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2. Kapitel: Der Arztpraxisübergang

A. Praxisübergang

1. Allgemein

Ein einheitlicher Übergang der Praxisgesamtheit auf den Erwerber ist nicht möglich. Im BGB herrscht der Spezialitätsgrundsatz, d.h. die verschiedenen Positionen gehen nach den für sie einschlägigen Normen über (= Spezialitätsgrundsatz).

Der Praxisübergang findet in der Art und Weise statt, dass der erwerbende Arzt die Rechte und Pflichten des veräußernden Arztes mit der Folge übernimmt, dass er in der Lage ist, die Praxis weiterzuführen. Dazu werden dem Erwerber gem. §§ 929 ff BGB das Eigentum an allen Sachen übertragen und gem. §§ 398 ff BGB die Rechte abgetreten. Nach § 613a BGB gehen auf ihn die bestehenden Beschäftigungsverhältnisse über. Um vor allem die unkörperlichen Vermögenswerte wie Patent- und Urheberrechte, Geschäfts- und Kundenbeziehungen, Geschäftsgeheimnisse, Ruf etc. an den erwerbenden Arzt weiterzugeben, ist der veräußernde Arzt verpflichtet, den Erwerber in die Praxisabläufe einzuweisen, ihn zu informieren, Patientenlisten und Daten zu übergeben[1].

2. Übertragung körperlicher Sachen

a. Gegenstände

Das Eigentum an einer beweglichen Sache geht gem. § 929 S. 1 BGB durch Einigung der Vertragsparteien über die Rechtsänderung und Übergabe der Sache auf den erwerbenden Arzt über. Ist dieser bereits durch eine Einarbeitung seitens des veräußernden Arztes im Besitz der Sachen, so genügt nach § 929 S. 2 BGB die Einigung über den Rechtsübergang. Die Übergabe kann auch ersetzt werden durch die Vereinbarung eines sog. Besitzmittlungsverhältnis nach §§ 930, 868 BGB, wie beispielsweise die Miete.

Bei medizinisch-technischen Großgeräten ist darauf hinzuweisen, dass der Erwerber die Zustimmung der Kassenärztlichen Vereinigung zum Gebrauch dieser Geräte benötigt.

b. Grundstück

Ist in dem Arztpraxisübernahmevertrag die Übertragung eines Grundstücks enthalten, so geht dieses nicht nach den Normen für körperliche, bewegliche Sachen über, sondern nach eigenen Normen. Die Übertragung des Eigentums erfolgt durch Einigung über die Rechtsänderung, die bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Vertragspartner oder deren Vertreter vor einem Notar erklärt werden muss (= Auflassung) und der Eintragung in das Grundbuch, §§ 873, 925 BGB. Bei eventuellen späteren Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen Auflassung und Übertragung greift die Auslegung des § 926 I 2 BGB ein, wonach bei Zweifeln das Zubehör zusammen mit dem Grundstück auf den Erwerber übergehen soll.

3. Patientenstamm

Ein besonderes Augenmerk soll auf den Übergang des Patientenstammes gelegt werden, denn dieser macht einen erheblichen Teil des Erfolges einer Arztpraxis aus. Der Übergang des Patientenstammes auf den Nachfolger ist in zweierlei Weise möglich:

a. Beendigung der laufenden Behandlungsverträge

Der zwischen einem Arzt und seinem Patienten geschlossene Vertrag ist ein Behandlungsvertrag, §§ 630a ff. BGB auf den die Vorschriften über den Dienstvertrag ergänzende Anwendung finden.

aa. § 626 BGB

Der behandelnde Arzt kann den Vertrag mit seinem Patienten jederzeit aus wichtigem Grund nach § 626 BGB kündigen. Voraussetzung dafür ist das Vorliegen eines wichtigen Grundes. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Von einem solchen wichtigen Grund ist gegebenenfalls auszugehen, wenn der Arzt die Praxis an einen Kollegen veräußert. In einem solchen Fall stehen dem Arzt nicht mehr wie zuvor gewohnt die erforderlichen Hilfsmittel zur Verfügung.

Eine fristlose Kündigung darf allerdings dann nicht erfolgen, wenn der Patient schwer krank ist und auf die Behandlung angewiesen ist. Daher ist es möglich, dass der veräußernde Arzt nach dem Praxisübergang zu einer Weiterbehandlung des Patienten in der Praxis verpflichtet ist.

Weiß der Arzt bereits bei Eingehung des Behandlungsvertrages, dass er die Behandlung nicht bis zur Genesung des Patienten mitverfolgen kann, so hat er eingangs den Patienten darauf hinzuweisen.

Der erwerbende Arzt muss nach Beendigung des Behandlungsvertrages seitens des veräußernden Arztes mit dem jeweiligen Patient einen neuen Vertrag schließen.

bb. § 627 BGB

Da es sich bei dem Behandlungsvertrag um einen Vertrag mit höchstpersönlichem Dienstleistungscharakter handelt, kann der behandelnde Arzt den Vertrag auch nach § 627 BGB fristlos kündigen. Auch in diesem Fall muss die medizinische Versorgung des Patienten sichergestellt sein. Der behandelnde Arzt darf also den Vertrag nicht kündigen, wenn der Patient schwer krank ist.

Auch in diesem Fall tritt der erwerbende Arzt nicht in einen bestehenden Behandlungsvertrag ein, sondern muss nach Beendigung des vorherigen Vertrages einen eigenen, neuen Behandlungsvertrag mit dem jeweiligen Patienten schließen.

b. Eintritt in den laufenden Behandlungsvertrag

Neben dem Abschluss eines neuen Behandlungsvertrags kann der erwerbende Arzt mit den Patienten den laufenden Behandlungsvertrag fortsetzen. Zu diesem Zweck muss er in die laufenden Verträge eintreten. Gem. § 415 BGB ist dazu die Genehmigung des Patienten notwendig (§§ 414 ff BGB; Schuldübernahme). Dem Patienten steht das Recht zu seinen Arzt frei zu wählen. Dies ergibt sich aus der besonderen Vertrauensbeziehung zwischen Arzt und Patienten. Daher kann der Patient dem erwerbenden Arzt die Weiterbehandlung verweigern und seinerseits den Behandlungsvertrag beenden.


[1] Münchner-Kommentar-Westermann § 553 RdNr. 17

Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Arztpraxis – Kauf und Übergang“ von Harald Brennecke, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, Michael Kaiser, auf Arztrecht spezialisierter Rechtsanwalt, und Carola Ritterbach, auf Steuerrecht spezialisierte Rechtsanwältin, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2016, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-54-0.


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zum folgenden Teil des Buches

 

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Stand: 2016


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Rechtsanwalt Harald Brennecke ist im Datenschutzstrafrecht als Strafverteidiger tätig.

Rechtsanwalt Brennecke hat zum Datenschutzrecht veröffentlicht:

  • „17 UWG – Betriebsgeheimnisse und Verrat durch (ehemalige) Mitarbeiter“, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-38-0
  • "Einführung in das Datenschutzrecht", Kapitel im E-Business Handbuch für Entscheider, 2. Aufl., ISBN 3.540-43263-9, 2002, Springer-Verlag

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  • Einführung in das Datenschutzstrafrecht

Rechtsanwalt Brennecke war an der IHK Karlsruhe als Dozent für Datenschutzrecht tätig. Er ist Dozent für Datenschutzrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.

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Rechtsanwältin Carola Ritterbach ist Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht und absolviert derzeit den Fachanwaltskurs für Steuerrecht. 

Carola Ritterbach hat zum Kapitalmarktrecht veröffentlicht:

  • „Die Beraterhaftung im Kapitalmarktrecht“, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-30-4

Rechtsanwältin Ritterbach ist Dozentin für Kapitalmarktrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie sowie Mitglied der Arbeitsgemeinschaften Bank- und Kapitalmarktrecht und Steuerrecht im Deutschen Anwaltsverein.

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