Websiten abmahnsicher gestalten – Teil 34 – Widerrufsfristende beim gesetzlichen Widerrufsrecht, Widerrufserklärung, Wertersatz und Rückgaberecht
Herausgeber / Autor(-en):
Harald Brennecke
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz
Brennecke Rechtsanwälte
Sandra Kuley
Bachelor of Laws (LL.B.)
7.4.1.1.2. Widerrufsfristende
Die Widerrufsfrist erlischt gemäß § 356 IV BGB bei einem Vertrag zur Erbringung von Dienstleistungen auch dann, wenn der Unternehmer die Dienstleistungen vollständig erbracht hat und mit der Ausführung der Dienstleistung erst begonnen hat, nachdem der Verbraucher dazu seine ausdrückliche Zustimmung gegeben hat und gleichzeitig seine Kenntnis davon bestätigt hat, dass er sein Widerrufsrecht bei vollständiger Vertragserfüllung durch den Unternehmer verliert.
Bei Finanzdienstleistungen besteht gemäß § 356 III 3 BGB ein „ewiges Widerrufsrecht“(Fußnote). Hiernach finden die Regelungen des § 356 III 2 BGB keine Anwendung auf Finanzdienstleistungen. Bei allen anderen Verträgen erlischt das Widerrufsrecht bei unterlassener oder fehlerhafter Widerrufsbelehrung spätestens zwölf Monate und 14 Tage nach dem in §§ 356 II oder 355 II 2 BGB genannten Zeitpunkt (nach Vertragsschluss und Warenlieferung).
Das Widerrufsrecht erlischt gemäß § 356 IV 1 BGB bei einem Vertrag zur Erbringung von Dienstleistungen auch dann, wenn der Unternehmer die Dienstleistung vollständig erbracht hat und mit der Ausführung der Dienstleistung erst begonnen hat, nachdem der Verbraucher dazu seine ausdrückliche Zustimmung gegeben hat und gleichzeitig seine Kenntnis davon bestätigt hat, dass er sein Widerrufsrecht bei vollständiger Vertragserfüllung durch den Unternehmer verliert. Ausgenommen hiervon sind Finanzdienstleistungen. Für das Erloschen des Widerrufsrecht bei Verträgen über Finanzdienstleistungen ist es erforderlich, dass der Vertrag auch vom Verbraucher vollständig erfüllt wurde (§ 356 IV 2 BGB).
7.4.1.2 Widerrufserklärung und Rückgewähr
Seit der Einführung der Verbraucherrechterichtlinie ist in § 355 I BGB nicht mehr ausdrücklich geregelt, dass das Widerrufsrecht durch die Rücksendung der Sache ausgeübt werden kann(Fußnote). Aus diesem Grund ist es bisher strittig, ob die Rücksendung allein als wirksame Erklärung des Widerrufs angesehen werden kann oder nicht. In der Praxis wird dies eher abgelehnt.
Erklärt der Verbraucher fristgerecht und wirksam den Widerruf, sind die empfangenen Leistungen gemäß § 355 III 1 BGB unverzüglich zurückzugewähren, spätestens aber nach 14 Tagen gemäß § 357 I BGB.
Die Kosten der Rücksendung der Waren hat der Verbraucher gemäß § 357 VI 1 BGB unverzüglich und unabhängig vom Preis der zurücksendenden Sache zu tragen, wenn der Unternehmer den Verbraucher nach Art. 246 a § 1 II Nr. 2 EGBGB von dieser Pflicht unterrichtet hat. Andernfalls hat der Unternehmer die Kosten der Rücksendung zu tragen, weil er es versäumt hat, den Verbraucher über die Kostentragungspflicht aufzuklären.
Die Kosten für eine Standardlieferung hat im Falle des Widerrufs gemäß § 357 II BGB stets der Unternehmer zu tragen(Fußnote). Eine Ausnahme greift hier nur, wenn dem Unternehmer zusätzliche Kosten entstanden sind, weil der Verbraucher eine andere Art der Lieferung als die vom Unternehmer vorgeschlagene günstige Standardlieferung wählt (§ 357 II 2 BGB).
7.4.1.3. Wertersatz für Nutzungen
Gemäß § 357 VIII BGB steht dem Unternehmer bei Verträgen über die Erbringung von Dienstleistungen oder über die Lieferung von Wasser, Gas oder Strom […] und von Fernwärme ein Wertersatz für die bis zum Widerruf erbrachten Leistungen, wenn der Verbraucher von dem Unternehmer ausdrücklich verlangt, dass dieser mit der Leistung vor Ablauf der Widerrufsfrist beginnt. Voraussetzung hierfür ist, dass der Unternehmer den Verbraucher dahingehend gemäß Art. 246 a § 1 II 1 Nr.1 EGBGB informiert hat(Fußnote).
Widerruft der Verbraucher einen Vertrag über die Lieferung von nicht auf einem körperlichen Datenträger befindlichen digitalen Inhalten, so hat er gemäß § 357 IX BGB keinen Werteersatz zu leisten.
Bei Verschlechterung der Ware hat der Verbraucher gemäß § 357 VII BGB Werteersatz für einen Wertverlust der Ware zu leisten. Dies gilt in Fällen, wenn der Wertverlust auf einen Umgang mit den Waren zurückzuführen ist, der zur Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und der Funktionsweise der Waren nicht notwendig war (§ 357 VII Nr. 1 BGB) und der Unternehmer den Verbraucher nach Art. 246 a § 1 II 1 Nr. 1 EGBGB über sein Widerrufsrecht unterrichtet hat (§ 357 VII Nr. 2 BGB). Dies gilt nur bei entsprechender Belehrung des Verbrauchers gemäß Art. 246 a § 1 II 1 Nr. 1 BGB.
7.4.1.4. Ausnahmeregelungen zum Widerrufsrecht
Das Widerrufsrecht ist gemäß § 312 g II BGB ausgeschlossen, soweit die Parteien nichts anderes vereinbart haben, bei Verträgen:
1. Verträgen zur Lieferung von Waren, die nicht vorgefertigt sind und für deren Herstellung eine individuelle Auswahl oder Bestimmung durch den Verbraucher maßgeblich ist oder die eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse des Verbrauchers zugeschnitten sind (Sonderanfertigungen),
2. Verträge zur Lieferung von Waren, die schnell verderben können oder deren Verfallsdatum schnell überschritten würde (leicht verderbliche Ware)
3. Verträge zur Lieferung versiegelter Waren, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind, wenn ihre Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde,
4. Verträge zur Lieferung von Waren, wenn diese nach der Lieferung auf Grund ihrer Beschaffenheit untrennbar mit anderen Gütern vermischt wurden,
5. Verträge zur Lieferung alkoholischer Getränke, deren Preis bei Vertragsschluss vereinbart wurde, die aber frühestens 30 Tage nach Vertragsschluss geliefert werden können und deren aktueller Wert von Schwankungen auf dem Markt abhängt, auf die der Unternehmer keinen Einfluss hat,
6. Verträge zur Lieferung von Ton- oder Videoaufnahmen oder Computersoftware in einer versiegelten Packung, wenn die Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde,
7. Verträge zur Lieferung von Zeitungen, Zeitschriften oder Illustrierten mit Ausnahme von Abonnement-Verträgen,
Beispiel:
Diese Ausnahme gilt auch, wenn eine Lieferung von Zeitungen, Zeitschriften oder Illustrierten telefonisch bestellt wurde(Fußnote).
8. Verträge zur Lieferung von Waren oder zur Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich Finanzdienstleistungen, deren Preis von Schwankungen auf dem Finanzmarkt abhängt, auf die der Unternehmer keinen Einfluss hat und die innerhalb der Widerrufsfrist auftreten können, insbesondere Dienstleistungen im Zusammenhang mit Aktien, mit Anteilen an offenen Investmentvermögen im Sinne von § 1 IV KAGB und mit anderen handelbaren Wertpapieren, Devisen, Derivaten oder Geldmarktinstrumenten,
9. vorbehaltlich des § 312 g I 2 BGB Verträge zur Erbringung von Dienstleistungen in den Bereichen Beherbergung zu anderen Zwecken als zu Wohnzwecken, Beförderung von Waren, Kraftfahrzeugvermietung, Lieferung von Speisen und Getränken sowie zur Erbringung weiterer Dienstleistungen im Zusammenhang mit Freizeitbetätigungen, wenn der Vertrag für die Erbringung einen spezifischen Termin oder Zeitraum vorsieht,
10. Verträge, die im Rahmen einer Vermarktungsform geschlossen werden, bei der der Unternehmer Verbrauchern, die persönlich anwesend sind oder denen diese Möglichkeit gewährt wird, Waren oder Dienstleistungen anbietet, und zwar in einem vom Versteigerer durchgeführten, auf konkurrierenden Geboten basierenden transparenten Verfahren, bei dem der Bieter, der den Zuschlag erhalten hat, zum Erwerb der Waren oder Dienstleistungen verpflichtet ist (öffentlich zugängliche Versteigerung),
Beispiel:
Mit Einführung des § 312 g II 1 Nr. 10 BGB durch die Verbraucherrechterichtlinie dürfte künftig für alle Online-Versteigerungen ein Widerrufsrecht des Verbrauchers bestehen(Fußnote).
11. Verträge, bei denen der Verbraucher den Unternehmer ausdrücklich aufgefordert hat, ihn aufzusuchen, um dringende Reparatur- oder Instandhaltungsarbeiten vorzunehmen; dies gilt nicht hinsichtlich weiterer bei dem Besuch erbrachter Dienstleistungen, die der Verbraucher nicht ausdrücklich verlangt hat, oder hinsichtlich solcher bei dem Besuch gelieferter Waren, die bei der Instandhaltung oder Reparatur nicht unbedingt als Ersatzteile benötigt werden,
12. Verträge zur Erbringung von Wett- und Lotteriedienstleistungen, es sei denn, dass der Verbraucher seine Vertragserklärung telefonisch abgegeben hat oder der Vertrag außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen wurde, und
13. notariell beurkundete Verträge; dies gilt für Fernabsatzverträge über Finanzdienstleistungen nur, wenn der Notar bestätigt, dass die Rechte des Verbrauchers aus § 312d Absatz 2 gewahrt sind.
Das Widerrufsrecht erlischt bei einem Vertrag über die Lieferung von nicht auf einem körperlichen Datenträger befindlichen digitalen Inhalten (z. B. Downloads) auch dann, wenn der Unternehmer mit der Ausführung des Vertrags begonnen hat, nachdem der Verbraucher ausdrücklich zugestimmt hat, dass der Unternehmer mit der Ausführung des Vertrags vor Ablauf der Widerrufsfrist beginnt (§ 356 IV Nr. 1 BGB) und seine Kenntnis davon bestätigt, dass er durch seine Zustimmung mit Beginn der Ausführung des Vertrags sein Widerrufsrecht verliert (§ 356 IV Nr. 2 BGB).
7.4.2. Vertragliches Widerrufsrecht
Der Beginn der Widerrufsfrist richtet sich nach § 355 II BGB und beginnt mit Vertragsschluss. Vertraglich kann allerdings abweichend von der gesetzlichen Regelung etwas anderes bestimmt werden.
Abweichend von der gesetzlichen Regelung des § 355 I 2, 3 BGB, wonach der Verbraucher den Widerruf gegenüber dem Unternehmer fristgerecht erklären muss, können Unternehmer und Verbraucher vertraglich vereinbaren, dass die Rücksendung der Ware ausreichend für eine wirksame Widerrufserklärung ist.
Beispiel:
Die 14-tägige Frist allerdings ist zwingend einzuhalten und nicht vertraglich abänderbar.
Ferner kann vertraglich geregelt werden, dass der Unternehmer die Rücksendekosten, ungeachtet von § 357 VI 1 BGB i. V. m. Art. 246 a II 2 Nr. 2 EGBGB selbst trägt.
Sowohl die Verbraucherrechterichtlinie als auch die umgesetzten Vorschriften im BGB schließen vertragliche Vereinbarungen, die zugunsten des Verbrauchers über die gesetzlichen Regelungen hinausgehen, schließlich nicht aus.
7.4.3. Rückgaberecht
Seit der Einführung der Verbraucherrechterichtlinie sieht der Gesetzgeber ein Rückgaberecht als Alternative zum Widerrufsrecht nicht vor(Fußnote).
7.5. Vertragsschluss mittels Button-Lösung
Seit August 2012 muss die Beschriftung des Bestell-Buttons angepasst werden. Mittels des Buttons gibt der Verbraucher seine Vertragserklärung ab. Zulässig sind Beschriftungen wie „kostenpflichtig bestellen“, „zahlungspflichtig Vertrag schließen“ und „kaufen“(Fußnote). Nicht zulässig sind hingegen „Anmeldung“, „Weiter“, „Bestellen“ oder „Bestellung abgeben“.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Websiten abmahnsicher gestalten“ von Harald Brennecke, Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz, und Sandra Kuley, Bachelor of Laws (LL.B.), mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2015, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-42-7.
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Bachelor of Laws (LL.B.)
Stand: Januar 2016
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Rechtsanwalt Harald Brennecke ist im Datenschutzstrafrecht als Strafverteidiger tätig.
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- „17 UWG – Betriebsgeheimnisse und Verrat durch (ehemalige) Mitarbeiter“, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-38-0
- "Einführung in das Datenschutzrecht", Kapitel im E-Business Handbuch für Entscheider, 2. Aufl., ISBN 3.540-43263-9, 2002, Springer-Verlag
Folgende Veröffentlichung von Rechtsanwalt Brennecke ist in Vorbereitung:
- Einführung in das Datenschutzstrafrecht
Rechtsanwalt Brennecke war an der IHK Karlsruhe als Dozent für Datenschutzrecht tätig. Er ist Dozent für Datenschutzrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.
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