Steuerberaterhaftung – Teil 09 – Besondere Pflichten aus dem Steuerberatervertrag, nachvertragliche Pflichten
Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
Monika Dibbelt
Rechtsanwältin
3.2.2.5 Auskunft
Von dem Beratungsauftrag ist der Auskunftsauftrag zu unterscheiden, der auf die Erlangung einer konkreten Information abzielt. Unterschieden werden muss, ob es sich bei dem Auskunftsauftrag um eine diagnostische oder eine prognostische Auskunft gehandelt hat.
Bei einem diagnostischen Auftrag ist der Steuerberater zu einer richtigen Auskunft verpflichtet. Die Auskunft muss umfassend sein. Ist sein Wissen hinsichtlich der Fragestellung lückenhaft, muss er seine Auskunft unter Vorbehalt erteilen.[1]
Beispiel
Mandant A ersucht Steuerberater B um Auskunft hinsichtlich der Erfolgsaussichten seines Prozesses gegen das Finanzgericht C. B hält den Erfolg für wahrscheinlich.
- Die Erfolgsaussichten kann B nur schätzen und nicht garantieren. Er muss zwar keine konkrete Prozentzahl nennen, für eine wahrheitsgemäße Auskunft muss er A allerdings über seine Bedenken bzgl. des Erfolgs (Prozessrisiko) aufklären.
Bei einem prognostischen Auftrag geht es um die Beurteilung der wirtschaftlichen Entwicklung eines Unternehmens oder des Risikos an dessen Beteiligung. Diese Auskünfte unterliegen nicht dem Richtigkeitsgebot, sondern müssen nur vertretbar sein.[2]
Beispiel
Mandant A möchte eine Auskunft des Steuerberaters B über das Risiko einer geplanten Beteiligung an einem Gewerbebetrieb. A möchte sich nur an einem rentablen Betrieb beteiligen. B hat Zweifel an der Rentabilität.
- B kann keine richtige Auskunft darüber treffen, ob der Gewerbebetrieb rentabel ist oder nicht, da es sich in diesem Fall um eine Prognose handelt. Über die Zweifel der Rentabilität des Betriebs muss B den A aufklären.
Ändern sich die Umstände des Falls nachträglich und wird die Auskunft des Steuerberaters dadurch unrichtig, muss er seinen Mandanten nicht darüber informieren, da der Auskunftsvertrag zum Zeitpunkt der Erteilung der Auskunft beendet ist.[3] Eine Ausnahme besteht dann, wenn eine entsprechende vertragliche Vereinbarung getroffen wurde oder wenn dem Mandanten ansonsten unverhältnismäßig hohe Schäden drohen.[4]
3.2.2.6 Prozessführung
Erhält der Steuerberater einen Auftrag zur Prozessführung, muss er den Mandanten auf die Risiken des Prozesses hinweisen.
Hierzu hat er
- den Sachverhalt im Hinblick auf das Prozessziel zu prüfen,
- den Mandanten zu befragen,Sachverhaltslücken aufzuklären und
- Beweismittel zusammenzutragen.[5]
In einem Prozess muss er alles Erforderliche tun, damit die Prozessführung erfolgreich ist. Hierzu gehört beispielsweise ein umfassender Sachvortrag und die Einhaltung der Fristen.
3.3 Nachvertragliche Pflichten
Die vertraglichen Pflichten des Steuerberaters enden grundsätzlich mit Beendigung des Mandats.
Zum Beispiel kann das Mandat durch
- Erledigung der in Auftrag gegebenen Tätigkeit,
- Kündigung oder
- einvernehmliche Aufhebung
beendet werden.
Wie das Mandat beendet wird, spielt keine Rolle.
Das Mandat muss der Steuerberater in allen Formen der Beendigung so abschließen, dass dem Mandant keine erkennbaren und vermeidbaren Schäden entstehen.[6] Durch diesen Grundsatz entstehen dem Steuerberater Pflichten, die über die Beendigung des Vertragsverhältnisses hinausgehen.
3.3.1 Hinweis-, Warn- und Aufklärungspflicht
Grundsätzlich hat der Mandant keinen Anspruch darauf, nach Mandatsende umfassend über die Sach- und Rechtslage aufgeklärt zu werden.[7] Eine Ausnahme besteht dann, wenn vom Mandanten ein offensichtlich drohender erheblicher Schaden abzuwenden ist, der mit der vorausgegangenen Vertragserfüllung zusammenhängt.[8] Dies gilt insbesondere dann, wenn der Steuerberater die Gefahr selbst mit verursacht hat.[9]
3.3.2 Herausgabepflicht und Löschung der Daten
Der Steuerberater ist verpflichtet, dem Mandanten alles, was er aus der Geschäftsbesorgung erlangt hat, herauszugeben (§§ 675 Abs. 1, 667 BGB). Aus der Geschäftsbesorgung erlangt ist jeder Vorteil, den der Steuerberater aufgrund eines inneren Zusammenhangs mit dem übernommenen Mandat erhalten hat.[10]
Beispiel
Mandant A bezahlt Steuerberater B einen Vorschuss in Höhe von 2.000,- € auf die von B zu erledigende Tätigkeit. Die endgültige Kostenrechnung beträgt 1.800,- €.
- B hat aufgrund der Differenz zwischen dem gezahlten Vorschuss und der endgültigen Kostenrechnung 200,- € zu viel von A erhalten. Diesen Vorteil muss er an A zurückzahlen.
Die Herausgabepflicht betrifft alle Dokumente, insbesondere solche aus der Handakte.[11] Verweigert der Steuerberater zu Unrecht die Rückgabe der vom Mandanten erhaltenen Unterlagen, haftet er dem Mandanten, wenn diesem daraus ein Schaden entsteht.[12] Zu Recht kann der Steuerberater die Herausgabe verweigern, wenn der Mandant noch nicht alle Gebühren und Auslagen für die konkrete Angelegenheit entrichtet hat (§ 273 BGB).[13]
Die Herausgabepflicht bezieht sich nicht auf das vertragliche Arbeitsergebnis, beispielsweise die Erstellung der Bilanz oder Steuererklärung, da der Steuerberater diese nicht erlangt hat, sondern sie Gegenstand des vertraglichen Erfüllungsanspruchs sind.[14] Diese Arbeitsergebnisse muss der Steuerberater nicht kostenlos herausgegeben.
3.3.3 Verschwiegenheit
Über das Mandatsende hinaus ist der Steuerberater zur Verschwiegenheit verpflichtet.[15]
[1] Gräfe/Lenzen/Schmeer, Steuerberaterhaftung, 5. Aufl. 2014, Rn. 340.
[2] Gräfe/Lenzen/Schmeer, Steuerberaterhaftung, 5. Aufl. 2014, Rn. 345.
[3] Vgl. BGH, Urteil vom 25.06.1973, II ZR 26/72.
[4] Vgl. BGH, Urteil vom 25.06.1973, II ZR 26/72.
[5] Vgl. Gräfe/Lenzen/Schmeer, Steuerberaterhaftung, 5. Aufl. 2014, Rn. 410.
[6] BGH, Urteil vom 28.11.1996, IX ZR 39/96.
[7] BGH, Urteil vom 01.02.1990, IX ZR 82/89.
[8] BGH, Urteil vom 01.02.1990, IX ZR 82/89.
[9] BGH, Urteil vom 28.11.1996, IX ZR 39/96.
[10] BGH, Urteil vom 17.10.1991, III ZR 352/89.
[11] Vgl. BGH, Urteil vom 17.02.1988, IVa ZR 262/86.
[12] Vgl. BGH, Urteil vom 27.09.2001 IX ZR 281/00.
[13] BGH, Urteil vom 17.02.1988 IVa 262/86.
[14] BGH, Urteil vom 11.03.2004, IX ZR 178/03.
[15] Vgl. zur Verschwiegenheitspflicht Kapitel 3.1.2.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Steuerberaterhaftung“ von Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, spezialisiert auf Steuerrecht, Monika Dibbelt, Rechtsanwältin, und Anika Wegner, wissenschaftliche Mitarbeiterin, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2016, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-51-9.

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Carola Ritterbach
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Stand: Januar 2016