite von 6 % erwartet wird.
Der Anlagevermittler verletzt seine Aufklärungspflicht und macht sich schadensersatzpflichtig, wenn er dem Kunden nicht deutlich macht, dass das Berechnungsbeispiel auf einer unrealistischen Renditeerwartung beruht.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Die Beraterhaftung im Kapitalmarktrecht“ von Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, spezialisiert auf Bank- und Kapitalmarktrecht, und Peter Lechner LL.M, wissenschaftlicher Mitarbeiter, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2015, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-30-4.


 

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Kontakt: ritterbach@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2015


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Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht

Portrait Carola-Ritterbach

Rechtsanwältin Carola Ritterbach arbeitet seit vielen Jahren im Bereich des Bankrechts. Sie ist Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht. Sie unterstützt Verbraucher und Unternehmer in jeglichen Bereichen, in denen Schwierigkeiten mit ihren Banken aufgetreten sind oder drohen aufzutreten.

Beispiele aus dem Tätigkeitsbereich von Rechtsanwältin Carola Ritterbach:

  • Beratung und Vertretung von Bankkunden bei allen Fragen hinsichtlich Darlehensverträgen, Kreditsicherheiten, wie beispielsweise Bürgschaften oder Grundschulden und Kapitalanlagen wie z.B. Wertpapiere oder Fonds
  • Durchsetzung von Schadensersatz- und Rückabwicklungsansprüchen bei Bankberatungsfehlern, z.B. beim Abschluss von offenen oder geschlossenen Immobilienfonds, Schiffsfonds, Zinsdifferenzgeschäften, Swapverträgen etc.
  • Beratung bei Fragen zur Anlagevermittlung und Prospekthaftung
  • Rückabwicklung von Bankanlageprodukten, die sich im Nachhinein als Verlust erweisen
  • Abwehr von Ansprüchen aus sittenwidrigen Angehörigen-Bürgschaften oder Darlehensmitübernahmen
  • Abwehr von Forderungen aus unzulässigen Klauseln in Bankverträgen
  • Rückabwicklung unberechtigter Gebührenzahlungen an Banken
  • Widerruf und Rückabwicklung von Immobiliendarlehen aufgrund fehlerhafter Widerrufserklärungen
  • Abwicklung von Leasingverträgen
  • Begleitung bei Sanierungen notleidender Finanzierungen
  • Unterstützung bei allen Fragen rund um das Girokonto, Sparbuch und dem elektronischen Zahlungsverkehr Wahrung des Bankgeheimnisses und Beanspruchung von Bankauskünften
  • Beratung und Vertretung im Bereich des Factorings

Rechtsanwältin Carola Ritterbach hat im Bankrecht veröffentlicht:

  • Die Beraterhaftung im Kapitalmarktrecht, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-30-4
  • Kreditsicherheiten, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-27
  • Kreditzinsen und Vorfälligkeitsentschädigung - Gewinn- und Schadensberechnung der Banken, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-45-8
  • Bankvertragsrecht, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-32-8
  • Kreditvertragsrecht, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-35-9
  • Leasingrecht – Einführung in das Recht des Leasings, ISBN 978-3-939384-25-0, 2014, Verlag Mittelstand und Recht

 

Rechtsanwältin Ritterbach ist Dozentin für Bank- und Kapitalmarktrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie sowie Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Bank- und Kapitalmarktrecht im Deutschen Anwaltsverein.

Rechtsanwältin Ritterbach bietet Schulungen, Vorträge und Seminare zu den Themen:

  • Die Bürgschaft - Wer bürgt wird gewürgt?
  • Pflichten und Haftung bei der Anlageberatung - Welche Rechte haben Sie gegenüber Ihrer Bank?
  • Bankstrategien von Unternehmen – u.a.: Zweibankenstrategie, die passende Bank für Ihr Geschäft
  • Die Abrechnung von Leasingverträgen - Was Leasinggesellschaften dürfen und worauf Sie achten sollten
  • Der Verkauf von notleidenden Krediten – Was darf Ihre Bank und was nicht
  • Datenschutz im Bankrecht – Bankgeheimnis und Bankauskünfte: Wer erfährt was?

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