Arbeitnehmerüberlassung – Teil 05 – Abgrenzungsfälle
4. Abgrenzungsfälle
Da ein Fremdpersonaleinsatz nicht nur durch eine Arbeitnehmerüberlassung, sondern auch durch einen Dienst- oder Werkvertrag erfolgen kann, kann im Einzelfall die Abgrenzung, was für ein vertragliches Verhältnis vorliegt, schwierig sein. Eine Abgrenzung ist wegen der unterschiedlichen Rechtsvorschriften für die jeweiligen Vertragsverhältnisse erforderlich.
4.1 Abgrenzung Arbeitnehmerüberlassung - Werkvertrag
Die Arbeitnehmerüberlassung und der Werkvertrag lassen sich vor allem nach der geschuldeten Tätigkeit abgrenzen:
- Bei der Arbeitnehmerüberlassung schuldet der Leiharbeiter eine Tätigkeit, die dem Weisungsrecht des Entleihers unterliegt und für die er in den Betrieb des Entleihers eingegliedert wird.
- Beim Werkvertrag schuldet der Werkunternehmer einen Erfolg, der vom Erfüllungsgehilfen des Werkunternehmers erbracht werden kann. Der Erfüllungsgehilfe unterliegt dabei den Weisungen des Werkunternehmers.
Beispiel 1
Familie Weck beauftragt die Schlosserei Stahl GmbH mit der Befestigung ihres Hoftores. Der Geschäftsführer Herr Maier, setzt dafür zwei seiner Mitarbeiter ein, die seinen Weisungen unterliegen und als Erfüllungsgehilfen tätig werden.
- Hier liegt ein Werkvertrag zwischen der Familie Weck und der Schlosserei Stahl vor.
Beide Vertragsarten können in der Praxis in ähnlichen Aufgabengebieten vorkommen.
Beispiel 2
Ein Supermarkt beauftragt eine Dienstleistungsfirma damit, ihre neuen Waren in die Regale einzuräumen. Die Dienstleistungsfirma setzt dafür acht Mitarbeiter ein.
- Hier liegt ein Werkvertrag zwischen dem Supermarkt und der Dienstleistungsfirma vor.
Beispiel 3
Der Supermarkt vereinbart mit der Zeitarbeitsfirma Glöckler GmbH, ihr acht Mitarbeiter zu überlassen, die im Supermarkt die neuen Waren in die Regale einräumen.
- Hier liegt ein Arbeitnehmerüberlassungsvertrag vor.
Die Abgrenzung der Arbeitnehmerüberlassung vom Werkvertrag richtet sich danach, ob ein werkvertraglicher oder ein dienstvertragsfähiger Leistungsgegenstand vereinbart wurde. Darüber hinaus ist festzustellen, wer das Weisungsrecht gegenüber dem Fremdpersonal ausübt und die Arbeitsabläufe organisiert. Arbeitet das Fremdpersonal mit eigenen Arbeitnehmern arbeitsteilig zusammen oder wird es über den, mit dem Werkunternehmer vereinbarten, Leistungsinhalt hinaus eingesetzt, kann überwiegend von einer Arbeitnehmerüberlassung ausgegangen werden.
Indizien für einen Werkvertrag können sein:
- die unternehmerische Eigenverantwortlichkeit und Dispositionsmöglichkeit des Werkunternehmers gegenüber dem Besteller,
- die Vereinbarung eines individuellen Werks, das dem Werkunternehmer zurechenbar ist,
- das Weisungsrecht über die Erfüllung der werkvertraglichen Pflichten, das nur für den Werkunternehmer gegenüber seinem Erfüllungsgehilfen besteht, während der Dritte keine Einwirkungsrechte hat,
- die Übernahme des Unternehmerrisikos und der Gewährleistung,
- eine erfolgsorientierte und keine tätigkeitsbezogene Vergütung.
Beispiel 4
Der Warenverräumer erhält für das Auffüllen aller Regale eine Pauschale und keinen Stundenlohn als Vergütung. Er unterliegt dabei den Weisungen des Dienstleistungsunternehmens.
- Es liegt ein Werkvertrag vor.
Folgende Kriterien sprechen gegen den Werkvertrag, aber für eine Arbeitnehmerüberlassung:
- der Besteller plant und organisiert die Arbeitsabläufe,
- der Erfüllungsgehilfe des Werkunternehmers wird in den Betriebsräumen des Bestellers tätig,
- der Besteller hat ein eigenes Weisungsrecht,
- der Arbeitnehmer wird verpflichtet, seine Arbeitszeiten bzw. den Urlaub mit dem Besteller abzustimmen und eine Arbeitsunfähigkeitsmeldung bei ihm abzugeben,
- der Arbeitnehmer wird mit Werkzeug und Dienstbekleidung des Bestellers ausgestattet,
- der Arbeitnehmer darf die Sozialräume des Bestellers benutzen.
Beispiel 5
Der Geschäftsführer des Supermarkts plant die Arbeitszeiten und Arbeitsabläufe der Warenverräumer. Während den Pausen dürfen sich die Warenveräumer in den Pausenräumen des Supermarkts aufhalten.
- Es liegt eine Arbeitnehmerüberlassung vor.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Arbeitnehmerüberlassung“ von Tilo Schindele, auf Arbeitsrecht spezialisierter Rechtsanwalt, und Patricia Netto, wissenschaftliche Mitarbeiterin, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2016, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-55-7.
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Kontakt: tilo.schindele@brennecke-rechtsanwaelte.deStand: Januar 2016