Die strafbefreiende Selbstanzeige – Teil 01 – Überblick der strafbefreienden Selbstanzeige nach §§ 371, 378 Abs. 3 AO und der Berichtigung nach § 153 AO
Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
Monika Dibbelt
Rechtsanwältin
Jens Bierstedt
LL.B., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter
1 Einführung
Nicht nur dank prominenter Beispiele ist mittlerweile deutlich geworden, dass Steuerhinterziehung kein Kavaliersdelikt mehr ist. Dem Staat eröffnen sich nach und nach immer weitere Möglichkeiten, Steuerstraftätern auf die Spur zu kommen, welche er konsequent nutzt und Steuerstraftäter verfolgt. Eine weitere Maßnahme zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung ist z.B. das Gesetz zum automatischen Austausch von Informationen über Finanzkonten in Steuersachen. Dieser automatische Austausch erleichtert den Finanzämtern, Informationen über das Einkommen von Steuerpflichtigen zu erhalten, das sich auf ausländischen Konten befindet.
Der Steuerstraftäter, der z.B. Einkünfte auf einem ausländischen Konto bisher nicht versteuert hat, hat die Möglichkeit, durch die Selbstanzeige eine Bestrafung für die Steuerstraftat zu verhindern. Seit Jahresbeginn 2015 ist es für den Steuerstraftäter allerdings schwieriger und teurer geworden, über eine Selbstanzeige Straffreiheit zu erlangen, da die Anforderungen an die Selbstanzeige gestiegen sind. Nachfolgend wollen die Autoren dieses Skriptes auf die Gefahren hinweisen, die bei der Selbstanzeige zu beachten sind.
2 Überblick der strafbefreienden Selbstanzeige nach §§ 371, 378 Abs. 3 AO und der Berichtigung nach § 153 AO
Der Gesetzgeber hat die Berichtigungstatbestände wie folgt geregelt:
Bei einer Steuerhinterziehung nach § 370 AO ist
- die strafbefreiende Selbstanzeige nach § 371 Abs. 1-3 AO möglich
Bei einer leichten Steuerverkürzung nach § 378 Abs. 1 AO ist
- die strafbefreiende Selbstanzeige nach § 378 Abs. 3 AO
- eine Fremd- bzw. Drittanzeige nach § 371 Abs. 4 AO und
- eine Berichtigungserklärung nach § 153 AO möglich.
2.1 strafbefreiende Selbstanzeige nach § 371 Abs. 1-3 AO
Die strafbefreiende Selbstanzeige nach § 371 Abs. 1-3 AO soll dem Täter oder Teilnehmer ermöglichen, bei einer vollendeten oder versuchten Steuerhinterziehung in den Fällen des § 370 AO Straffreiheit zu erlangen.
Dabei hängt die Straffreiheit durch eine strafbefreiende Selbstanzeige
- im Fall der vollendeten oder versuchten Steuerhinterziehung von der nachträglichen Berichtigung bzw. Ergänzung der unrichtigen oder unvollständigen Angaben bzw. von der Nachholung unterlassener Angaben (§ 371 Abs. 1 S. 1 AO) und
- im Fall der vollendeten Steuerhinterziehung von der fristgemäßen Nachentrichtung der hinterzogenen Steuer sowie der Hinterziehungszinsen nach § 235 AO und der Zinsen nach § 233a AO, soweit sie auf die Hinterziehungszinsen nach § 235 Abs. 4 AO angerechnet werden
ab (§ 371 Abs. 3 AO).
Überdies müssen die Angaben zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart, mindestens aber zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart innerhalb der letzten zehn Kalenderjahre erfolgen (§ 371 Abs. 1 S. 2 AO).
Die Straffreiheit ist allerdings nach § 371 Abs. 2 AO ausgeschlossen, wenn vor der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung
- dem Tatbeteiligten oder seinem Vertreter sowie dem Begünstigten im Sinne von § 370 Abs. 1 AO oder seinem Vertreter eine Prüfungsanordnung nach § 196 AO bekannt gegeben worden ist, beschränkt auf den sachlichen oder zeitlichen Umfang der angekündigten Außenprüfung
- dem Tatbeteiligten oder seinem Vertreter die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens bekannt gegeben worden ist
- bei dem Erstatter der Anzeige ein Amtsträger der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung erschienen ist, beschränkt auf den sachlichen oder zeitlichen Umfang der Außenprüfung
- ein Amtsträger zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit erschienen ist
- ein Amtsträger der Finanzbehörde zu einer Umsatzsteuer-Nachschau nach § 27b UStG, einer Lohnsteuer-Nachschau nach § 42g EStG oder einer Nachschau nach anderen steuerrechtlichen Vorschriften erschienen ist und sich ausgewiesen hat
- die Tat bereits entdeckt ist und der Erstatter der Anzeige dies wusste oder damit rechnen musste
- die nach § 370 Abs. 1 AO verkürzte Steuer oder der für sich oder einen anderen erlangte nicht gerechtfertigte Steuervorteil einen Betrag von 25 000 Euro je Tat übersteigt oder
- ein besonders schwerer Fall nach § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 bis 5 AO vorliegt.
Straffreiheit tritt, soweit die Steuerhinterziehung durch Verletzung der Pflicht zur rechtzeitigen Abgabe einer vollständigen und richtigen Umsatzsteuervoranmeldung oder Lohnsteueranmeldung begangen worden ist, in dem Umfang ein, in dem der Täter gegenüber der zuständigen Finanzbehörde die
- unrichtigen Angaben berichtigt
- die unvollständigen Angaben ergänzt oder
- unterlassenen Angaben nachholt (§ 371 Abs. 2a AO).
In den Fällen des § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 oder 4 AO, d.h. wenn die verkürzte Steuer oder der Steuervorteil 25 000 Euro nicht übersteigt oder ein besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. S. 2 Nr. 2-5 AO vorliegt, wird von der Verfolgung einer Steuerstraftat gem. § 398a AO abgesehen, wenn der Tatbeteiligte innerhalb einer ihm bestimmten angemessenen Frist
- die aus der Tat zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern
- die Hinterziehungszinsen nach § 235 AO
- die Zinsen nach § 233a AO, soweit sie auf die Hinterziehungszinsen nach § 235 Abs. 4 AO angerechnet werden, entrichtet und
- einen Geldbetrag in Höhe von zehn, fünfzehn oder zwanzig v.H. der hinterzogenen Steuern zu Gunsten des Fiskus zahlt.
2.2 strafbefreiende Fremdanzeige nach § 371 Abs. 4 AO
§ 371 Abs. 4 AO normiert die strafbefreiende Wirkung einer Anzeige nach § 153 AO zugunsten Dritter, die ihre Pflicht zur Erklärung verletzt haben. Wird die in § 153 AO vorgesehene Anzeige rechtzeitig und ordnungsgemäß erstattet, so wird ein Dritter, der die in § 153 AO bezeichneten Erklärungen abzugeben unterlassen oder unrichtig oder unvollständig abgegeben hat, strafrechtlich nicht verfolgt.
2.3 bußgeldbefreiende Selbstanzeige nach § 378 Abs. 3 AO
Für eine leichtfertige Steuerverkürzung ist gemäß § 378 Abs. 3 AO die Möglichkeit einer bußgeldbefreienden Selbstanzeige vorgesehen, mit dem der Täter oder sein Vertreter die Verhängung einer Geldbuße abwenden kann, sofern er vor der Bekanntgabe der Einleitung eines Straf- oder Bußgelderfahrens
- eine Berichtigungserklärung abgibt und
- die verkürzten Steuern fristgerecht nachbezahlt.
2.4 Nacherklärung nach § 153 AO
Von der strafbefreienden Selbstanzeige ist die Nacherklärung nach § 153 AO zu unterscheiden. Während § 371 AO eine vorsätzliche Steuerverkürzung voraussetzt, trifft die Nacherklärungspflicht denjenigen, der nachträglich - vor Ablauf der Festsetzungsfrist - feststellt, dass frühere Erklärungen unbewusst falsch waren. Daher ergänzt § 153 Abs. 1 AO die §§ 149, 150 AO, wonach die Verpflichtung besteht, Angaben in der Steuererklärung wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu machen.
§ 153 AO normiert in seinen drei Absätzen drei unterschiedliche Erklärungspflichten:
- § 153 Abs. 1 AO verpflichtet den Steuerpflichtigen, die Gesamtrechtsnachfolger (Erben) des Steuerpflichtigen, den gesetzlichen Vertretern natürlicher und juristischer Personen (z.B. oHG, GmbH) sowie die Vertreter von nichtrechtsfähigen Personenvereinigungen (z.B. Gesellschaft bürgerlichen Rechts) bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist (§ 169 AO) zur Anzeige und Berichtigung von Erklärungsfehlern, wenn sie nach Abgabe der Steuererklärung die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit erkennen
- § 153 Abs. 2 AO regelt die Anzeigepflicht für die Fälle, in denen nachträglich Tatsachenveränderungen bei Steuerbefreiungen, Steuerermäßigungen oder sonstigen Steuervergünstigungen eintreten
- § 153 Abs. 3 AO betrifft den Spezialfall der zweckwidrigen Verwendung von Waren, für die eine Verbrauchsteuervergünstigung gewährt worden ist.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Die strafbefreiende Selbstanzeige“ von Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, spezialisiert auf Steuerrecht, Monika Dibbelt, Rechtsanwältin, und Jens Bierstedt LL.M., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2016, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-47-2.

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Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
Monika Dibbelt
Rechtsanwältin
Jens Bierstedt
LL.B., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter
Stand: Januar 2016