Die internationale Entsendung von Mitarbeitern – Teil 01 – Der Begriff der Arbeitnehmerentsendung
Einführung
Anlässlich der andauernden Globalisierung wächst auch die Bedeutung von länderübergreifenden Tätigkeiten der Unternehmen. Wenn Unternehmen im Begriff sind, ausländische Absatzmärkte zu erschließen oder ausländische Fertigungsstätten zu errichten, eine Repräsentanz, eine Zweigniederlassung oder eine Tochtergesellschaft im Ausland gründen wollen, werden sie an der Entsendung von Mitarbeitern aus dem Stammhaus denken und daran auch nicht vorbeikommen. In der EU gibt es schätzungsweise 1,2 Millionen entsandte Arbeitskräfte. Am häufigsten genutzt wird die Möglichkeit der Entsendung im Baugewerbe (25 %), vor allem von kleinen und mittleren Unternehmen; weitere bedeutende Branchen sind: der Dienstleistungs- und Finanzsektor oder die gewerbliche Wirtschaft.
Die Entsendung eines Mitarbeiters ins Ausland ist eine komplexe Entscheidung, mit persönlichen, wirtschaftlichen und rechtlichen sowie unternehmerischen Aspekten. Wesentliche Merkmale einer Auslandsentsendung ist die maßgebliche Verweildauer des Entsandten im Ausland, die von großer Bedeutung für die Vertragsgestaltung und den Vorbereitungsaufwand ist, der auch die erforderlichen Personalentscheidungen umfasst.
Aufgrund gesetzlicher Anforderungen gemäß § 2 Abs. 1 NachwG, der Komplexität und den rechtlichen Anforderungen einer Entsendung bedarf es einer ausdrücklichen, schriftlichen Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer.
In diesem Buch werden die für die eine Arbeitnehmerentsendung relevanten Themenbereiche aus Sicht des Unternehmens dargestellt. Betrachtet werden dabei sich ergebende arbeitsvertraglich Änderungen bzw. Anpassungen, sowie Regelungen zu steuer- und sozialrechtlichen Vorkehrungen für den Arbeitgeber und auch Arbeitnehmer. Dabei sind sowohl Hilfestellungen für Vertragsformulierungen als auch Vorschläge für Musterverträge enthalten. Die angeführten Beispiele basieren zumeist auf realen Sachverhalten, die von Gerichten entschieden worden sind. Der Erläuterung der Fachbegriffe ist das Kapitel „Glossar“ gewidmet.
1. Kapitel
Begriff Arbeitnehmerentsendung
Der Begriff Entsendung hat seinen Ursprung im deutschen Sozialversicherungsrecht. Verkürzt dargestellt bedeutet er alle grenzüberschreitenden befristeten Personaleinsätze. Anders formuliert liegt eine Entsendung im generellen Sinne vor, wenn diese:
- an eine weisungsgebundene Aufnahme einer Tätigkeit geknüpft ist,
- die für einen in inländischen Arbeitgeber,
- im Rahmen seines inländischen Beschäftigungsverhältnisses,
- in einem anderen Land als Deutschland erbracht wird
- und zeitlich befristet ist.[1]
Je nach Dauer des Auslandseinsatzes und der vertraglichen Konstruktion, lassen sich weitere Begriffe der Entsendung differenzieren, die vermeintlich alle dieselbe Bedeutung haben. Im Folgenden werden diese Begriffe kurz skizziert.
1.1. Die Unterschiede der Entsendebegriffe
Die verschiedenen Arten der Entsendung werden als Abordnung, Delegation und Versetzung bezeichnet. Diese Differenzierung der Begriffe ergibt sich im Wesentlichen durch die Abgrenzung verschiedener Befristungszeiträume.
1.1.1. Abordnung
Die Abordnung ist eine kurzfristige Auslandsentsendung von drei bis zwölf Monaten. Wegen der kurzfristigen Auslandstätigkeit werden hier häufig zusätzliche Vergütungsbestandteile in einen Abordnungsvertrag aufgenommen. Der Lebensmittelpunkt bleibt weiterhin das Inland.
1.1.2. Delegation (befristete Versetzung)
Von einer Delegation oder einer befristeten Versetzung spricht man dann, wenn der Mitarbeiter einen Zeitraum ab zwölf Monaten bis zu drei Jahren im Ausland verbringen wird. In diesem Fall verlagert sich sein Lebensmittelpunkt in den Tätigkeitsstaat. Daraus resultieren weitere notwendige Regelungen, die in einem gesonderten Vertrag erfasst werden können.
1.1.3. Dienstreise
Die Dienstreise ist genau genommen keine Entsendung. Der ursprüngliche Anstellungsvertrag mit dem Mitarbeiter besteht unverändert fort. Er hat nach wie vor seinen Lebensmittelpunkt im Inland, auch wenn die Arbeitsleistung zeitweise an einem anderen als den üblichen Leistungsort erbracht wird. Dieser Begriff ist rein steuerrechtlicher Natur. Eine Dienstreise liegt maximal bei einer Tätigkeit im Ausland bis zu einem Zeitraum von drei Monaten vor.
1.1.4. Übertritt (unbefristete Versetzung)
Der Übertritt stellt einen sogenannten Transfer dar, d.h. in Form einer unbefristeten Versetzung in das ausländische (Ziel-)Unternehmen. Der Mitarbeiter wird entweder in einem Entsendungszeitraum von fünf oder mehr Jahren oder von Beginn an dauerhaft entsendet.[2] Hier erhält der Mitarbeiter am Einsatzort einen neuen Arbeitsvertrag mit der Auslandsgesellschaft. Der Heimatarbeitsvertrag wird aufgelöst oder ruht zumindest für die Dauer der Beschäftigung bei dem ausländischen Unternehmen.
Entsendung |
Abordnung/ Delegation |
Dienstreise |
Übertritt / Versetzung |
|
Ziel des Einsatzes |
Transfer zu ausländischen Tochtergesellschaften, Förderung internationaler Kommunikation |
Bearbeitung eines zeitl. Befristeten Projektes im Ausland(Montage, Marktstudie,..) |
Begrenzter, zeitl. Einsatz für fest umrissenen Zweck, unter Beibehaltung d. aktiven Stammarbeitsplatzes |
Langfristige Übernahme einer Führungsaufgabe im ausländischen Unternehmen bei rechtl. Und tatsächlicher Integration in Auslandsgesellschaft |
Dauer des Einsatzes |
4 Monate bis 3 Jahre |
4 Wochen bis 1 Jahr |
1 Tag bis 3 Monate |
2 bis 5 Jahre mit Verlängerungsoption (unbefristeter Einsatz = Übertritt) |
Vertragliches Konstrukt |
Ruhender Arbeitsvertrag, Entsendungsvertrag regelt Auslandseinsatz, Arbeitgeber ist Heimat |
Arbeitsvertrag besteht fort, Zusatzvertrag über Auslandseinsatz mit Heimatgesellschaft |
Kein weiterer Vertrag |
Heimatvertrag wird aufgehoben oder ruhend gestellt. Lokaler Anstellungsvertrag mit Auslandsgesellschaft. Ggfs. Nebenabrede über Rückkehr. |
Tabelle: Begriffsabgrenzung Entsendetypen
(In Anlehnung an Maurer, R., 2003: „Personaleinsatz im Ausland“, S. 3f.)
Beispiel 1:
Das deutsche Unternehmen U entsendet den Ingenieur Otto nach Kenia, um dort bei einer Staudammerrichtung die Leitung zu übernehmen.
- Hierbei handelt es sich um eine befristete Entsendung, da die Beschäftigung in Kenia durch die Aufgabe von Otto befristet ist. Der Umstand, dass die genaue Baubeendigung, mithin die Dauer des Aufenthalts in Kenia noch nicht bekannt ist, ist in diesem Fall unerheblich.
Beispiel 2:
Das deutsche Unternehmen K entsendet den Elektriker Bruno nach Mexico. Der Vertrag wird für eine zweijährige Befristung in Mexico ausgefertigt.
- Es handelt sich hier um eine befristete Entsendung, da der Arbeitsvertag zwischen K und Bruno von vornherein vertraglich befristet ist.
Allgemein liegt dann eine Entsendung vor, wenn alternativ:
- der Arbeitnehmer schon im Inland für das Unternehmen gearbeitet hat und ins Ausland geschickt wird, um dort weiterhin für das Unternehmen gegen Entgelt als Arbeitnehmer tätig zu sein.
- der Arbeitnehmer vorher bei einem anderen Arbeitgeber im Inland beschäftigt war und im Inland extra vom neuen Arbeitgeber für die Entsendung ins Ausland eingestellt wird.
- der inländische Arbeitnehmer noch gar nicht als Arbeitnehmer beschäftigt war und extra für die Beschäftigung im Ausland eingestellt wird.
Es liegt keine Entsendung vor, wenn:
- der Arbeitnehmer schon vor Jahren ins Ausland ausgewandert ist und seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hat. Er wird im Ausland vom deutschen Unternehmen eingestellt.
- der Arbeitnehmer im Ausland bereits für einen anderen ausländischen Arbeitgeber tätig war und dort seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Das deutsche Unternehmen stellt den Arbeitnehmer extra für eine Tätigkeit in einem anderen Land ein.
1.1.5. Abgrenzung zur Arbeitnehmerüberlassung
Von der Entsendung abzugrenzen ist die Überlassung eines Leiharbeitnehmers an einen ausländischen Entleiher. Entscheidend für die Frage, ob eine Entsendung oder eine Überlassung vorliegt, ist die Ausübung des allgemeinen arbeitsvertraglichen Weisungsrechts. Dieses obliegt im Falle der Arbeitnehmerüberlassung, anders als bei der Entsendung, nicht dem Unternehmen, für das die Arbeitsleistung erbracht wird, sondern regelmäßig dem Entleiher als originärem Arbeitgeber.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Die internationale Entsendung von Mitarbeitern“ von Tilo Schindele, auf Arbeitsrecht spezialisierter Rechtsanwalt, und Babett Stoye, LL.B., mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2016, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-57-1.
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Kontakt: tilo.schindele@brennecke-rechtsanwaelte.deStand: Januar 2016