Steuerberaterhaftung – Teil 04 – Vorvertragliche Pflichten des Steuerberaters
Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
Monika Dibbelt
Rechtsanwältin
3 Pflichten des Steuerberaters
Die Pflichten des Steuerberaters ergeben sich aus dem Gesetz (z.B. §§ 33, 57, 60 StBerG und §§ 3 und 4 BOStB) und aus dem Steuerberatervertrag. Die Pflichten können daher je nach Ausgestaltung des Steuerberatervertrags unterschiedlich sein. Dies ist abhängig von dem konkreten Mandat und den Umständen des Einzelfalls.[1] Zusätzlich kommen Pflichten vor Abschluss und nach Beendigung des Steuerberatervertrags in Betracht.
3.1 Vorvertragliche Pflichten
Vorvertragliche Pflichten des Steuerberaters sind solche Pflichten, die bereits vor Abschluss des Steuerberatervertrags entstehen. Verletzt der Steuerberater diese Pflichten, kann er zur Haftung herangezogen werden (§ 311 Abs. 2 BGB i. V. m. § 241 Abs. 2 BGB).
Voraussetzung dafür ist, dass zwischen dem Steuerberater und dem Mandanten
- bereits Vertragsverhandlungen stattgefunden haben,
- sich ein Vertrag angebahnt hat oder
- in ähnlicher Art und Weise ein Kontakt stattgefunden hat, aus dem sich schließen lässt, dass ein Vertrag höchstwahrscheinlich zustande kommt.
3.1.1 Mandatsanbahnung/-ablehnung
Der Steuerberater ist nicht verpflichtet, jedes Mandat anzunehmen. Er unterliegt keinem Kontrahierungszwang.[2] Aus diesem Grund lässt sich aus dem Umstand, dass ein Steuerberater kontaktiert wird, keine Anbahnung eines Steuerberatervertrags schließen. Dies gilt sowohl für die Anbahnung eines neuen Mandats als auch für die Erweiterung eines bereits bestehenden Mandats.
Der Steuerberater hat die Pflicht, dem Mandanten unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern (vgl. § 121 Abs. 1 BGB), mitzuteilen, ob er den Auftrag ablehnt (§ 63 S. 1 StBerG).[3] Zeitlich muss es dem Steuerberater möglich bleiben, das Fachgebiet, den Arbeitsumfang und die wirtschaftliche Bedeutung des Auftrags zu klären. Angemessen sind in der Regel mehrere Arbeitstage innerhalb einer Woche.[4] Keine Prüfungs- und Überlegungsfrist wird dem Steuerberater gewährt, wenn es sich um eine Fristsache handelt, in der der Mandant umgehend wissen muss, ob der Steuerberater die Sache bearbeitet.
Beispiel
Mandant A und Steuerberater B haben einen Einzelauftrag über die Erstellung der Steuererklärung für das Jahr 2014 geschlossen. Dieses Mandat möchte A erweitern, und unterbreitet B ein Angebot für die Übernahme eines allgemeinen Mandats. B lehnt die Erweiterung des Mandats nach vier Monaten ab.
- Für die Erweiterung eines Mandats gelten die gleichen Grundsätze wie für die Annahme eines neuen Mandats, d.h. dass B das Mandat unverzüglich hätte ablehnen müssen. Hierbei hat B eine angemessene Prüfungs- und Überlegungsfrist. Vier Monate gelten als unangemessen. B hat daher seine Pflicht aus § 63 StBerG verletzt.
Wenn der Steuerberater erkennt, dass er die gestellten Fachfragen nicht beantworten und sich in das Gebiet nicht einarbeiten kann, ist es seine Pflicht, das Mandat abzulehnen. Dasselbe gilt, wenn der Steuerberater nicht in der Lage ist, das Mandat ordnungsgemäß zu betreuen.
Beispiel
Steuerberater B hat zahlreiche Fristen zu erledigen. Zusätzlich werden zwei seiner Mitarbeiter krank, sodass er erheblich in Zeitnot gerät. B wird von Mandant A angerufen, der ihn beauftragen möchte, eine Steuererklärung bis zum Abschluss der nächsten Woche zu erstellen, weil er seitens des Finanzamtes eine Frist gesetzt bekommen hat. B weiß, dass er die Steuererklärung nicht in der vorgegebenen Zeit ordnungsgemäß erstellen kann.
- Dadurch, dass B weiß, dass er aufgrund des hohen Arbeitsaufkommens und den krankheitsbedingten Ausfällen in seiner Kanzlei die Steuererklärung nicht ordnungsgemäß bis Abschluss der nächste Woche erstellen kann, ist er verpflichtet, das Mandat abzulehnen. Macht er dies nicht, verletzt er seine vorvertraglichen Pflichten.
Darüber hinaus hat der Steuerberater die Pflicht, das Mandat abzulehnen, wenn von ihm eine unerlaubte Handlung erwartet wird (vgl. § 12 BOStB). Ansonsten bestünde das Risiko der Beihilfe zu einer Steuerstraftat.
Beispiel
Mandant A möchte, dass Steuerberater B in seiner Bilanz einige Korrekturen vornimmt. Die Korrekturen sollen die tatsächliche Finanzlage des Unternehmens des A "verschlechtern", damit das Finanzamt C eine geringere Steuer festsetzt.
- Durch Änderung der Bilanz wird eine Urkunde gefälscht.[5] Dadurch, dass A von B die unerlaubte Handlung der Urkundenfälschung (§ 267 StGB) verlangt, ist B verpflichtet, das Mandat abzulehnen.
3.1.2 Verschwiegenheit
Die Pflicht zur Verschwiegenheit (§ 57 Abs. 1 StBerG) ist eine zentrale Berufspflicht des Steuerberaters zur Aufrechterhaltung einer funktionsfähigen Rechtspflege. Eine Verletzung des Berufsgeheimnisses kann strafrechtlich sanktioniert werden (vgl. §§ 203 Abs. 1 Nr. 3, 204 StGB).[6] Darüber hinaus stellt die Verschwiegenheitspflicht ein Recht des Steuerberaters dar, welches ihm insbesondere im Rahmen von gerichtlichen Verfahren zu Gute kommt (vgl. §§ 383 Abs. 1 Nr. 6, 385 Abs. 2 ZPO, § 53 Abs. 1 Nr. 3 StPO, § 102 Abs. 1 Nr. 3a und b AO).[7]
Die Verletzung der Verschwiegenheitspflicht kommt sowohl im vorvertraglichen als auch im vertraglichen Bereich in Betracht. Von Bedeutung ist die Verschwiegenheitspflicht bereits im vorvertraglichen Bereich, da ein Steuerberatervertrag in der Regel erst nach dem ersten Beratungsgespräch abgeschlossen wird. Der Mandant soll aber bereits im ersten Gespräch dem Steuerberater sein Begehren offenbaren können, ohne befürchten zu müssen, dass seine privaten Verhältnisse Dritten offenbart werden.
Die Verschwiegenheitsverpflichtung des Steuerberaters umfasst alles, was dem Steuerberater in Ausübung seiner Berufstätigkeit oder bei Gelegenheit anvertraut oder in sonstiger Weise über die Verhältnisse des Mandanten bekannt geworden ist, selbst wenn die Tatsachen keine unmittelbare Verbindung zur eigentlichen Berufstätigkeit haben.[8] Das Risiko der Verletzung der Verschwiegenheitspflicht besteht in vielen Fällen, beispielsweise
- Abtretung von Gebührenforderungen
- Kanzleiwechsel
- Betriebsprüfung
- Aussagen gegenüber Behörden oder Gerichten
- Beschlagnahmung von Buchhaltungs- und Abschlussunterlagen oder
- Auskünfte gegenüber Erben, Gesellschaftern, Insolvenzverwaltern.
Es besteht keine Verschwiegenheitspflicht, wenn der Steuerberater von seiner Pflicht entbunden wurde.[9]
Beispiel
Steuerberater B hat die Mandanten A und C bei ihren Vertragsverhandlungen beraten. Nun streiten sie gerichtlich über einzelne Vertragspunkte. Das Gericht möchte B befragen. A hat den B von dessen Verschwiegenheitspflicht entbunden.
- B müsste von seiner Verschwiegenheitspflicht entbunden worden sein, um vor Gericht aussagen zu dürfen, ohne seine Verschwiegenheitspflicht zu verletzen. Dadurch, dass er bei den Vertragsverhandlungen sowohl den A als auch den C beraten hat, müssen beide in die gerichtliche Befragung einwilligen. Allein die Entbindung durch A reicht dementsprechend nicht. B darf nicht aussagen.
Eine weitere Ausnahme von der Verschwiegenheitspflicht besteht bei der Insolvenz des Mandanten. In diesem Fall entfällt die Verschwiegenheitspflicht gegenüber dem Insolvenzverwalter,[10] da mit Eröffnung der Insolvenz das Verwaltungs- und Verfügungsrecht des Mandanten über sein Vermögen auf den Insolvenzverwalter übergeht (§ 80 Abs. 1 InsO). Der Insolvenzverwalter hat in diesem Fall das Recht, den Steuerberater von seiner Verschwiegenheitspflicht gegenüber Dritten zu entbinden.
Ferner kann die Verletzung der Verschwiegenheitspflicht ausnahmsweise gerechtfertigt sein, wenn sie in Wahrnehmung eigner berechtigter Interessen des Steuerberaters oder seiner Mitarbeiter erfolgt.
Beispiel
Mandant A und Steuerberater B haben einen Steuerberatervertrag über die Erstellung einer Einkommensteuererklärung zu einem Honorar von 2.000,- € geschlossen. A zahlt das Honorar nicht. B klagt.
- B handelt in Wahrnehmung berechtigter Interessen, wenn er vor Gericht im Rahmen des Mandats ihm anvertraute Tatsachen offenbart. Diese müssen mit seinem Anspruch gegen A in Zusammenhang stehen. Aufgrund dessen darf B seinen Anspruch durch die Vorlage von Unterlagen oder die Vernehmung von Zeugen beweisen. Dies können Zeugen sein, die grundsätzlich der Verschwiegenheitspflicht unterliegen, z.B. Mitarbeiter.
Kein berechtigtes Interesse stellt die Kenntnis über ein strafbares Verhalten des Mandanten dar. Der Steuerberater ist in diesem Fall nicht berechtigt, die Strafverfolgungsbehörden zu informieren.[11] Er muss sich darauf beschränken, seinen Mandanten über die Strafbarkeit des Verhaltens zu belehren, und darauf hinwirken, dass sich sein Mandant gesetzeskonform verhält. Er selbst darf bei der Steuerstraftat nicht helfen.[12]
3.1.3 Vergütungsbelehrung
Zur Aufklärung über die Höhe der Vergütung ist der Steuerberater ungefragt grundsätzlich nicht verpflichtet.[13] Es kann nicht erwartet werden, dass eine Beratung kostenlos erfolgt. Eine Ausnahme besteht dann, wenn die Kosten für die Steuerberatung in keinem angemessenen Verhältnis zur Leistung des Steuerberaters stehen und dies für den Steuerberater erkennbar ist.[14] Der Steuerberater hat spätestens dann die sachgerecht geschätzten Gebühren darzulegen, wenn er von dem Mandanten nach den Gebühren gefragt wird.[15]
Beispiel
Mandant A will Steuerberater B mit der Erstellung seiner Einkommensteuererklärung beauftragen. Eine Aufklärung über die Gebühren durch B erfolgt nicht. Nach Erstellung der Steuererklärung stellt B dem A eine Honorarrechnung über 1.500,- € aus.
- A hat den B nicht nach dem anfallenden Honorar gefragt. Ein Missverhältnis zwischen Gebühr und Leistung ist nicht ersichtlich. B ist zur Vergütungsbelehrung nicht verpflichtet gewesen.
Wenn der Steuerberater über die Gebühren belehrt, ist er hieran gebunden. Kann er nicht alle Faktoren für die Bestimmung der Gebührenhöhe erkennen, muss er die voraussichtliche Gebührenhöhe unter Vorbehalt erklären. Unterlässt er die Erklärung unter Vorbehalt, kann der Steuerberater den Anspruch auf eine höhere Gebühr verlieren.[16]
[1] BGH, Urteil vom 04.06.1996, IX ZR 51/95.
[2] Gräfe/Lenzen/Schmeer, Steuerberaterhaftung, 5. Aufl. 2014, Rn. 2.
[3] Vgl. Lappas, Die angemessene Steuerberaterhaftung, Köln 2007, S. 90.
[4] Gräfe/Lenzen/Schmeer, Steuerberaterhaftung, 5. Aufl. 2014, Rn. 6.
[5] Vgl. zur Urkundenfälschung Kapitel 8.2.2.
[6] Gräfe/Lenzen/Schmeer, Steuerberaterhaftung, 5. Aufl. 2014, Rn. 157.
[7] Späth, Die zivilrechtliche Haftung des Steuerberaters, 3. Aufl. 1987, Rn. 235.
[8] BGH, Urteil vom 20.04.1983, VIII ZR 46/82.
[9] Vgl. Späth, Die zivilrechtliche Haftung des Steuerberaters, 3. Aufl. 1987, Rn. 247.
[10] Gräfe/Lenzen/Schmeer, Steuerberaterhaftung, 5. Aufl. 2014, Rn. 162.
[11] Gräfe/Lenzen/Schmeer, Steuerberaterhaftung, 5. Aufl. 2014, Rn. 167.
[12] Vgl. LG Kiel, Urteil vom 28.03.2003, 29 StL 6/02.
[13] BGH, Urteil vom 02.07.1998, IX ZR 63/97.
[14] BGH, Urteil vom 18.09.1997, IX ZR 49/97.
[15] Vgl. BGH, Urteil vom 02.07.1998, IX ZR 63/97.
[16] BGH, Urteil vom 13.03.1980, III ZR 145/78.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Steuerberaterhaftung“ von Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, spezialisiert auf Steuerrecht, Monika Dibbelt, Rechtsanwältin, und Anika Wegner, wissenschaftliche Mitarbeiterin, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2016, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-51-9.

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Stand: Januar 2016