Die Beraterhaftung im Kapitalmarktrecht – Teil 35 – Verjährung und Verfahren vor Gericht
Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
Peter Lechner
Wissenschaftlicher Mitarbeiter
10. Kapitel Verjährung
10.1. Grundsätzliches zur Verjährung
Verjährung ist die Frist, nach deren Ablauf ein Anspruch nicht mehr durchgesetzt werden kann. Voraussetzung ist, dass sich die Gegenseite auf Verjährung beruft. Der Richter berücksichtigt die Verjährung nicht automatisch.
Schadensersatzansprüche verjähren regelmäßig innerhalb von drei Jahren. Die Verjährungsfrist beginnt bei Schadensersatzansprüchen wegen fehlender Aufklärung und Beratung über Risiken des Wertpapiergeschäfts mit Schluss des Jahres, in dem die Beratung stattgefunden hat, der Schaden eingetreten ist und der Anleger über die anspruchsbegründenden Umstände Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.
Beispiel
Frau Groß wird von ihrer Bank im Mai 2007 zum Global Money Fonds beraten. Im Jahr 2008 wird der Global Money Fonds wertlos. Frau Groß erfährt im Januar 2010, dass ihre Bank von dem Global Money Fonds aufklärungspflichtige Rückvergütungen erhalten hat.
Die Verjährung beginnt erst mit der Kenntnis im Jahr 2010 zu laufen. Nach dem Gesetz beginnt dies mit dem Schluss des Jahres, also am 31.12.2010 um 24:00 Uhr. Die Verjährung tritt drei Jahre nach dem Verjährungsbeginn ein. Daher verjähren Ansprüche aus der Falschberatung vom Jahr 2007 in diesem Fall am 31.12.2013 um 24:00 Uhr.
Liegen mehrere Beratungsfehler vor, so ist die Verjährung für jeden einzelnen gesondert zu berechnen.
10.2. Subjektive Voraussetzungen
Schwierig ist die Beurteilung, ab wann der Anleger Kenntnis oder aufgrund grober Fahrlässigkeit keine Kenntnis von den Anspruch begründenden Umständen hatte (subjektive Voraussetzungen der Verjährung). Beweispflichtig für diesen Zeitpunkt ist die Bank. Da es sich jedoch um Umstände aus der subjektiven Sphäre des Anlegers handelt, ist der Anleger verpflichtet, zur Aufklärung beizutragen. Er muss offenbaren, was er zur Ermittlung der Voraussetzungen seines Anspruchs und der Person des Schuldners getan hat.
In der Rechtsprechung wurden bereits einige Fälle hierzu entschieden.
Beispiel
Herr Sommer weiß aus dem Beratungsgespräch, dass seine Beraterbank Rückvergütungen erhalten wird. Allerdings unterlässt es die Bank rechtswidrig, Herrn Sommer die genaue Höhe der Rückvergütungen offenzulegen.Da Herr Sommer jetzt bereits von den Rückvergütungen weiß, kommt es für den Verjährungsbeginn nicht mehr darauf an, wann er die genaue Höhe der Rückvergütung erfährt.
Beispiel
Frau Meyer wird von ihrem Berater falsch beraten. Später wird ihr der Emissionsprospekt zu der empfohlenen Anlage zugeschickt. Dort sind die Informationen richtig. Frau Meyer liest den Prospekt jedoch nicht.
Sie hat hier keine fahrlässige Unkenntnis von der Falschberatung. Sie darf nämlich darauf vertrauen, von ihrem Berater richtig informiert zu werden.
Beispiel
Herr Schmitt ist ein unerfahrener Anleger. Seine Bank rät ihm daher zu einer Immobilienfondsanlage. Leider verlieren die Immobilien des Fonds wegen einer Krise an Wert. Die Bank weist Herrn Schmitt hierauf nicht hin, obwohl sie davon weiß. Der Rechenschaftsbericht des Fonds, den Herr Schmitt erhält, weist die Probleme aus. Allerdings berichtet der Fonds auch von der ansonsten allgemein guten Lage des Immobilienmarktes.
Diese Verschleierung im Rechenschaftsbericht führt dazu, dass Herr Schmitt weiterhin keine fahrlässige Unkenntnis von der fehlerhaften Beratung hat. Die Verjährung beginnt nicht zu laufen.
Wenn einem Anleger zu seiner Information ein Prospekt übergeben wird, kommt es auf die Umstände an, ab wann zumindest grob fahrlässige Unkenntnis über eine Falsch- oder Fehlberatung vorlag. In der Regel darf ein Anleger den Angaben seines Beraters Vertrauen schenken. Es besteht keine Obliegenheit des Anlegers, das Prospekt zu lesen, wenn er mündlich von seinem Berater aufgeklärt wurde und den Prospekt nur als Zusatzinformation erhält.
Wenn der Anleger also den Prospekt nicht liest, hat er keine fahrlässige Unkenntnis einer Falschberatung und die Verjährungsfrist beginnt nicht zu laufen. Wenn jedoch die Beratung darin besteht, dass ein Prospekt über eine Anlage übergeben wird, ohne dies mündlich zu besprechen, dann musste der Anleger den Prospekt lesen. Tut er dies nicht, hat er jedenfalls grob fahrlässig keine Kenntnis von einer Falschberatung. Dann beginnt die Verjährungsfrist mit Übergabe des Prospekts zu laufen.
10.3. Verjährungshöchstfristen
Neben der regulären Verjährungsfrist von drei Jahren gibt es Höchstfristen für die Verjährung. Die Verjährung tritt spätestens 30 Jahre nach der Pflichtverletzung ein.
Beispiel
Schadensersatzansprüche, die durch Frau Groß‘ Falschberatung am 25.05.2007 entstehen, verjähren spätestens am 25.05.2037.
Die Verjährung tritt aber auch spätestens 10 Jahre nach Eintritt eines Schadens ein.
Beispiel
Der Global Money Fonds, zu der Frau Groß am 25.05.2007 falsch beraten wurde und von dem sie Anteile erworben hat, läuft zunächst hervorragend. Im Zuge von Managementfehlern wird der Fonds jedoch am 23.07.2015 überraschend insolvent. Der Schaden ist hier am 23.07.2015 eingetreten, sodass die Verjährung am 23.07.2025 eintritt.
Wenn die Dreijahres-, Zehnjahres- und die Dreißigjahresfrist nebeneinander stehen, so ist immer der frühere Verjährungsbeginn maßgeblich.
11. Kapitel Verfahren vor Gericht
11.1. Grundsätzliches
Um einen Anspruch durchzusetzen, sollte die Gegenseite zunächst aufgefordert werden, bis zu einem bestimmten Zeitpunkt den Kapitalverlust zu bezahlen. Wenn die Gegenseite bis dahin nicht zahlt, sollte sie noch einmal zur Zahlung aufgefordert werden. Dies ist dann die Mahnung. Zahlt die Bank auf die Mahnung nicht, kommt sie in Verzug. Ab diesem Zeitpunkt können Zinsen verlangt werden. Außerdem muss spätestens ab jetzt der Anwalt von der Gegenseite bezahlt werden (siehe auch 7.4. Anwaltskosten).
Falls die Gegenseite nicht freiwillig zahlt, muss bei Gericht Klage erhoben werden, um das eigene Recht durchzusetzen. Wenn es um Geldbeträge über 5.000 € geht, muss die Klage beim Landgericht eingereicht werden. Dann muss die Klage von einem Anwalt eingereicht werden, der Bankkunde kann dann nicht ohne anwaltliche Unterstützung klagen.
11.2. Verfahren nach dem KapMuG
Im Kapitalanlagerecht stellen sich oft für eine Vielzahl von Fällen ähnliche Fragen. Das liegt daran, dass eine einzelne Anlage viele Anleger hat, die oft ähnlich beraten wurden. Wenn darüber hinaus ein Prospekt falsch ist, auf dessen Grundlage die Beratung beruhte, dann dreht es sich sogar um dieselbe Frage, nämlich die Korrektheit des Prospekts.
Eigentlich müsste in einem solchen Fall jedes Gericht selbst entscheiden, wie es die rechtlichen Fragen beurteilt. Wenn allerdings tausende Anleger klagen, ist dies nicht ökonomisch.
Deshalb ist es seit 2005 möglich, ein Musterverfahren nach dem Gesetz über Musterverfahren in kapitalmarktrechtlichen Streitigkeiten (KapMuG) zu führen. In diesem werden die relevanten Rechtsfragen verbindlich geklärt. Für Anleger bedeutet dies ein geringeres Kostenrisiko im Prozess und ein schnelleres Verfahren.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Die Beraterhaftung im Kapitalmarktrecht“ von Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, spezialisiert auf Bank- und Kapitalmarktrecht, und Peter Lechner LL.M, wissenschaftlicher Mitarbeiter, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2015, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-30-4.
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Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
Peter Lechner
Wissenschaftlicher Mitarbeiter
Stand: Januar 2015
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Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht
Rechtsanwältin Carola Ritterbach arbeitet seit vielen Jahren im Bereich des Bankrechts. Sie ist Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht. Sie unterstützt Verbraucher und Unternehmer in jeglichen Bereichen, in denen Schwierigkeiten mit ihren Banken aufgetreten sind oder drohen aufzutreten.
Beispiele aus dem Tätigkeitsbereich von Rechtsanwältin Carola Ritterbach:
- Beratung und Vertretung von Bankkunden bei allen Fragen hinsichtlich Darlehensverträgen, Kreditsicherheiten, wie beispielsweise Bürgschaften oder Grundschulden und Kapitalanlagen wie z.B. Wertpapiere oder Fonds
- Durchsetzung von Schadensersatz- und Rückabwicklungsansprüchen bei Bankberatungsfehlern, z.B. beim Abschluss von offenen oder geschlossenen Immobilienfonds, Schiffsfonds, Zinsdifferenzgeschäften, Swapverträgen etc.
- Beratung bei Fragen zur Anlagevermittlung und Prospekthaftung
- Rückabwicklung von Bankanlageprodukten, die sich im Nachhinein als Verlust erweisen
- Abwehr von Ansprüchen aus sittenwidrigen Angehörigen-Bürgschaften oder Darlehensmitübernahmen
- Abwehr von Forderungen aus unzulässigen Klauseln in Bankverträgen
- Rückabwicklung unberechtigter Gebührenzahlungen an Banken
- Widerruf und Rückabwicklung von Immobiliendarlehen aufgrund fehlerhafter Widerrufserklärungen
- Abwicklung von Leasingverträgen
- Begleitung bei Sanierungen notleidender Finanzierungen
- Unterstützung bei allen Fragen rund um das Girokonto, Sparbuch und dem elektronischen Zahlungsverkehr Wahrung des Bankgeheimnisses und Beanspruchung von Bankauskünften
- Beratung und Vertretung im Bereich des Factorings
Rechtsanwältin Carola Ritterbach hat im Bankrecht veröffentlicht:
- Die Beraterhaftung im Kapitalmarktrecht, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-30-4
- Kreditsicherheiten, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-27
- Kreditzinsen und Vorfälligkeitsentschädigung - Gewinn- und Schadensberechnung der Banken, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-45-8
- Bankvertragsrecht, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-32-8
- Kreditvertragsrecht, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-35-9
- Leasingrecht – Einführung in das Recht des Leasings, ISBN 978-3-939384-25-0, 2014, Verlag Mittelstand und Recht
Rechtsanwältin Ritterbach ist Dozentin für Bank- und Kapitalmarktrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie sowie Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Bank- und Kapitalmarktrecht im Deutschen Anwaltsverein.
Rechtsanwältin Ritterbach bietet Schulungen, Vorträge und Seminare zu den Themen:
- Die Bürgschaft - Wer bürgt wird gewürgt?
- Pflichten und Haftung bei der Anlageberatung - Welche Rechte haben Sie gegenüber Ihrer Bank?
- Bankstrategien von Unternehmen – u.a.: Zweibankenstrategie, die passende Bank für Ihr Geschäft
- Die Abrechnung von Leasingverträgen - Was Leasinggesellschaften dürfen und worauf Sie achten sollten
- Der Verkauf von notleidenden Krediten – Was darf Ihre Bank und was nicht
- Datenschutz im Bankrecht – Bankgeheimnis und Bankauskünfte: Wer erfährt was?
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