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Arbeitnehmerüberlassung – Teil 04 – Unwirksamkeit, Haftung und Gewährleistung

3.4 Unwirksamkeit der Arbeitnehmerüberlassung

§ 9 AÜG sieht einige Gründe vor, bei deren Vorliegen die Arbeitnehmerüberlassung unwirksam ist.

3.4.1 Fehlende Überlassungserlaubnis § 9 Nr. 1 AÜG

Fehlt dem Verleiher eine Überlassungserlaubnis oder fällt sie später weg, ist der Arbeitnehmerüberlassungsvertrag gem. §§ 9 Nr. 1 unwirksam.

Hat der Verleiher bewusst die Vorschriften des AÜG umgangen, liegt eine sog. bewusste Umgehung des AÜG vor. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn die Vertragsparteien das Vorliegen einer Arbeitnehmerüberlassung verschleiern, in dem sie den Vertrag als Werkvertrag bezeichnen. Daher darf nicht auf die Vertragsbezeichnung abgestellt werden. Entscheidend ist die tatsächliche Durchführung.

Eine unbewusste Umgehung liegt vor, wenn den Parteien nicht bewusst ist, dass die Voraussetzungen des AÜG vorliegen und sie eine Arbeitnehmerüberlassung ausüben.

Wird die Erlaubnis durch Rücknahme nach § 4 AÜG oder Widerruf gem. § 5 AÜG für die Zukunft unwirksam, wird der Vertrag nur mit Wirkung für die Zukunft, nicht jedoch für die Vergangenheit unwirksam.

Um den Leiharbeiter nicht vertragsrechtlich schutzlos zu stellen, wird gem. § 10 I 1 AÜG rückwirkend ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Leiharbeitnehmer und dem Entleiher fingiert.

Beispiel 1

Die Zeitarbeitsfirma Glöckler GmbH schließt mit dem Schreinerbetrieb Holzbau GmbH einen Arbeitnehmerüberlassungsvertrag. Die Zeitarbeitsfirma unterlässt es, die erforderliche Erlaubnis bei der Bundesagentur für Arbeit einzuholen. Trotzdem überlässt sie dem Schreinerbetrieb Herrn Müller als Leiharbeitnehmer.

  • Der Arbeitnehmerüberlassungsvertrag ist unwirksam. Aus diesem Grund wird zwischen dem Holzbau GmbH und Herrn Müller ein Arbeitsverhältnis fingiert.

Das gesetzlich fingierte Arbeitsverhältnis zwischen dem Entleiher und dem Leiharbeitnehmer steht einem vertraglich vereinbarten Arbeitsvertrag gleich. Der Inhalt und die Dauer des Arbeitsverhältnisses bestimmt sich nach den für den Betrieb des Entleihers geltenden Vorschriften und sonstigen Regelungen, § 10 I 4 AÜG. Fehlen solche Vorschriften, gelten diejenigen vergleichbarer Betriebe. Fehlt eine tarifliche Bestimmung über die Vergütung, erhält der ursprüngliche Leiharbeiter dasselbe Entgelt wie die Stammmitarbeiter mit vergleichbarer Tätigkeit. Nach § 10 I 5 AÜG hat der Leiharbeiter gegen den Entleiher aber mindestens Anspruch auf das mit dem Verleiher vereinbarte Arbeitsentgelt.

Beispiel 2

Aufgrund des fingierten Arbeitsverhältnisses zwischen dem Schreinerbetrieb Holzbau GmbH und dem Leiharbeitnehmer Herr Müller, hat Herr Müller einen Lohnanspruch gegen den Schreinerbetrieb und nicht mehr gegenüber der Zeitarbeitsfirma.

  • Da eine tarifliche Bestimmung über die Vergütung fehlt, erhält Herr Müller dasselbe Entgelt wie die Stammarbeitnehmer.

Durch die illegale Arbeitnehmerüberlassung, die entsteht, wenn eine Erlaubnis fehlt, wird der Arbeitsvertrag zwischen dem Verleiher und dem Leiharbeiter nichtig. Der Leiharbeiter hat keine Ansprüche, insb. keinen Vergütungsanspruch mehr gegen den Verleiher. Kannte der Leiharbeitnehmer den Grund der Unwirksamkeit des Arbeitnehmerüberlassungsvertrages nicht, kann er vom Verleiher gem. § 10 II 1 AÜG den Schaden ersetzt verlangen, den er im Vertrauen auf die Gültigkeit des Vertrags erlitten hat.

Beispiel 3

Das Arbeitsvertrag zwischen der Zeitarbeitsfirma Glöckler GmbH und Herrn Müller sowie der Arbeitnehmerüberlassungsvertrag sind aufgrund der fehlenden Erlaubnis unwirksam. Es wird ein Arbeitsverhältnis zwischen Herrn Müller und der Holzbau GmbH fingiert. Für dieses Arbeitsverhältnis gelten nun die betrieblichen Bestimmungen, welche vorsehen, dass jedem Mitarbeiter 26 Urlaubstage zustehen. Der Arbeitsvertrag zwischen der Zeitarbeitsfirma und Herrn Müller sieht aber 28 Urlaubstage vor. Da Herr Müller auf den Bestand dieses Arbeitsvertrags vertraut hat, fehlen ihm nun 2 Urlaubstage.

  • Die Zeitarbeitsfirma hat Herrn Müller nun den Schaden zu ersetzen, der ihm durch die geringere Anzahl an Urlaubstagen entsteht.

Zahlt der Verleiher das vereinbarte Arbeitsentgelt oder Teile davon an den Leiharbeiter, obwohl der Vertrag unwirksam ist, gilt er gegenüber Dritten weiterhin als Arbeitgeber und ist neben dem Entleiher gem. § 10 III AÜG zur Zahlung der Vergütung verpflichtet. Beide werden nach § 421 BGB zu Gesamtschuldner.

Beispiel 4

Trotz einer Unwirksamkeit des Arbeitsvertrages seit dem 31.03.2015, hat die Zeitarbeitsfirma für April und Mai 2015 Lohnzahlungen an Herrn Müller vorgenommen.

  • Die Zeitarbeitsfirma gilt damit für Außenstehende immer noch als Arbeitgeber des Herrn Müller, so dass dieser weiterhin einen Lohnanspruch gegen die Zeitarbeitsfirma hat.

3.4.2 Verstoß gegen das Gleichstellungsgebot § 9 Nr. 2 AÜG

Ein Leiharbeitnehmer hat den Anspruch, hinsichtlich wesentlicher Arbeitsbedingungen mit den vergleichbaren Arbeitnehmern des Entleihers gleichgestellt zu werden. Es handelt sich um ein spezielles Diskriminierungsverbot. Abweichende Bestimmungen sind unwirksam.

Eine Ausnahme ist möglich, wenn tarifvertragliche Regelungen eine Schlechterstellung zulassen. Eine solche tarifvertragliche Bestimmung ist ihrerseits eingeschränkt. Zum einen ist eine tarifvertragliche Bestimmung unwirksam, die eine sog. Drehtürklausel beinhaltet. Nach der "Drehtürklausel" werden Stammmitarbeiter entlassen, um anschließend als Leiharbeiter bei ihrem bisherigen Arbeitgeber unter schlechteren Arbeitsbedingungen weiterbeschäftigt zu werden.

Zum andern fügte der Gesetzgeber in Anlehnung an die europarechtlich geltende Arbeitnehmerfreizügigkeit die Möglichkeit ein, für die Leiharbeiter eine Lohnuntergrenze festzusetzen, § 3 a AÜG. Eine tarifliche Bestimmung, die diese Lohnuntergrenze unterschreitet, ist unwirksam.

Der Gleichstellungsgrundsatz gilt auch für eine gemeinnützige Arbeitnehmerüberlassung, wenn eine erlaubnispflichtige Arbeitnehmerüberlassung betrieben wird.

Der Verleiher hat gegenüber dem Entleiher gem. § 12 AÜG einen Auskunftsanspruch, um die Arbeitsbedingung der Stammmitarbeiter zu erfahren und seine Gleichstellungspflicht zu erfüllen. Die Leiharbeitnehmer haben gem. § 13 AÜG ebenfalls einen Auskunftsanspruch, damit sie ihre Vertragsbedingung selbst überprüfen können.

3.4.3 Beschränkung des Zugangs zu Gemeinschaftseinrichtungen § 9 Nr. 2a AÜG

Seit dem 01.12.2011 regelt § 13 b AÜG den Anspruch des Leiharbeitnehmers auf Zugang zu den Gemeinschaftseinrichtungen und -diensten beim Entleiher. Der Zugangsanspruch soll die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen der Leiharbeitnehmer während ihres Einsatzes verbessern. § 9 Nr. 2 a AÜG regelt, dass Vereinbarungen, die den Zugang des Leiharbeitnehmers zu den Gemeinschaftseinrichtungen oder -diensten im Unternehmen des Entleihers entgegen § 13b beschränken, unwirksam sind. Die Norm soll verhindern, dass der Leiharbeiter bei Vertragsschluss oder zu einem späteren Zeitpunkt durch den Verleiher aufgefordert werden kann, auf dieses Recht zu verzichten.

3.4.4 Vereinbarungen über ein Einstellungsverbot nach Arbeitnehmerüberlassung § 9 Nr. 3 AÜG

Gem. § 9 Nr. 3 AÜG sind Vereinbarungen unwirksam, die dem Entleiher untersagen mit dem Leiharbeiter nach Beendigung der Arbeitnehmerüberlassung ein Arbeitsverhältnis zu begründen. Die Vorschrift umfasst sämtliche Abreden, die ein Einstellungsverbot bewirken und damit den Wechsel des Leiharbeitnehmers zum Entleiher verhindern oder wesentlich erschweren, mithin auch allgemeine Abwerbeverbote.

Eine sog. Vermittlungsprovision, die sich der Verleiher für den Fall der Übernahme des Arbeitnehmers durch den Entleiher versprechen lässt ist ebenfalls erfasst.

Zulässig ist hingegen eine angemessene Vermittlungsgebühr des Entleihers an den Verleiher, wenn der Leiharbeitnehmer nach einer vorangegangenen Arbeitnehmerüberlassung ein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher schließt. Für die Angemessenheit dieser Vergütung ist die Dauer des vorangegangen Verleihs, die Höhe des vom Entleiher bereits gezahlten Verleihentgelts und der Aufwand für die Gewinnung eines vergleichbaren Arbeitnehmers zu betrachten. Angemessen ist z. B. eine maximale Vergütung von zwei Bruttogehältern beim Entleiher.

Die Vermittlungsgebühren müssen nicht durch einen zusätzlichen Vertrag zwischen Verleiher und Entleiher geregelt werden, sondern können in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Verleihers geregelt werden, die der Entleiher beim Abschluss des Arbeitnehmerüberlassungsvertrags erhält.

3.4.5 Verbot der Eingehung eines Arbeitsverhältnisses mit dem Entleiher § 9 Nr. 4 AÜG

Vereinbarungen die dem Leiharbeitnehmer untersagen, ein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher zu begründen, nachdem kein Arbeitsverhältnis zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer mehr besteht, sind nach § 9 Nr. 4 AÜG unwirksam. Neben dem Beschäftigungsverbot, sind von der Vorschrift auch sonstige Beschränkungen umfasst, die die Handlungsfreiheit des Leiharbeitnehmers einschränken, wie z.B. ein Bewerbungsverbot oder ein Rückzahlungsvorbehalt wegen einer gezahlten Abfindung vom Verleiher an den Leiharbeiter für den Fall des Abschluss eines Arbeitsvertrags zwischen dem Leiharbeitnehmer und dem Entleiher.

Die Norm umfasst auch Regelungen, die das Beschäftigungsverbot beispielsweise durch Vertragsstrafen sichern soll. Ferner sind solche Vereinbarungen unwirksam, die dem Leiharbeitnehmer für den Zeitraum des Verbotes vom Verleiher eine Entschädigung gewähren.

3.4.6 Verbot einer Vermittlungsgebühr durch den Leiharbeitnehmer § 9 Nr. 5 AÜG

§ 9 Nr. 5 AÜG bestimmt, dass solche Vereinbarungen unwirksam sind, nach denen sich der Leiharbeitnehmer verpflichtet, eine Vermittlungsgebühr an den Verleiher zu zahlen. Umfasst ist ein Entgelt für die eigentliche Vermittlung als Leiharbeitnehmer, als auch ein Entgelt für die Vermittlung in ein Arbeitsverhältnis nach Beendigung der Arbeitnehmerüberlassungsvertrag.

3.5 Haftung und Gewährleistung

Der Verleiher ist dem Entleiher nach §§ 280 ff. zum Schadensersatz verpflichtet, wenn er seiner Pflicht zur Überlassung der geschuldeten Leiharbeiter nicht oder verspätet nachkommt.

Beispiel 1

Um während dem Weihnachtsgeschäft den Personalbedarf zu decken, wendet sich das Kaufhaus Kaufrausch an die Zeitarbeitsfirma Glöckner GmbH. Die Zeitarbeitsfirma soll dem Kaufhaus zwei Einzelhandelskaufleute für die Zeit des Weihnachtsgeschäftes überlassen. Die Zeitarbeitsfirma schließt den Vertragt mit dem Kaufhaus Kaufrausch ab, ohne zu prüfen, ob sie geeignete Arbeitnehmer hat. Kurz nachdem der Arbeitnehmerüberlassungsvertrag unterzeichnet wurde, stellt sich heraus, dass die Zeitarbeitsfirma keine geeigneten Arbeitnehmer hat. Erst im Januar bietet sie dem Kaufhaus zwei Mitarbeiter an. Zu diesem Zeitpunkt ist das Weihnachtsgeschäft schon vorbei, sodass das Kaufhaus die Leiharbeitnehmer nicht mehr benötigt.

  • Die Zeitarbeitsfirma ist von daher gegenüber dem Kaufhaus zum Schadensersatz verpflichtet. Dazu gehören z.B. die Kosten, die dem Kaufhaus entstanden sind, um eine andere Leiharbeitsfirma mit der Überlassung von Leiharbeitnehmern zu beauftragen.

Eine Schadensersatzpflicht besteht, wenn der Verleiher dem Entleiher einen ungeeigneten Arbeitnehmer überlässt.

Ein Gewährleistungsrecht gegen den Verleiher wegen Schlechtleistung des Arbeitnehmers hat der Entleiher nicht.

Beispiel 2

Die Zeitarbeitsfirma hat zwei geeignete Leiharbeitnehmer ausgewählt und sie dem Kaufhaus am 01.12.2014 überlassen. Nach einigen Tagen stellt einer der Leiharbeitnehmer fest, dass ihm die Weihnachtszeit zu stressig ist. Er berät daraufhin die Kunden nicht richtig oder gar nicht mehr. Dieses Verhalten wirkt sich negativ auf die Verkaufszahlen des Kaufhauses aus.

  • Das Kaufhaus hat keinen Anspruch gegen die Zeitarbeitsfirma auf Ersatz des daraus entstandenen Schadens, da die Zeitarbeitsfirma den Leiharbeitnehmer ordnungsgemäß ausgewählt hat.

Der Leiharbeiter hat einen Anspruch nach §§ 280 I, 241 II BGB, wenn ihm der Entleiher einen Personen- oder Sachschaden zufügt. Darüber hinaus kommt ein Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung gem. § 823 BGB in Betracht.

Beispiel 3

Der Geschäftsführer des Kaufhauses beschädigt grob fahrlässig eine Trittleiter und vergisst den Leiharbeitnehmer darüber zu informieren. Als der Leiharbeitnehmer die Trittleiter am nächsten Tag verwenden will, stürzt er und bricht sich den Arm.

  • Das Kaufhaus haftet für den Personenschaden.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Arbeitnehmerüberlassung“ von Tilo Schindele, auf Arbeitsrecht spezialisierter Rechtsanwalt, und Patricia Netto, wissenschaftliche Mitarbeiterin, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2016, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-55-7.


 

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Kontakt: tilo.schindele@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2016


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Herausgeber / Autor(-en):

Portrait Tilo-Schindele  Rechtsanwalt Tilo Schindele

Normen: § 9 AÜG

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