Einführung ins Recht der AGB - Allgemeine Geschäftsbedingungen in der rechtlichen Praxis – Teil 41 – Grundsatz der Wirksamkeit, Unwirksamkeit der AGB-Regelung, Schließung einer Vertragslücke
Herausgeber / Autor(-en):
Michael Kaiser
Rechtsanwalt
Sebastian Galle
wissenschaftlicher Mitarbeiter
5. Rechtsfolgen
5.1 Grundsatz der Wirksamkeit
Der gesetzliche Grundsatz lautet in § 139 BGB, dass die Nichtigkeit eines Teils eines Vertrags zur Nichtigkeit des gesamten Vertrags führt. Von diesem Grundsatz wird im AGB-Recht abgewichen.
Werden AGB-Regelungen unwirksam, so betrifft dies den restlichen Vertrag nicht, der weiterhin wirksam bleibt. Gleiches gilt, wenn beide Parteien nicht daran interessiert sein sollten diesen Vertrag weiterhin zu erfüllen.
Dieser Grundsatz des § 306 I BGB kann nicht per AGB ausgeschlossen werden. Soll der Gesamtvertrag nichtig werden, wenn eine AGB-Regelung nichtig wird, so ist dies nur per Individualvereinbarung möglich.
5.2 Unwirksamkeit der AGB-Regelung
Ergibt sich nach Prüfung der zu beanstandenden AGB-Regelung deren Unwirksamkeit, wird sie nicht wirksam in den Vertrag einbezogen und folglich nicht angewandt. Die Unwirksamkeit betrifft nur die jeweilige isolierte AGB-Regelung, nicht die AGB als Gesamtwerk (Ausnahme: Fehler bei der Einbeziehung der gesamten AGB).
Werden AGB durch die Änderung der Gesetzgebung unwirksam, so besteht Vertrauensschutz dahingehend, dass die Klauseln im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung auf das nun bestehende rechtlich akzeptierte Maß reduziert werden. Dies gilt nicht, wenn die Gesetzesänderung zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits bekannt war.[1]
Bei einer Änderung der Rechtsprechung gibt es keinen Vertrauensschutz, sodass an die Stelle der unwirksamen AGB-Regelung die gesetzliche Regelung tritt.[2]
5.3 Schließung einer Vertragslücke
Trotz seines Weiterbestehens weist der Vertrag nun eine Lücke in seinem Regelwerk auf, so dass diese gefüllt werden muss. Hierzu sind mehrere Varianten vorstellbar.
5.3.1 Durch Gesetzesrecht
Generell muss die entstandene Lücke durch die gesetzliche Regelung geschlossen werden. Problematisch ist dies nur, wenn es keine solche gibt, weil beispielsweise die Vertragsform (Franchising, Leasing) gesetzlich nicht geregelt ist.
5.3.2 Durch die AGB selbst
Die Unwirksamkeit nach §§ 307 ff. BGB betrifft nur die jeweilige isolierte AGB-Bestimmung. Die restlichen AGB bleiben weiterhin im vollen Umfang wirksam.
Die weiterhin gültigen AGB können die Lücke höchstens teilweise schließen. Zwar gilt grundsätzlich, dass bei der Unwirksamkeit einer Klausel diese vollständig unwirksam wird, jedoch gibt es hierzu eine Ausnahme.
Häufig bezieht sich die Unwirksamkeit nur auf einen Teil der Klausel. Wird zum Beispiel die Fälligkeit geregelt und hierzu ein ohne Mahnung zustehender überhöhter pauschalierter Schadensersatz gefordert, so ist inhaltlich nur der letzte Teil unwirksam (hierzu § 309 Nr. 4 und Nr. 5 BGB).
Theoretisch könnte der Schadensersatz auf Null reduziert werden oder die „Nichtmahnung“ gestrichen werden. Dies wäre eine „Geltungserhaltende Reduktion“. Die Klausel würde auf den Maßstab reduziert, der gerade noch rechtlich gebilligt wird. Dies ist nach der Rechtsprechung allerdings sogar im unternehmerischen Verkehr unzulässig. Ansonsten wäre kein Anreiz vorhanden , gültige AGB in den Vertrag aufzunehmen, da bei einem Verstoß darauf vertraut werden könnte, dass die unwirksame Norm auf das zulässige Maß reduziert würde.
Dennoch gibt es eine rechtliche Konstruktion, die im Ergebnis einer „Geltungserhaltenden Reduktion“ nahe kommt. Ist der unbedenkliche Teil – oben die Fälligkeitsregelung an sich – vom bedenklichen Teil – pauschalierter Schadensersatz ohne vorherige Mahnung – sprachlich und inhaltlich abtrennbar, so kann der unbedenkliche Teil bestehen bleiben. Dies liegt beispielsweise vor, wenn beide Teile durch ein „und“ verbunden sind und somit der restliche Teil ab dem „und“ abgetrennt werden kann. Wenn der übrig bleibende Teil für sich weiter Sinn ergibt, kann er bestehen bleiben. In der Praxis ist dies am häufigsten der Fall bei Fristenregelungen (Trennung von Fristbeginn und –länge), Kündigungsregelungen (Voraussetzungen und Folgen) und bei Aufzählungen.
Der übrig bleibende Teil der noch ungeschlossenen Lücke muss durch die gesetzlichen Regelungen geschlossen werden.
5.3.3 Durch ergänzende Vertragsauslegung
Die Schließung einer Lücke durch ergänzende Vertragsauslegung darf nur Anwendung finden, wenn keine gesetzliche Regelung Anwendung finden kann.
Diese Form kann nur selten und darf nur in engen Grenzen angewandt werden. Hierdurch werden neue Regelungen in den Vertrag einbezogen, die beide Vertragsparteien geschaffen hätten, hätten sie gewusst, dass die unwirksame Regelung unwirksam ist; also so, als ob sie selbst die Lücke durch neue Regelungen schließen könnten.
Hierbei ist darauf zu achten, dass ein möglichst gerechter Interessenausgleich zwischen den Vertragsparteien erreicht wird.[3] Selbst wenn die AGB eine Seite stark bevorteilen, darf dies nicht für die neue Regelung gelten. In der neutralen Form der neuen Regelung liegt die Strafe für die Verwendung einer unwirksamen Regelung und die Parallelität zur gesetzlichen Regelung, die ebenso versucht einen gerechten Interessenausgleich zu schaffen.
Zudem darf durch die ergänzende Vertragsauslegung die unwirksame Norm nicht erneut in abgeschwächter Form eingebracht werden.
Ist eine Preisanpassungsklausel beispielsweise unwirksam, so darf diese Anpassungsregelung nicht erneut eingeführt werden. Stattdessen würde der Anfangspreis gelten. Da dies den Verkäufer benachteiligt, sollten sich seine Grundstoffe verteuern, muss sich der Verkäufer innerhalb eines Jahres vom Vertrag lösen dürfen.[4]
5.3.4 Durch neue AGB
Es ist möglich eine Lücke in den AGB durch die Anwendung neuer AGB zu schließen. Hierzu würden die Regelungen der neuen AGB an die jeweiligen Stellen der alten AGB treten. Dies muss per Individualvereinbarung geschehen. Zudem müssen beide Parteien darüber einig sein, welche neuen AGB auf den Vertrag dann Anwendung finden sollen. Eine Komplettersetzung der alten durch die neuen AGB ist möglich.
In einigen AGB finden sich hierzu Klauseln, die bei der Unwirksamkeit einer Regelung bestimmen, dass automatisch die Ersatz-AGB hierauf Anwendung finden sollen. Dieses „Anhängen“ weiterer AGB verstößt gegen das Transparenzgebot. Derartige Klauseln sind unwirksam.
5.3.5 Salvatorische Klauseln
Durch Salvatorische Klauseln verpflichten sich beide Vertragsparteien entstehende Lücken durch neue Regelungen zu schließen („…verpflichten sich beide Parteien bei Wegfall eine Regelung zu finden, die deren wirtschaftlichen Zweck am nächsten kommt…“). Diese sind nur wirksam, wenn sie einer Individualvereinbarung entspringen. Eine Salvatorische Klausel als AGB-Regelung ist unwirksam.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Einführung ins Recht der AGB - Allgemeine Geschäftsbedingungen in der rechtlichen Praxis“ von Michael Kaiser, auf AGB-Recht spezialisierter Rechtsanwalt, und Sebastian Galle, wissenschaftlicher Mitarbeiter, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2014, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-36-6.
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Stand: Dezember 2014
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