Sportrecht – Eine Einführung für Sportler und Vereine – Teil 03 – Schutz der Berufsausübungsfreiheit, der gemeinschaftlichen Sportausübung und der Autonomie des Sports im Grundgesetz
1.1.2.2. Schutz der Berufsausübungsfreiheit der Sportler durch Art.12 Abs.1 GG
Artikel 12 Abs.1 GG schützt die sogenannte Berufsfreiheit. Geschützt sind die Berufswahl und der Berufsausübung. Als Beruf wird jede auf Dauer angelegte Tätigkeit zur Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage bezeichnet.[1]
Es wird prinzipiell zwischen Profisportlern (Spitzen- und Berufssportler), Amateursportlern (Breitensportler) und Vertragsamateuren unterschieden. Ob die einzelnen Sportler und deren sportliche Tätigkeit in den Schutzbereich des Art. 12 Abs.1 GG fallen, soll nachfolgend erörtert werden:
1.1.2.2.1. Exkurs zum: Profisportler
Der Sport hat sich in den vergangenen Jahren enorm professionalisiert.
Mit der Entwicklung sportlicher Tätigkeiten als Beruf, um die erforderliche Lebensgrundlage aufrecht zu erhalten, hat das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs.1GG) für den Sport besonders an Bedeutung hinzugewonnen.
Spitzensportler bzw. Profis erzielen mit ihrer sportlichen Tätigkeit mittlerweile erhebliche Einnahmen (Bsp. Fußballprofi mit ca. 1-10 Mio. € p.a.). Neben ihrem fixen Jahresgehalt, welches die Sportler durch die jeweiligen Vereine, bei denen sie unter Vertrag stehen, erhalten, kommen die nicht zu missachtenden Werbeverträge und Sponsoringverträge mit entsprechenden zusätzlichen Einnahmen hinzu, welche ebenfalls eine erheblich Summe der Lebensgrundlage bei den Sportlern ausmachen.
Aufgrund dieser nicht niedrigen Entlohnung, wird der Profisport unweigerlich als Beruf im Sinne des Art. 12 Abs. 1 GG gezählt, was dazu führt, dass sich ein Spitzen- bzw. Berufssportler ohne Zweifel auf Art. 12 Abs.1 GG berufen kann.
Obwohl Grundrechte grundsätzlich Abwehrrechte des Individuums gegen den Staat darstellen, dienen sie hier ebenfalls als Schutzschild der Sportler gegenüber den einzelnen Verbänden.
Dies ergibt sich daraus, dass der Staat für die Erzeugung von Sportrecht zwar die Sportverbände verantwortlich und eigenständig sein lässt, hierbei diese aber keinesfalls von der Achtung der freiheitlichen Grundprinzipien oder von der Verpflichtung die allgemeinen Gesetze und Regeln entsprechend der grundgesetzlichen Prinzipien auszuüben, entbindet. [2]
Da nach dem Berufsbegriff auch die Berufsausbildung in den Schutzbereich des Art. 12 Abs.1 GG fällt, werden angehende Leistungssportler, wie etwa Jugendspieler, die bereits durch einen Lizenzvertrag an den jeweiligen Verein gebunden sind, ebenfalls von dem Grundrecht aus Art. 12 Abs.1 GG erfasst.[3]
1.1.2.2.2. Amateursportler bzw. Vertragsamateur
Der Unterschied zwischen Amateursportler und Vertragsamateuren ist, wie der Name bereits vermuten lässt, dass der Vertragsamateur vertraglich an einen bestimmten Verein oder Verband gebunden sein muss, wohingegen der Amateursportler grundsätzlich „nur“ Mitglied eines Vereins/Verbands darstellt.
In diesem Leitfaden können diese beiden Begriffe für den weiteren Verlauf so abgegrenzt werden, dass bei einem Breiten- bzw. Hobbysportler (z.B. Wochenend-Tennisspieler) von einem Amateursportler die Rede ist, wohingegen bei einem Sportler, der für seine Tätigkeit (z.B. Fußball, Leichtathletik, etc.) eine entsprechende – vertraglich festgehaltene – Vergütung erhält, von einem Vertragsamateur gesprochen wird.
Bei dem Amateursportler ist die Anwendung bzw. die Eröffnung des Schutzbereichs des Art. 12 Abs.1 GG unweigerlich aufgrund der mangelnden Einnahmeerzielung daher zu verneinen.
Anders sieht es bei dem sogenannten Vertragsamateur aus, welcher immer dann unter den Berufsbegriff i.S.d. Art. 12 Abs. 1 GG fällt, wenn und soweit er durch seine Sportausübung Geldbeträge oder Sachleistungen in nicht unerheblichem Umfang erhält.[4]
Zu beachten ist allerdings, dass kleinere Zuwendungen (z.B. Handgeld bei einem Vereinswechsel), für die Berufsqualifizierung nicht ausreichen.
Ein für den Sportler zur freien Benutzung zur Verfügung gestelltes Kfz, durch den Verein, wird allerdings als Berufsqualifizierung i.S.d. Grundrechts aus Art. 12 Abs.1 GG anerkannt, wenn diese Gewährung über einen längeren Zeitraum erfolgt ist (in der Regel 1 Jahr).[5]
1.1.3. Schutz der gemeinschaftlichen Sportausübung und der Autonomie des Sports im Grundgesetz
Auch die gemeinschaftliche Sportausübung wird im Grundgesetz geschützt. Zudem wird nicht nur die Ausübung, sondern ebenso die Autonomie durch das Grundgesetz gewahrt.
1.1.3.1. Schutz der gemeinschaftlichen Sportausübung im Grundgesetz
Der Schutz der gemeinschaftlichen Sportausübung eines Einzelnen in Vereinen und Verbänden ist ebenso wie der individuelle Schutz der Sportausübung nicht ausdrücklich im Gesetz geregelt, ergibt sich allerdings aus Art. 9 Abs.1 des GG.
Demnach gewährt Art. 9 Abs.1 GG zum einen, jedem Deutschen[6] die positive und negative Vereinigungsfreiheit. Dem Individuum steht also das Recht zu, sich in den Vereinen und Verbänden sportlich zu betätigen – gleichzeitig jedoch auch sich von diesen fernzuhalten. Zum anderen schützt Art. 9 Abs.1 GG auch die Betätigungsfreiheit für Vereine und Verbände selbst, gewährleistet demnach eine allgemeine Vereinigungsfreiheit und Koalitionsfreiheit, sowie die Freiheit zur Bildung eigener sportbezogener Wertvorstellungen, Maßstäbe und Rechtssätze.
Man spricht bei Art. 9 Abs.1 GG daher oft auch vom sogenannten „Doppelgrundrecht“.[7]
1.1.3.2. Schutz der Vereins- bzw. Verbandsautonomie im Grundgesetz
Bestrafungen wegen Dopingvergehen oder Spielersperren im Sport erfolgen nicht durch allgemein staatlich anerkanntes Recht, sondern ergeben sich vielmehr aus dem verbandstechnisch festgelegten Regelwerk. Man spricht oft auch von der sogenannten Vereins- bzw. Verbandsautonomie.
Eine solche Vereins- bzw. Verbandsautonomie ist das Eigen- bzw. Selbstgesetzgebungsrecht sowie das eigene Verwaltungsrecht eines Vereins bzw. Verbands. Schlussfolgernd wird beispielsweise ein Dopingvergehen durch den Sportler nicht nach dem Tatbestand des Betrugs i.S.v. § 263 StGB bestraft, obwohl dies nach allgemeinem Empfinden angebracht wäre, sondern erfolgt grundsätzlich ausschließlich durch verbandsrechtliche Regeln und Bestrafungsmaßstäbe. Ausnahmen sind situationsbedingt möglich. Dieser Zustand wird auch als sogenanntes Subsidiaritätsprinzip des Staates hinsichtlich sportrechtlicher Angelegenheiten bezeichnet.
Subsidiäres Handeln des Staates bedeutet in diesem Zusammenhang, ein erst nachrangiges Einschreiten der staatlichen Verwaltung. Es herrscht demzufolge solange Eigenständigkeit der Verbände und Vereine hinsichtlich der rechtlichen und organisatorischen Handhabung, bis sportrelevante Probleme mit vereins- oder verbandsinternen Mitteln nicht mehr zu lösen scheinen – erst dann soll eine sogenannte staatliche Sportförderung bzw. Hilfeleistung eintreten.[8]
Die durch Art. 9 Abs.1 GG gewährte Autonomie der Sportvereine und Verbände eröffnet folglich nur wenig Raum für ein staatliches Tätigwerden. Ein daraus zu vermutender Missbrauch der vorliegenden Vereins- bzw. Verbandsmacht, durch die entsprechenden Selbstregulierungsmechanismen ist vor allem durch die Freiwilligkeit der Mitgliedschaft eines Einzelnen ausgeschlossen.[9]
1.1.3.3. Zusammenfassung
Der gesamte sportrechtliche Bereich ist bislang auf Bundesebene unter anderem durch Art. 9 Abs.1 GG privatrechtlich in Form von Vereinsregelwerken und Verbandsregelwerken organisiert. Der Staat, mit seinen entsprechenden gesetzlichen Normen und dem bereits erwähnten Subsidiaritätsprinzip fungiert in dieser Beziehung allgemein lediglich als „Notanker“ bzw. Förderer des Sports. Einwirkungen oder entsprechenden Einfluss auf die jeweilige Gestaltung der Satzungen der Sportverbände wird nach derzeitigem Stand durch den Staat nicht vorgenommen.
[1] Ruffert, in: Beck´scher Online Kommentar Art.12 GG, Rn.40.
[2] Fritzweiler, in: Praxishandbuch Sportrecht, S. 27.
[3] Brinkmann, in: Öffentlich-rechtliche Gestaltung im Sportgerichtsverfahren, S. 82.
[4] Brinkmann, in: Öffentlich-rechtliche Gestaltung im Sportgerichtsverfahren, S. 83.
[5] Fritzweiler, in: Praxishandbuch Sportrecht, S. 26.
[6] vgl. Art. 18 AEUV bzgl. dem Recht für Ausländer in Deutschland.
[7] Cornils, in: Beck´scher Online Kommentar Art. 9 GG, Rn.1ff.
[8] Brinkmann, in: Öffentlich-rechtliche Gestaltung im Sportgerichtsverfahren, S. 91f.
[9] Fritzweiler, in: Praxishandbuch Sportrecht, S. 29f.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Sportrecht – Eine Einführung für Sportler und Vereine“ von Michael Kaiser, auf Vertriebsrecht spezialisierter Rechtsanwalt, und Franco Caputo, wissenschaftlicher Mitarbeiter, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2015, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-54-0.
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