Einführung ins Recht der AGB - Allgemeine Geschäftsbedingungen in der rechtlichen Praxis – Teil 42 – Unwirksamkeit des Vertrags, zusätzlicher Schadensersatz
Herausgeber / Autor(-en):
Michael Kaiser
Rechtsanwalt
Sebastian Galle
wissenschaftlicher Mitarbeiter
5.4 Unwirksamkeit des Vertrags
Die Unwirksamkeit des Gesamtvertrags wegen der Unwirksamkeit einer AGB-Regelung stellt die große Ausnahme dar. Praktisch häufig liegt der Fall vor, wenn die gesamten AGB nicht wirksam einbezogen worden sind.
Grundsätzlich gibt es zwei denkbare Konstellationen:
Einerseits, wenn durch den Wegfall der AGB nur ein Vertragsrest übrigbleibt, der allein für sich stehend nicht mehr in der Lage ist, das ihm zugrundeliegende Geschäft ausreichend zu regeln. Die Lücke muss folglich gravierend sein und kann nicht geschlossen werden. Da für einen Vertrag nur wenige Punkte (Vertragsparteien, Vertragsleistungen) derartig wichtig sind, dass er ohne sie nicht mehr durchgeführt werden kann, kommt dies selbst bei Wegfall der kompletten AGB selten vor. In der Praxis können solche Lücken per Individualvereinbarung geschlossen werden.
Andererseits kann durch den Wegfall der AGB eine Vertragsseite derartig bevor- beziehungsweise benachteiligt werden, dass es ihr oder der anderen Vertragsseite nicht mehr zugemutet werden kann, weiter an diesen Vertrag gebunden zu sein. ZUM BEISPIEL dann, wenn der Preis reduziert wurde, dafür per AGB dem Vertragspartner ein höheres Risiko aufgebürdet wurde (zum Beispiel geringerer Preis, dafür das Transportrisiko). Mit dem Wegfall der Transportregelung würde das Risiko entfallen, somit wieder der anderen Vertragsseite zufallen, die eine (wohl) zu geringe Gegenleistung dafür erhält. Hierbei kommt es auf das Verhältnis beider Komponenten an. Ist das Transportrisiko und der Preisnachlass/-zuschlag nur marginal, reicht dies nicht aus, um den Vertrag insgesamt unwirksam werden zu lassen.
Für den Verwender wird hierbei ein einschneidenderer Maßstab angesetzt, weil er die Verantwortung dafür trägt, wirksame AGB einzubringen.
Diese Härtefälle treten oftmals dann auf, wenn der Vertragstyp per Gesetz ungeregelt ist und nun zwischen den Vertragsparteien Streit über die Rechte und Pflichten besteht.
5.5 Zusätzlicher Schadensersatz
Durch AGB soll vorrangig vom gesetzlichen Pflichtenprogramm abgewichen werden, sodass einer Vertragsseite mehr Pflichten auferlegt werden, als nach der gesetzlichen Regelung. Wird eine derartige Regelung unwirksam, hat die andere Vertragsseite, um diese entfallende Verpflichtung zu erfüllen, bereits Aufwendungen getätigt, so kann sie hierfür Schadensersatz nach §§ 280, 284 BGB verlangen. Zum Beispiel indem für einen Transport bereits eine teuere einmalige Versicherung abgeschlossen wurde, das Risiko nun jedoch wieder bei der anderen Vertragsseite liegt.
5.6 Zusammenfassung
Wird eine AGB-Regelung unwirksam, so bleiben der Vertrag und die restlichen AGB-Regelungen wirksam. Die Lücke wird durch die gesetzliche Regelung geschlossen. Ist dies mangels einer solchen nicht möglich, kommen die ergänzende Vertragsauslegung oder neue AGB-Regelung zur Anwendung. Nur, wenn der Vertrag selbst trotz dieser Hilfsmittel nicht mehr durchführbar ist, wird auch dieser unwirksam.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Einführung ins Recht der AGB - Allgemeine Geschäftsbedingungen in der rechtlichen Praxis“ von Michael Kaiser, auf AGB-Recht spezialisierter Rechtsanwalt, und Sebastian Galle, wissenschaftlicher Mitarbeiter, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2014, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-36-6.

Weiterlesen:
zum vorhergehenden Teil des Buches
Links zu allen Beiträgen der Serie Buch - AGB-Recht
Herausgeber / Autor(-en):
Michael Kaiser
Rechtsanwalt
Sebastian Galle
wissenschaftlicher Mitarbeiter
Stand: Dezember 2014