Der Bebauungsplan – Teil 35 – Art und Maß der baulichen Nutzung
9. Die Baunutzungsverordnung und ihre Bedeutung für den Bebauungsplan
Wie in Kapitel 7 ff. bereits dargestellt, ist für das Maß und die Art der Bauweise die Baunutzungsverordnung maßgeblich. In ihr sind die Regelungen aufgeführt, die einem Bauherren darlegen, was er wo und in welcher Größe bauen darf. Zunächst gilt es sich die Frage zu stellen, in welchem Gebiet sich die Baufläche befindet:
9. 1 Die Art der baulichen Nutzung und die verschiedenen Gebietstypen
Die Baunutzungsverordnung unterscheidet der Art nach:
- Kleinsiedlungsgebiet (WS): unter Kleinsiedlungen versteht man eine Ansiedlung weniger Wohngebäude samt Nutzgärten und geringe landwirtschaftliche Nebenerwerbsstellen.
- allgemeines Wohngebiet (WA): dieses dient überwiegend dem Wohnen. Neben Wohngebäuden sind also auch „der Versorgung des Gebiets“ dienende Läden und Gaststätten zulässig. Nutzungen müssen jedoch immer wohnverträglich sein.
- Reines Wohngebiet (WR): dieses dient nur dem Wohnen. Kleine Geschäfte und nicht störende Betriebe sind ausnahmsweise zulassungsfähig, aber genehmigungsbedürftig.
- Besonderes Wohngebiet (WB): ein solches dient vorwiegend dem Wohnen, aber auch der Unterbringung von Gewerbebetrieben und Betrieben oder Anlagen die mit der Wohnnutzung vereinbar sind. Zulässig sind: Geschäfts- und Bürogebäude, Hotels, Restaurants, Verwaltungen, Kinos, Theater, Einrichtungen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche, und sportliche Zwecke, Tankstellen.
- Dorfgebiet (MD): Neben der Wohnnutzung ist hier als einziges Wohngebiet die Errichtung von land- und forstwirtschaftlichen Flächen zulässig. Auf deren Belange ist sogar Rücksicht zu nehmen, da sie hier Vorrang genießen.
- Mischgebiet (MI): Bezeichnet ein Baugebiet, dass neben dem Wohnen auch nicht wesentlich störendes Gewerbe zulässt.
- Kerngebiet (MK): zumeist umfasst dies die Innenstadt. Hier sind vorwiegend Handwerk, Gastronomie, Wirtschaft, Verwaltung und Wohnungen zulässig.
- Gewerbegebiet (GE): ist ein gesondert ausgewiesenes Gebiet, das der vorrangigen Nutzung durch Gewerbe dient.
- Industriegebiet (GI): dieses Gebiet hat sich auf Produktionsbetriebe spezialisiert, um die damit einhergehenden Umweltbelastungen von den anderen Gebieten – insbesondere der Wohnbebauung – fernzuhalten.
- Sondergebiet (SO): in diesem ist die Nutzung zweckgebunden. Dieser wird mit dem Bebauungsplan festgesetzt. Denkbar sind: Einzelhandel, Kultur, Wissenschaft, Kraftwerke etc.
In Abhängigkeit von der Klassifizierung des Gebietes kann dort entsprechend gebaut werden. Gerade die Nutzungen von „Wohnen und Gewerbe“ verschwimmen oft ineinander und sind in mehreren Gebietsarten zulässig. Besondere Genehmigungen werden fällig, sobald der Betrieb gewerblicher Art Einfluss auf die Anlieger nimmt: sei es durch ein besonders hohes Maß an Fahrzeugen, die tagtäglich das Gelände ansteuern, lautstarke Arbeiten, Stäube, Gerüche oder dergleichen. Besondere Ausnahmen erlaubt das Gesetz, soweit mildtätige Zwecke verfolgt werden, etwa sozialer oderkultureller Art.
Gemeinden legen zudem oftmals einen Zweck für die bauliche Nutzung fest, gerade wenn dieser für das Gemeinwohl („Flächen für den Gemeinbedarf“) bestimmt ist, im folgenden Beispiel für die Nutzung „Feuerwehr“.
Abbildung 9 - Vorhaltung von Flächen für den Gemeinbedarf, hier: Feuerwehr
9.2 Das Maß der baulichen Nutzung
Nachdem nun geklärt ist, welche Art von Gebäude für das Bauland zulässig ist, stellt sich die Frage, welche Größe das Gebäude haben darf. Welche Grundflächenzahl darf es haben? Bis zu welcher Grenze darf ich bauen? Wie hoch darf mein Haus sein und wie viele Geschosse darf es haben? All dies sind Fragen, die einen Bauherren beschäftigen sollten. Auch hier geben Baunutzungsverordnung und Bebauungsplan Aufschluss:
In der unten sichtbaren Nutzungsschablone wird deutlich, dass es sich um ein „Allgemeines Wohngebiet“ handelt. Das bedeutet, dass dieses vorrangig für Wohnbebauung gedacht ist.
Abbildung 10 - Festsetzungen von Maß der baulichen Nutzung un der Geschossflächenzahl
Der hier gezeigte Bebauungsplan nutzt als Festsetzungsgröße das Maß der baulichen Nutzung die Grundflächen- und die Geschossflächenzahl:„GFZ 0,30, GRZ 0,30“. Was bedeutet das?
GFZ steht für Geschossflächenzahl. Sie gibt an, wie hoch das Verhältnis der gesamten Geschossfläche aller Vollgeschosse - ohne Keller und Dach (es sei denn, diese sind Vollgeschosse) - der Bebauung auf einem Grundstück zu der Fläche des Grundstückes maximal sein darf. Die GFZ ist aus den Flächen aller Vollgeschosse zu berechnen. Unter Vollgeschoss versteht man – je nach landesrechtlicher Definition in der Landesbauordnung – Geschosse, die mehr als 1,4 m über die im Mittel gemessene Geländeoberfläche hinausragen und, von Oberkante Fußboden bis Oberkante Fußboden der darüberliegenden Decke oder bis Oberkante Dachhaut des darüberliegenden Daches gemessen, mindestens 2,3 m hoch sind.
Beispiel: Bei einer Geschossflächenzahl (GFZ) von 0,30 dürfen sich auf einem Grundstück mit 1000m² maximal 0,3 x 1000 = 300 m² Geschossfläche in den Vollgeschossen befinden.
Der vorliegende Bebauungsplan lässt ein Vollgeschoss zu.
Abbildung 11 - Maß der baulichen Nutzung nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB, § 16 BauNVO
z.B. GFZ 0,3 – Geschossflächenzahl als Höchstmaß
z.B. GRZ 0,3 – Grundflächenzahl
Z.B. III – Zahl der Vollgeschosse als Höchstmaß
Das Maß der baulichen Nutzung findet sich nicht nur im zeichnerischen Teil des Bebauungsplans in der dargestellten Nutzungsschablone, sondern ist in den textlichen Festsetzungen nochmals formuliert.
ein weiteres Beispiel:
Abbildung 12 - Gewerbegebiete in der Bebauungsplanung
Hier liegt ein Gewerbegebiet vor. Als Festsetzungen sind vorgegeben, dass eine Geschossflächenzahl von 1,6, sowie eine Grundflächenzahl von 0,8 vorliegt. Es sind zwei Vollgeschosse zulässig. Bei einer angenommenen Fläche von 1000m2 ist damit die Überbauung einer Grundfläche von 800m2 zulässig, dies regelt die Grundflächenzahl. Da die Geschossflächenzahl einen Wert von 1.6 festsetzt, kann das zweite zulässige Vollgeschoss ebenfalls über die gesagte Grundfläche von 800 m² des darunter liegenden Vollgeschosses errichtet werden, was bei einer geringeren Festsetzung als 1,6 mittels der GFZ hier nicht möglich wäre. Dann wäre zwar die Errichtung eines zweiten Vollgeschosses grundsätzlich zulässig, doch müsste dieses entsprechend hinter der Fläche des darunterliegenden Geschosses zurückbleiben.
Hier wäre demnach die Errichtung von insgesamt 1.600 m² nutzbarer Geschossfläche, verteilt auf zwei Vollgeschossen mit je maximal einer Grundfläche von 800 m², zulässig. .
Für die Ansiedlung von Gewerbe wird oftmals ein Sondergebiet ausgewiesen. Nachstehend ist ein Beispiel einer Bebauung im Gewerbegebiet „Bassgeige West“ der Stadt Goslar gezeigt. Eine Baumarktkette will einen neuen Markt errichten. Die Stadt Goslar änderte dazu den Bebauungsplan.
Neben baurechtlichen Vorschriften ist – gerade bei der Ansiedlung von Handel – zu beachten, welche ortsrechtlichen Vorschriften es gibt. Denn Städte erlassen oftmals Innenstadt- und Handelssatzungen, in denen reglementiert ist, welche Flächen welche Sortimente einnehmen dürfen, um zu verhindern, dass Innenstädte „ausbluten“, und die Kaufkraft übermäßig in außerhalb liegende Gewerbegebiete verlagert wird. Die Stadt Goslar hat sich ein „Zentrenkonzept“ gegeben, in dem geregelt ist, welche Handelsflächen für welche Sortimentsarten (bspw. Wohnen, Lebensmittel, Baumarkt) außerhalb der Innenstadt zulässig sind.
Abb. 13 - Hier ist ein Ausschnitt eines Bebauungsplanes gezeigt, mit dem die Stadt Goslar die Grundlage für die Bebauung eines Grundstücks in einem Gebiet außerhalb der Innenstadt schafft. Hier wird es als „Sondergebiet, Nutzung Baumarkt“ ausgewiesen.
Bebauungsplan: Stadt Goslar, Baßgeige-West, Stand 2011
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Der Bebauungsplan Einführung in das Bauplanungsrecht“ von Olaf Bühler, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, und Pascal Bothe LL.B.,wissenschaftlicher Mitarbeiter.
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