Die Haftung für Steuerschulden – Teil 01 – Allgemeines
1. Einführung
Dass derjenige, der dem Staat Steuern schuldet, vom Finanzamt auf Zahlung der Steuern in Anspruch genommen werden kann, ist selbstverständlich. Neben dem Steuerpflichtigen kann das Finanzamt in gewissen Konstellationen allerdings auch andere Personen auf Zahlung der rückständigen Steuern in Anspruch nehmen. Diese Personen haften dann für die Steuern des Steuerpflichtigen. Hierbei kann es sich z.B. um den Vertreter einer juristischen Person handeln, wie den Geschäftsführer einer GmbH, oder um den Eigentümer einer Sache oder den Erben eines Verstorbenen handeln. Das folgende Skript soll darstellen, wann jemand, für die Steuerschulden eines anderen in Anspruch genommen werden kann und wie das Finanzamt diesen Anspruch durchsetzen kann.
2. Allgemeines
Der Schuldner einer Steuerpflicht ist nach § 33 AO[1] immer der Steuerpflichtige.
In gewissen Konstellationen können vom Finanzamt neben dem Steuerpflichtigen weitere Dritte als Haftende in Anspruch genommen werden. Haftung ist im Steuerrecht das Einstehen für eine fremde Verbindlichkeit.
Die Steuerhaftung sichert das Steueraufkommen, wenn der Steuerschuldner (Erstschuldner) seiner Zahlungspflicht nicht bzw. nicht vollständig nachkommen kann. Die Abgabenordnung sieht dafür in den §§ 69 bis 77 AO verschiedene Fremdhaftungstatbestände vor.
Zu den häufigsten Haftungstatbeständen zählen die Haftung des
- Vertreters (§ 69 AO) und
- Betriebsübernehmers (§ 75 AO).
Der Dritte haftet damit für fremde Steuerschulden. Er vom Finanzamt kann mit dem Steuerpflichtigen gemeinsam als Gesamtschuldner in Anspruch genommen werden.
Beispiel 1
Herr Bosch ist Eigentümer von Produktionsmaschinen, die er der Papyrus GmbH für deren Produktion zur Verfügung gestellt hat. Herr Bosch hält 70 % der Anteile an der GmbH, womit er wesentlich am Unternehmen beteiligt ist.
Herr Bosch haftet neben der GmbH für die Steuerschulden der GmbH. Er ist Haftungsschuldner. Sowohl die GmbH als auch Herr Bosch können von dem Finanzamt auf Zahlung in Anspruch genommen werden.
Der Gesamtrechtnachfolger haftet nicht für die Steuerschulden seines Rechtsvorgängers, sondern er wird selbst zum Steuerpflichtigen gem. § 45 AO.
Beispiel 2
Herr Friedrich übernimmt das Einzelunternehmen von Herrn Müller, der zur Zeit der Übernahme Umsatzsteuerschulden in Höhe von 2.000 € hat.
Herr Friedrich haftet nicht für die Steuerschulden von Herrn Müller. Er wird selbst Steuerschuldner gem. § 45 AO und kann vom Finanzamt als Steuerschuldner in Anspruch genommen werden.
2.1. Haftungsart
Bei der Art der Haftung wird zwischen der
- persönlichen und
- Sachhaftung
unterschieden.
2.1.1. Persönliche Haftung
Haftet ein Dritter für die Steuerschulden eines Anderen persönlich, so haftet er unbeschränkt. Der Haftende hat in diesem Fall mit seinem gesamten Vermögen für die Steuerschulden des Anderen einzustehen.
Die Haftung kann allerdings auf eine bestimmte Höhe beschränkt sein oder sich auf bestimmte Gegenstände beziehen. Letzteres ist z.B. gem. § 74 AO[2] der Fall, wenn der Eigentümer eines Gegenstandes dieses dem Unternehmen, an dem er wesentlich beteiligt ist, zur Verfügung gestellt hat und der Gegenstand dem Unternehmen dient. Der Eigentümer des Gegenstandes, der an dem Unternehmen beteiligt ist, haftet dann mit dem Gegenstand für die Steuern des Unternehmens.
Beispiel 1
Frau Blumenthal ist zu 30% an der Transport und Gut GmbH beteiligt. Sie vermietet der Gesellschaft im Jahre 2012 einen in ihrem Eigentum stehenden Transporter. Das Finanzamt fordert sie Anfang 2014 auf, die rückständigen Umsatzsteuern der Transport und Gut GmbH für 2013 zu begleichen. Kurz nach der Aufforderung ist der Transporter von Frau Blumenthal an einem Verkehrsunfall beteiligt, durch den er einen Totalschaden erleidet. Von ihrer Vollkaskoversicherung erhält sie 10.000 € als Ersatz für den beschädigten Transporter.
Die Haftung von Frau Blumenthal für die rückständigen Umsatzsteuerschulden der Transport und Gut GmbH erstreckt sich nur auf den von ihr eingebrachten Transporter und das dafür erhaltene Surrogat. Sie haftet für die rückständigen Umsatzsteuerschulden mit den 10.000 €, die sie als Ersatz für den Transporter von ihrer Versicherung erhalten hat. Mit ihrem weiteren Vermögen haftet Frau Blumenthal gegenüber dem Finanzamt für die rückständigen Umsatzsteuerschulden der Transport und Gut GmbH nicht.
Nach § 11 GrStG[3] haftet der Nießbraucher und derjenige, dem ein dem Nießbrauch ähnliches Recht zusteht, für die Steuern, die auf dem Steuergegenstand (Grundbesitz), auf das sich das Nießbrauchrecht bezieht, lasten.
2.1.2. Sachhaftung
Bei der Sachhaftung wird gem. § 76 AO eine Sache in die Haftung genommen. Sie spielt bei Waren eine Rolle, die Zöllen und Verbrauchssteuern unterliegen, wie z.B. Bier oder Tabak. Die Sachhaftung gem. § 76 AO gibt dem Finanzamt das Recht, sich wegen der - auf den zoll- und verbrauchersteuerpflichtigen Waren ruhenden - Steuern an den Waren zu befriedigen. Die Befriedigung erfolgt entweder durch Verwertung der Waren oder durch Erzwingung der Bezahlung, in dem die Waren zurückbehalten werden. Zur Sicherung dieses Rechts ist das Finanzamt berechtigt, die tatsächliche Verfügungsmacht Dritter über die Waren einzuschränken. Die Sachhaftung entsteht mit der Verbringung der Ware in den Geltungsbereich der Abgabenordnung.
Beispiel 1
Herr Herrmann betreibt im Elsass eine Sektkellerei. Als er die Grenze zu Deutschland passiert, werden Verbrauchersteuern für die eingeführten Sektflaschen fällig, die Herr Herrmann nicht entrichtet.
Gem. § 76 AO bezieht sich die Haftung bei verbrauchssteuerpflichtigen Waren auf die Sache selbst. Die Haftung entsteht mit der Einfuhr der Sektflaschen nach Deutschland. Das Finanzamt kann die Flaschen nach § 76 III AO beschlagnahmen und sich wegen der Steuern durch Verwertung der Sektflaschen befriedigen.
2.2. Haftungsgrund
Neben den Haftungstatbeständen aus der Abgabenordnung, kann sich die Haftung aus
anderen Gesetzen (§ 191 I 1 AO), wie z.B. der Haftung der Gesellschafter gem. §§ 128, 161 HGBeinem Vertrag (§ 192 AO), wie der Bürgschaft (§ 765 BGB) oder einem Schuldversprechen (§ 780 BGB)
ergeben.
[1] Abgabenordnung.
[2] siehe Kapitel 8.
[3] Grundsteuergesetz.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Die Haftung für Steuerschulden“ von Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, spezialisiert auf Steuerrecht, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2015, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-39-7.
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Kontakt: ritterbach@brennecke-rechtsanwaelte.deStand: Januar 2016
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Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht
Rechtsanwältin Carola Ritterbach absolviert derzeit den Fachanwaltskurs Steuerrecht. Sie berät Gesellschafter und Unternehmer bei der steuerlichen Gestaltung von Gesellschaften und Unternehmen. Sie begleitet Betriebsprüfungen und vertritt bei Finanzgerichtsstreitigkeiten mit dem Finanzamt oder vor Finanzgerichten. Rechtsanwältin Ritterbach berät und vertritt bei Steuerselbstanzeigen und Steuerstrafverfahren. Sie erstellt Unternehmensbewertungen und begleitet Unternehmenskäufe bzw. Unternehmensverkäufe aus steuerrechtlicher Sicht.
Sie berät bei der Gestaltung von Erbschaften und Schenkungen zur Vermeidung unnötiger Erbschaftssteuer und entwirft Vermögensübertragungskonzepte.
Sie berät hinsichtlich steuerlicher Auswirkungen von Insolvenzen. Dabei prüft und beantragt sie Steuererlasse zum Zweck der Unternehmenssanierung oder für insolvente Steuerschuldner sowie die nachträgliche Aufteilung
on Steuern im Fall der Zusammenveranlagungen bei Insolvenzen einzelner Ehepartner.
Rechtsanwältin Ritterbach ist Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht und ist seit vielen Jahren im Bereich Bankrecht tätig. Steuerliche Fragen bei Finanzierungsgeschäften treffen daher ihr besonderes Interesse.
Carola Ritterbach hat im Steuerrecht veröffentlicht:
- Bilanzierung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-49-6
- Steuerstrafrecht – Strafbarkeit der Organe in Unternehmen, Monika Dibbelt, Carola Ritterbach und Alexander Mayr, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-48-9
- Die strafbefreiende Selbstanzeige, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-47-2
- Besteuerung Personengesellschaften, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-52-6
- Steuerberaterhaftung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Anika Wegner, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-51-9
- Erbschaftssteuer- und Schenkungssteuerrecht: Das Recht der Erbschafts- und Schenkungssteuer. Möglichkeiten zur Verringerung der Steuerbelastung bei Erbschaften und Schenkungen, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-16-8,
- Die Haftung für Steuerschulden, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-39-7
Weitere Veröffentlichungen von Rechtsanwältin Ritterbach im Steuerrecht sind in Vorbereitung, so
- Änderung von Steuerbescheiden – Wann darf das Finanzamt einen Steuerbescheid aufheben oder korrigieren
Carola Ritternach ist Dozentin für Steuerrecht bei der DMA Deutsche Mittelstandsakademie sowie Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Steuerrecht im Deutschen Anwaltsverein.
Sie bietet Vorträge und Seminare unter anderem zu folgenden Themen an:
- Erbschaftssteuer und Schenkungssteuer vermeiden
- Wahl der Gesellschaftsform unter Steuergesichtspunkten
- Lohnsteuer- und Umsatzsteuerhaftung des Geschäftsführers
- Mindestlohn – Worauf hat der Steuerberater zu achten
- Die Umsatzsteuer – eine kauf- und leasingrechtliche Betrachtung
- Die steuerliche Organschaft – Was wird wo versteuert?
- Die Besteuerung ausländischer Einkünfte – Immobilien, Unternehmensbeteiligungen, Kapitalanlagen oder Geschäftsführergehälter
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