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Die Beraterhaftung im Kapitalmarktrecht – Teil 34 – Mitverschulden des Anlegers


Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin

Peter Lechner
Wissenschaftlicher Mitarbeiter


9.4. Mitverschulden

Bei einem Schadensersatzanspruch wird der Anspruch um den Anteil gekürzt, den der Geschädigte selbst mitverschuldet hat.

Grundsätzlich trifft den Anleger jedoch kein Mitverschulden gemäß § 254 I BGB bei der Entstehung des Schadens. Er ist besonders schutzwürdig, denn er hat sich dem Berater gerade wegen dessen Sachkunde als Fachmann anvertraut. Der Anleger will und darf sich deshalb grundsätzlich auf die Richtigkeit der Hinweise und Empfehlungen des Beraters verlassen. Darum sind für ein Mitverschulden, das den Schadensersatzanspruch minimieren kann, besondere Umstände nötig.

Beispiel

Frau Jung hat nach der Beratung durch die Baden Bank keinen weiteren fachlichen Rat eingeholt. Dies ist kein besonderer Umstand, der ein Mitverschulden begründet. Schließlich will Frau Jung gerade durch die Beratung der Baden Bank den fachkundigen Rat einholen.

Beispiel

Wird ein Anleger von einem fachkundigen Dritten vor der Anlageform gewarnt, liegen besondere Umstände vor, die ein Mitverschulden begründen können. Es ist jedoch
tets eine Frage des Einzelfalls.

Investiert ein Anleger hohe Beträge, ohne sich zuvor mit der empfohlenen Kapitalanlage intensiv zu beschäftigen, begründet dies noch kein Mitverschulden. Die Bank kann sich insbesondere nicht darauf berufen, dass der Anleger sich besonders leichtsinnig verhält. Der Anleger tätigt die hohe Geldanlage ohne Einholung weiterer Informationen über die Anlage gerade weil er sich auf die besondere Erfahrungen und Kenntnisse des Beraters verlässt und seinen Auskünften besonderes Gewicht zumisst. Der Berater nimmt daher ein besonderes Maß an Vertrauen in Anspruch, das ein Mitverschulden idR ausschließt.

Beispiel

Herr Öler lässt sich bei der G-Bank bzgl. Aktienanlagen beraten. Schließlich entscheidet er sich dazu, 500.000 EUR in Aktien zu investieren, die ihm der Berater wärmstens empfohlen und deren Sicherheit und Gewinnergiebigkeit er immer wieder betont hat. Später stellt sich heraus, dass die Anlage gar nicht so sicher und gewinnbringend war, wie der Berater es behauptet hat. Er hat einige Risiken verschwiegen, obwohl diese der Bank bekannt waren.
Hier kann Herr Öler seinen infolge der Aufklärungspflichtverletzung entstandenen Schaden von der G-Bank ersetzt verlangen. Die Bank kann sich nicht darauf berufen, dass sich Herr Öler bei der Investition einer so hohen Summe erst einmal intensiv mit der Anlage hätte beschäftigen müssen und dass ihm deshalb ein Mitverschulden anzurechnen ist. Herr Öler hat sich berechtigterweise auf die Beratung und Aussagen des Beraters verlassen. Ihn trifft kein Mitverschulden.

Eine extrem hohe Rendite kann unter Umständen zur Begründung eines besonderen Umstands geeignet sein.

Beispiel

Ein Mitverschulden liegt bei einer Rendite in Höhe von 50% für ein Darlehen mit einer Laufzeit von drei Wochen vor, wenn das Darlehen zum Schließen einer Finanzierungslücke von 50.000 € bezüglich eines Geschäfts im Wert von 22 Mio. US-$ dienen sollte.

Beispiel

Ein Mitverschulden ist nicht schon dann gegeben, wenn der Anleger einer Festgeldanlage aufgrund des vereinbarten Zinssatzes in Höhe von 30,5% pro Quartal den Risikocharakter des Anlagegeschäfts hätte erkennen können.

Nach § 254 Abs. 2 BGB, hat jeder Geschädigte die Pflicht zur sogenannten „Schadensminderung“. Das gilt auch für geschädigte Anlageberatungs-Kunden. Die Schadensminderungspflicht führt dazu, dass der geschädigte Kunde den entstandenen Schaden so gering wie möglich halten muss, also nicht einfach ausharren darf, bis ein immer größerer Schaden entsteht. Tut er dies nicht, wird sein Schadensersatzanspruch um den Schadensbetrag gekürzt, der nur aufgrund des Verstoßes gegen die Pflicht zur Minderung entstanden ist.
Wenn ihm das möglich ist, kann die Schadensminderungspflicht sogar dazu führen, dass der Kunde, den Schaden ganz abzuwenden hat, was allerdings nur in Ausnahmefällen anzunehmen ist.

Droht die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens, gehört es zur Schadensminderungspflicht, den Schädiger darauf aufmerksam zu machen.

Problematisch ist in diesem Zusammenhang, ob ein geschädigter Bankkunde schon dann gegen seine Schadensminderungspflicht verstößt, wenn er erfährt, dass seine Anlage Verluste bringt und er die Anlage trotz bestehender Verkaufsmöglichkeit nicht schnellstmöglich veräußert. Bisher ist noch nicht entschieden worden, ob es sich um einen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht handelt, wenn der Anleger eine Verkaufsmöglichkeit ungenutzt lässt. Dafür spricht, dass der Kunde durch den schnellen Verkauf weiteren Schaden in Form weiterer Verluste vermeiden könnte. Allerdings ist es in den meisten Fällen durchaus denkbar, dass der sinkende Kurs einer Anlage zu einem späteren Zeitpunkt wieder ansteigt und ein Zuwarten mit dem Verkauf daher für den Kunden günstiger wäre. Dann könnte die Bank sich auf den Standpunkt stellen, dass der zu frühe Verkauf der Anlage einen
Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht darstellt.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Die Beraterhaftung im Kapitalmarktrecht“ von Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, spezialisiert auf Bank- und Kapitalmarktrecht, und Peter Lechner LL.M, wissenschaftlicher Mitarbeiter, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2015, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-30-4.


 

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Herausgeber / Autor(-en):
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Peter Lechner
Wissenschaftlicher Mitarbeiter


Kontakt: ritterbach@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2015


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