Arztpraxis – Kauf und Übergang – Teil 10 – außerordentliche, Verdachts- und Änderungskündigung; Kündigungsschutz
Herausgeber / Autor(-en):
Harald Brennecke
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz
Brennecke Rechtsanwälte
Michael Kaiser
Rechtsanwalt
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
b. Außerordentliche Kündigung
Das Arbeitsverhältnis kann gem. § 626 I BGB von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist nach § 622 BGB gekündigt werden. Ein wichtiger Grund ist nach § 626 BGB zu bejahen, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Die außerordentliche Kündigung führt zu einer sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Der Anstellungsvertrag kann dabei erleichterte Kündigungsgründe vorsehen(Fußnote).
Die Kündigungserklärungsfrist beträgt gem. § 626 II BGB zwei Wochen. Sie ist eine Ausschlussfrist. Eine Wiedereinsetzung ist bei Fristablauf daher nicht möglich, d.h. nach Fristversäumung ist eine Kündigung aus wichtigem Grund unmöglich(Fußnote). Die Frist wird durch Zugang gewahrt, § 130 BGB(Fußnote). Die Zwei-Wochen-Frist beginnt zu laufen, sobald der Arbeitgeber sichere Kenntnis über die Art und Schwere der Pflichtverletzung, auf die die außerordentliche Kündigung beruht, erlangt hat(Fußnote). Werden Nachprüfungen für erforderlich gehalten, so müssen diese zügig durchgeführt werden, damit die Kündigungsfrist gewahrt bleibt(Fußnote).
Der zu kündigende Arbeitnehmer sollte mit der sofortigen Kündigung konfrontiert werden. Es ist ratsam ihm ein Hausverbot zu erteilen und aufzufordern die Praxis unverzüglich zu verlassen. Zu diesem Zweck sollte der Arbeitnehmer zu seinem Arbeitsplatz begleitet werden, damit er seine privaten Sachen holen kann und im Anschluss daran zum Ausgang geführt werden. Dem Arbeitnehmer eventuell ausgehändigte Sicherheitskarten und Schlüssel sind einzuziehen bzw. zu sperren.
Beispiele für Gründe einer außerordentlichen Kündigung:
- Diebstahl gem. § 242 StGB
- Betrug gem. § 263 BGB
- Untreue gem. § 266 StGB
- Beleidigung gem. § 185 StGB
- Tötungsdelikte gem. §§ 211, 212, 223 StGB
c. Verdachtskündigung
Oftmals kann die Begehung einer Straftat durch den Arbeitnehmer nicht einwandfrei vom Arbeitgeber bewiesen werden. Da aber in einem solchen Fall das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zerstört ist, bleibt dem Praxisinhaber die Möglichkeit der Verdachtskündigung(Fußnote). Weil gerade der Verdacht der Straftatbegehung ausreichend ist, müssen für die Rechtmäßigkeit dieser Kündigung strengere Voraussetzungen gelten. Eine entsprechende Kündigung ist nur dann wirksam, wenn sich starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen, sofern diese geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und wenn der Praxisinhaber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen hat. Dazu zählt insbesondere die Einräumung einer Stellungsnahme des Arbeitnehmers(Fußnote). Die Anhörung muss sich dabei auf einen konkreten Sachverhalt beziehen. Der Praxisinhaber hat dem Arbeitnehmer keine Erkenntnisse vorzuenthalten, anderenfalls kann sich dieser nicht substantiiert verteidigen. Bei weiteren Sachverhaltsermittlungen seitens des Praxisinhabers ist unter Umständen eine erneute Anhörung des betroffenen Arbeitnehmers erforderlich. Lässt sich der Arbeitnehmer z.B. ohne wichtigen Grund nicht ein oder trägt er einen verteidigenden Sachverhalt lediglich pauschal vor, so stellt die unterlassene erneute Anhörung keine schuldhafte Pflichtverletzung des Arztes dar(Fußnote).
Unterlässt er die Sachverhaltsaufklärung oder die Anhörung des Arbeitnehmers, führt dies zu einem Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. In einem späteren Prozess kann sich der Praxisinhaber nicht auf den Verdacht einer Straftatbegehung stützen.
d. Änderungskündigung
Der neue Praxisinhaber kann die arbeitsvertraglichen Bestimmungen vom Zeitpunkt des Übergangs an (also ohne Jahresfrist des § 613 a BGB) nur soweit ändern, wie der bisherige Inhaber. Die Änderung kann durch Änderungsvertrag, durch Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages oder durch Änderungskündigung erfolgen. Die Änderungskündigung hat schriftlich zu erfolgen mit der Besonderheit, dass gleichzeitig mit der fristgerechten Kündigung im gleichen Schreiben dem Arbeitnehmer ein Angebot eines neuen Arbeitsverhältnisses zu geänderten Vertragsbedingungen zu machen ist.
Der Arbeitnehmer hat in einem solchen Falle drei Möglichkeiten auf die Kündigung zu reagieren:
- der Arbeitnehmer kann das Angebot annehmen. In diesem Fall greifen die neuen Vertragsbedingungen mit Ablauf der Kündigungsfrist
- der Arbeitnehmer kann das Angebot auch ablehnen mit der Folge, dass nach Ablauf der Kündigungsfrist das bestehende Arbeitsverhältnis endet. Der Arbeitnehmer kann in diesem Fall die Kündigung durch Erhebung einer Kündigungsschutzklage vor dem örtlich zuständigen Arbeitsgericht überprüfen lassen
- die dritte Reaktionsmöglichkeit des Arbeitnehmers ist die Annahme unter Vorbehalt. Der Arbeitnehmer erhält seinen Arbeitsplatz und kann vom Arbeitsgericht überprüfen lassen, ob er zu den alten Vertragsbedingungen weiter beschäftigt werden muss oder ob die Änderungskündigung gerechtfertigt war und er mit Ablauf der Kündigungsfrist zu den neuen Vertragsbedingungen weiterbeschäftigt wird.
4. Kündigungsschutz
Für die Wirksamkeit einer Kündigung ist letztlich entscheidend, dass kein Kündigungsschutz zu Gunsten des Arbeitnehmers eingreift. Im Folgenden werden für einen Inhaber einer Arztpraxis die für ihn am häufigsten auftretenden Konstellationen, in dem ein Kündigungsschutz des Arbeitnehmers eingreift, dargestellt:
a. Mutterschutzgesetz
Es besteht ein Kündigungsschutz der werdenden Mutter. Während der Schwangerschaft und bis zu vier Monaten nach der Geburt ist eine Kündigung nicht möglich, wenn der Arbeitgeber von der Schwangerschaft der Arbeitnehmerin wusste oder innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Kündigung von der Schwangerschaft erfuhr. Die Arbeitnehmerin ihrerseits kann sich von dem Vertrag durch Kündigung oder Aufhebungsvertrag lösen.
b. Elternzeit
Im Anschluss der Mutterschutzfrist folgt oftmals die Elternzeit, früher bekannt als Erziehungsurlaub. Sie steht nicht nur der Mutter des Kindes, sondern auch dessen Vater und sonstigen Personen zu. Ab dem Jahr 2001 besteht die Möglichkeit, dass beide Elternteile gleichzeitig die Elternzeit in Form von Teilzeitbeschäftigung in Anspruch nehmen können. Vom Gesetzgeber ist keine gesetzliche Vorgabe hinsichtlich der Einteilung der Elternzeit vorgenommen worden. Den Anspruchsberechtigten stehen unzählige Möglichkeiten offen.
Bei der Elternzeit ist folgendes zu beachten: Arbeitnehmer in oder unmittelbar vor Antritt der Elternzeit genießen einen besonderen Kündigungsschutz nach § 18 BEEG. Eine Arbeitgeberkündigung ist in dieser Zeit nicht möglich. Dies gilt in gleicher Weise für Anspruchsberechtigte in Teilzeitbeschäftigung, § 18 II BEEG.
Der Kündigungsschutz bzw. das Kündigungsverbot greift ab dem Zeitpunkt der Beantragung der Elternzeit, allerdings frühestens 8 Wochen vor Antritt der Elternzeit, § 18 I BEEG. Das Kündigungsverbot erstreckt sich auf den gesamten Zeitraum der Elternzeit. Eine fehlerhafte Inanspruchnahme durch den Anspruchsteller ist dabei unerheblich, so zum Beispiel im Fall der verspäteten Antragstellung zu einem späteren Beginn der Elternzeit.
c. Schwerbehinderte
Auch Schwerbehinderte genießen einen Kündigungsschutz. Schwerbehindert sind Personen ab einem Grad der Behinderung (GdB) von 50. Das Versorgungsamt ist für die Ausstellung des Schwerbehindertenausweises zuständig. Ab einem GdB von 30 findet auf Antrag des Betroffenen eine Gleichstellung statt. Die örtlich zuständige Bundesagentur für Arbeit hat über den Antrag auf Gleichstellung zu entscheiden.
Für körperlich, seelisch oder geistig behinderte Personen gelten im Bereich der Kündigung abweichende Regelungen: Bei der Kündigung eines Schwerbehinderten oder einer gleichgestellten Person innerhalb der ersten sechs Monate der Einstellung ist eine Information an das örtlich zuständige Integrationsamt erforderlich. Nach Ablauf der sechs Monate hat das Integrationsamt der Kündigung zuzustimmen. Dabei ist es unerheblich, ob es sich um eine fristgemäße oder fristlose Kündigung handelt.
5. Aufhebungsvertrag
Zur Vervollständigung ist kurz auf die Möglichkeit eines Aufhebungsvertrages hinzuweisen. Das Arbeitsverhältnis kann ohne Kündigung aufgrund eines Aufhebungsvertrages zwischen den Vertragsparteien beendet werden, § 311 BGB. Im Gegensatz zur Kündigung besteht der Aufhebungsvertrag aus zwei korrespondierenden Willenserklärungen, d.h. der Kündigende (bisherige oder neue Praxisinhaber) und der gekündigte Arbeitnehmer sind sich über die Beendigung des Arbeitverhältnisses einig.
Ein Aufhebungsvertrag ist vorteilhaft für den Arbeitgeber, denn das bestehende Arbeitsverhältnis kann ohne Berücksichtigung
- allgemeiner Kündigungsvorschriften
- von Sonderkündigungsschutzvorschriften z.B. im Falle von Schwangeren und Schwerbehinderten
- von Kündigungsfristen
beendet werden.
Für den Arbeitnehmer bestehen die Vorteile eines Aufhebungsvertrages in der
- sofortigen Möglichkeit einer neuen Jobsuche,
- Annahme eines neuen Angebots,
- Möglichkeit, sich mit dem Arbeitgeber über einzelne Fragen vorab zu einigen, wie etwa über den Zeugnisinhalt, die Zahlung einer Abfindung oder die Angabe von Beendigungsgründen im Zeugnis,
- Möglichkeit einer Geldzahlung.
Der Aufhebungsvertrag birgt allerdings für den Arbeitnehmer auch Nachteile. Aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers ergibt sich, dass dieser auf eine Sperrfrist nach § 159 SGB III und der Minderung der Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld nach § 148 SGB III hinzuweisen hat.
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Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Arztpraxis – Kauf und Ãœbergang“ von Harald Brennecke, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, Michael Kaiser, auf Arztrecht spezialisierter Rechtsanwalt, und Carola Ritterbach, auf Steuerrecht spezialisierte Rechtsanwältin, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2016, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-53-3.
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Harald Brennecke
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Michael Kaiser
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Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
Stand: Januar 2016
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Harald Brennecke, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz
Rechtsanwalt Harald Brennecke ist im Datenschutzstrafrecht als Strafverteidiger tätig.
Rechtsanwalt Brennecke hat zum Datenschutzrecht veröffentlicht:
- „17 UWG – Betriebsgeheimnisse und Verrat durch (ehemalige) Mitarbeiter“, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-38-0
- "Einführung in das Datenschutzrecht", Kapitel im E-Business Handbuch für Entscheider, 2. Aufl., ISBN 3.540-43263-9, 2002, Springer-Verlag
Folgende Veröffentlichung von Rechtsanwalt Brennecke ist in Vorbereitung:
- Einführung in das Datenschutzstrafrecht
Rechtsanwalt Brennecke war an der IHK Karlsruhe als Dozent für Datenschutzrecht tätig. Er ist Dozent für Datenschutzrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare zu den Themen:
- Schutz von Kundenadressen und Geschäftsgeheimnissen – 17 UWG in Theorie und Praxis
- Datenschutzstrafrecht
- Datenschutz in Franchisesystemen – Die unterschätzte Gefahr für Franchisesysteme
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Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht
Rechtsanwältin Ritterbach berät und vertritt bei allen Fragen zum Handel am Kapitalmarkt. Dies umfasst nicht nur die Handelsobjekte des Kapitalmarktes im engeren Sinne, wie Aktien, Schuldverschreibungen, Aktienzertifikate, Genussscheine und Optionsscheine sondern auch die Handelsobjekte des grauen Kapitalmarktes, wie Anteile an Publikumspersonengesellschaften. Rechtsanwältin Ritterbach bietet ihre Beratung und Prozessvertretung im Kapitalmarktrecht Anlegern von Kapitalanlagen zur Geltendmachung von Ansprüchen aus Prospekthaftung oder fehlerhafter Anlageberatung sowie Unternehmern an. Diese unterstützt sie beispielsweise bei der kapitalmarktrechtlichen Compliance, denn nicht nur bei der erstmaligen Emission von Wertpapieren hat der Emittent Informations- und Berichtspflichten einzuhalten. Finanzanlagenvermittlern bietet Rechtsanwältin Ritterbach Beratung und Vertretung vor allem im Bereich der Berufsausübungspflichten, der Gewerbeerlaubnis sowie der Dokumentation ihrer beruflichen Tätigkeiten.
Rechtsanwältin Carola Ritterbach ist Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht und absolviert derzeit den Fachanwaltskurs für Steuerrecht.
Carola Ritterbach hat zum Kapitalmarktrecht veröffentlicht:
- „Die Beraterhaftung im Kapitalmarktrecht“, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-30-4
Rechtsanwältin Ritterbach ist Dozentin für Kapitalmarktrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie sowie Mitglied der Arbeitsgemeinschaften Bank- und Kapitalmarktrecht und Steuerrecht im Deutschen Anwaltsverein.
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