Steuerstrafrecht – Strafbarkeit der Organe in Unternehmen – Teil 05 – Strafbarkeit der Personen- und Kapitalgesellschaften
Herausgeber / Autor(-en):
Monika Dibbelt
Rechtsanwältin
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
3.4.2 Personengesellschaften
Für die Personengesellschaften in Form der
- Gemeinschaft des bürgerlichen Rechts (GbR)
- offenen Handelsgesellschaft (oHG)
- Kommanditgesellschaft (KG) oder
- Partnerschaft im Sinne des Partnerschaftsgesellschaftsgesetzes
gilt das bisher Gesagte. Die "geschäftsführenden" Personen sind für die steuerlichen Pflichten allzuständig und gesamtverantwortlich, sofern nichts anderes im Gründungsvertrag vereinbart wurde.(Fußnote) Dies ergibt sich allein schon daraus, dass jeder Gesellschafter einzeln und nicht wie bei einer Kapitalgesellschaft über die Körperschaftssteuer besteuert wird.
Eine Sonderform bildet der Kommanditist einer Kommanditgesellschaft. Aus seiner Rechtsstellung kann keine Allzuständigkeit abgeleitet werden: Er ist nicht berechtigt, geschäftsführende Tätigkeiten zu übernehmen, hat keine Vertretungsmacht und lediglich einen Anspruch auf Mitteilung des Jahresabschlusses. Das Recht zur laufenden Kontrolle hat er nicht. Deshalb kann ihm keine Steuerpflicht für die Gesellschaft auferlegt werden. Es ist jedoch bei entsprechender Sachlage eine Tatbeteiligung in Form von Täterschaft und Teilnahme durch aktives Tun möglich.
Die Möglichkeit der Aufgabenverteilung oder Delegation ist auch hier gegeben (Kapitel 3.4.1.2 und 3.4.1.3).
3.4.3 Kapitalgesellschaften
Es gibt juristische Personen in Form von Vermögensmassen mit rechtlicher Selbstständigkeit, sogenannte Kapitalgesellschaften, wie die
- Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH)
- Unternehmergesellschaft (UG) und
- Aktiengesellschaft (AG).
Die Unternehmergesellschaft (UG) stellt jedoch nur einen Unterfall einer GmbH dar.
3.4.3.1 Gemeinschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) / Unternehmergesellschaft (UG)
3.4.3.1.1 Geschäftsführer
Gemäß § 34 Absatz 1 AO hat der Geschäftsführer die der GmbH obliegenden steuerlichen Pflichten zu erfüllen. Somit gilt wiederrum das bisher Gesagte: Die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Organe juristischer Personen ist durch eine mögliche Aufgabenteilung oder Delegation der Steuerpflicht eingeschränkt, aber nicht ausgeschlossen.
Es wird unterschieden zwischen Geschäftsführern und Gesellschaftern. Gesellschafter sind Anteilseigner der Gesellschaft. Gesellschafter können zur Geschäftsführung der GmbH bestellt werden. Danach trifft den geschäftsführenden Gesellschafter die Pflicht aus § 34 Absatz 1 AO. Die Möglichkeit der Aufgabenteilung unter den Mitgeschäftsführern oder Delegation ist hier gegeben (siehe bereits oben, Kapitel 3.4.1.2 und 3.4.1.3). Daneben kann ein Geschäftsführer bestellt werden, der nicht Gesellschafter GmbH ist. Für diesen gilt dann gem. § 34 Absatz 1 AO ebenfalls die Pflicht, die der GmbH obliegenden Pflichten zu erfüllten.
3.4.3.1.2 faktischer Geschäftsführer
Ein Sonderproblem der GmbH ist der sogenannte faktische Geschäftsführer. Faktischer Geschäftsführer ist, wer ohne förmlich bestellt oder im Handelsregister eingetragen zu sein, im Einverständnis der Gesellschafter die Stellung eines Geschäftsführers tatsächlich wahrnimmt.(Fußnote) Er muss die Geschicke des Unternehmens als „Seele des Geschäfts“ maßgeblich nach innen und außen bestimmen.(Fußnote) Es reicht dabei schon, wenn der faktische Geschäftsführer gegenüber einer begrenzten Öffentlichkeit als solcher geriert, das Auftreten gegenüber der allgemeinen Öffentlichkeit aber weisungsabhängigen Personen überlässt.(Fußnote)
Mangels rechtsgeschäftlicher oder kraft Gesetzes übergangener Geschäftsführung wäre eine Wahrnehmung der steuerlichen Pflichten aus § 34 AO für den faktischen Geschäftsführer zu verneinen. Unterstellt man jedoch die eben genannten Anforderungen an dessen Lenkungsmöglichkeiten nach innen und außen als gegeben, so ergibt sich dessen Steuerpflicht nach der Rechtsprechung als „Paradebeispiel“ aus § 35 AO:(Fußnote) Mit § 35 AO werden natürlichen Personen die gleichen Pflichten auferlegt, die sie jedoch nicht offiziell durch den Gesellschaftsvertrag (z.B.: Bestellung zum Geschäftsführer) innehalten, jedoch im Ergebnis dieselben rechtlichen Möglichkeiten des Zugriffs auf fremdes Vermögen haben und von diesen auch tatsächlich nach außen hin Gebrauch machen.
Den faktischen Geschäftsführer treffen somit bei entsprechendem Auftreten steuerliche Pflichten, die Grundlage für eine strafrechtliche Ahndung werden können.
Für sonstige Gesellschafter gilt ebenso der § 370 AO: Täter der Steuerhinterziehung kann nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht nur der Steuerschuldner selbst sein, sondern jeder Dritte, der die tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllt.(Fußnote) Dies kann beispielsweise dadurch geschehen, dass einer der Gesellschafter wegen temporärer Personalprobleme kurzfristig einspringt und im Betrieb mithilft. Wenn er dabei bewusst private Rechnungen der Geschäftsführer als Betriebsausgaben deklariert, begeht er eine vollendete Steuerhinterziehung, obwohl ihn nicht die Steuerpflicht aus § 34 AO trifft.
3.4.3.2 Aktiengesellschaft (AG)
Die Aktiengesellschaft (AG) ist eine juristische Person in Form einer Vermögensmasse mit rechtlicher Selbstständigkeit (sog. Kapitalgesellschaften). Für die Aktiengesellschaft gilt die Besonderheit, dass die Kapitalbeteiligung in Aktien zerlegt ist.
3.4.3.2.1 Vorstand
Für den Vorstand einer Aktiengesellschaft, der das aktienrechtliche Gegenstück zum Geschäftsführer einer GmbH darstellt, gelten dieselben Grundsätze wie für Geschäftsführer: Als Organ der juristischen Personen trifft sie grundsätzlich durch § 34 AO die Steuerpflicht. Diese kann jedoch in zulässiger, aber eingeschränkter Weise delegiert oder aufgeteilt werden, lässt jedoch die Möglichkeit einer Strafbarkeit nach § 370 AO nicht gänzlich entfallen. Das gilt selbst dann, wenn es sich um weltweit tätige Gesellschaften mit einer nicht unerheblichen Anzahl von Betriebsstätten handelt.(Fußnote) Unerheblich ist, ob das betroffene Vorstandsmitglied einen wirtschaftlichen Nutzen gezogen hat oder nicht.(Fußnote) Es kommt im Rahmen der Gesamtverantwortung des Vorstandes einzig auf die korrekte Absicherung und Überwachung der delegierten oder aufgeteilten Steuerpflichten an.
3.4.3.2.2 Aufsichtsrat
Ein Aufsichtsrat ist gem. § 84 Absatz 1 Aktiengesetz primär verpflichtet, einen kompetenten und zuverlässigen Vorstand zu wählen.(Fußnote) Eine zentrale Verpflichtung des Aufsichtsrats ist weiter die Überwachung des Vorstandes (§ 111 Absatz 1,2 AktG(Fußnote)). Die Kontrollverpflichtung erstreckt sich dem Grunde nach auf denselben umfassenden Pflichtenbereich wie derjenige der Geschäftsleitung. Jedoch sind die Aufsichtsräte primär dem Unternehmen nach innen verpflichtet. Sie sind nicht dem Schutz Dritter berufen. Sofern der einzelne Aufsichtsrat also nicht selbst mitgewirkt hat und nicht, trotz relevanter Ansatzpunkte, untätig geblieben war, ist die bloße Untätigkeit nicht vorwerfbar. Das alleinige Unterlassen von Kontrollmaßnahmen gegenüber dem Vorstand reicht nicht aus. Aufsichtsräte können damit Täter bzw. Teilnehmer einer fremden Steuerstraftat sein. Dabei ist die Teilnahme in Form der Anstiftung oder Beihilfe die am ehesten denkbare Konstellation.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Steuerstrafrecht – Strafbarkeit der Organe in Unternehmen“ von Monika Dibbelt, Rechtsanwältin, Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, spezialisiert auf Steuerrecht, und Alexander Mayr, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2016, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-48-9.
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Monika Dibbelt
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Stand: Januar 2016
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Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht
Rechtsanwältin Carola Ritterbach absolviert derzeit den Fachanwaltskurs Steuerrecht. Sie berät Gesellschafter und Unternehmer bei der steuerlichen Gestaltung von Gesellschaften und Unternehmen. Sie begleitet Betriebsprüfungen und vertritt bei Finanzgerichtsstreitigkeiten mit dem Finanzamt oder vor Finanzgerichten. Rechtsanwältin Ritterbach berät und vertritt bei Steuerselbstanzeigen und Steuerstrafverfahren. Sie erstellt Unternehmensbewertungen und begleitet Unternehmenskäufe bzw. Unternehmensverkäufe aus steuerrechtlicher Sicht.
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on Steuern im Fall der Zusammenveranlagungen bei Insolvenzen einzelner Ehepartner.
Rechtsanwältin Ritterbach ist Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht und ist seit vielen Jahren im Bereich Bankrecht tätig. Steuerliche Fragen bei Finanzierungsgeschäften treffen daher ihr besonderes Interesse.
Carola Ritterbach hat im Steuerrecht veröffentlicht:
- Bilanzierung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-49-6
- Steuerstrafrecht – Strafbarkeit der Organe in Unternehmen, Monika Dibbelt, Carola Ritterbach und Alexander Mayr, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-48-9
- Die strafbefreiende Selbstanzeige, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-47-2
- Besteuerung Personengesellschaften, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-52-6
- Steuerberaterhaftung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Anika Wegner, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-51-9
- Erbschaftssteuer- und Schenkungssteuerrecht: Das Recht der Erbschafts- und Schenkungssteuer. Möglichkeiten zur Verringerung der Steuerbelastung bei Erbschaften und Schenkungen, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-16-8,
- Die Haftung für Steuerschulden, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-39-7
Weitere Veröffentlichungen von Rechtsanwältin Ritterbach im Steuerrecht sind in Vorbereitung, so
- Änderung von Steuerbescheiden – Wann darf das Finanzamt einen Steuerbescheid aufheben oder korrigieren
Carola Ritternach ist Dozentin für Steuerrecht bei der DMA Deutsche Mittelstandsakademie sowie Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Steuerrecht im Deutschen Anwaltsverein.
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- Lohnsteuer- und Umsatzsteuerhaftung des Geschäftsführers
- Mindestlohn – Worauf hat der Steuerberater zu achten
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