Sportrecht – Eine Einführung für Sportler und Vereine – Teil 14 – Beschränkungen und Schranken der Verbandsautonomie bzw. Vereinsautonomie durch Berücksichtigung rechtsstaatlicher Grundsätze
2.6.2 Beschränkungen und Schranken der Verbandsautonomie bzw. Vereinsautonomie durch Berücksichtigung rechtsstaatlicher Grundsätze
Vereinsautonomie bzw. Verbandsautonomie bedeutet, dass sowohl die einzelnen Vereine, als auch die Verbände, dass selbstgesetzte Satzungsrecht und Ordnungsrecht gegenüber den einzelnen Mitglieder anwenden dürfen.
Eine hierbei zu vermutende Unbeschränktheit bezüglich der Regelungsgewalt und Ordnungsgewalt der Vereine und Verbände ist allerdings nicht gegeben.
Die verbandsautonome und vereinsautonome Festlegung des Regelwerks findet nämlich dort ihre Grenze, wo vor allem rechtsstaatliche Grundsätze verletzt werden.(Fußnote) Unter diesen rechtsstaatlichen Grundsätzen versteht man u.a. den Bestimmtheitsgrundsatz, das Rückwirkungsverbot, das Verbot der Doppelbestrafung, das Verhältnismäßigkeitsgebot, sowie das Erfordernis der Mitteilung und Begründung.
2.6.2.1. Das Bestimmtheitsgebot
Das Regelwerk und Organisationswerk, sowie vor allem die einzelnen Sanktionstatbestände samt Rechtsfolge müssen hinreichend bestimmt sein.
Hinreichend bestimmt ist eine Regelung bzw. ein Sanktionstatbestand dann, wenn der Sportler ohne Zweifel und größere Interpretationsmöglichkeit erkennen kann, ob und wie ein Fehlverhalten von ihm durch die entsprechenden Organe sanktioniert wird. Er muss also sofort wissen, ob bspw. eine Verwarnung, eine Geldstrafe, ein Platzverbot, eine Sperre oder ein Ausschluss durch sein fehlerhaftes Handeln droht.(Fußnote)
Vereine und Verbände sind demnach in ihrer Regelungsgewalt und Ordnungsgewalt grundsätzlich frei, müssen allerdings beachten, dass die von ihnen autonom festgelegten Regeln nicht zu weit ausgelegt bzw. zu ungenau verstanden werden können.
2.6.2.2. Rückwirkungsverbot
Eine Tat kann nur dann bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die tatsächliche Tat begangen wurde.
Folglich darf eine Regelungsänderung durch einen Verein oder ein Verband erst zu einer Bestrafung für ein Vergehen in der Zukunft und nicht rückwirkend auf vergangenes Fehlverhalten des Sportlers führen.(Fußnote)
2.6.2.3. Verbot der Doppelbestrafung
Ein weiteres rechtsstaatliches Grundsatzprinzip ist dasjenige des Verbots der Doppelbestrafung. Dieser Grundsatz macht bereits anhand seiner Bezeichnung deutlich, welchen Zweck er erfüllen soll. Somit darf ein Sportler für ein fehlerhaftes Verhalten bspw. nicht von dem Weltverband bestraft werden, wenn er bereits schon zuvor von dem nationalen Verband sanktioniert wurde.
2.6.2.4. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
Einer der wichtigsten rechtsstaatlichen Grundsätze, ist der der Verhältnismäßigkeit. Erteilt der Sportverband oder der Sportverein eine Strafe, so besteht automatisch ein Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit eines Lizenzsportlers,(Fußnote) aber vor allem ein Eingriff in die Handlungsfreiheit eines Amateursportlers.(Fußnote)
Ein solcher Eingriff ist nur dann zulässig, wenn u.a. der entsprechende Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt wird. Damit der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz tatsächlich eingehalten wird, muss der Eingriff geeignet, erforderlich und angemessen sein.
Dabei ist die Geeignetheit und Erforderlichkeit meist zu bejahen, da vor allem die Merkmale der Gleichberechtigung, Chancengleichheit und Gesundheit durch entsprechende Sperren geschützt werden sollen.(Fußnote) Ein Eingriff in Form einer Sperre muss allerdings neben der Geeignetheit und Erforderlichkeit auch angemessen sein. Unangemessen wäre eine Sanktion dann, wenn bspw. eine Sperre wegen eines weniger schwerwiegenderen Vergehens nicht weniger lang wäre, als eine Sperre wegen eines gewichtigeren Vergehens. Ein grobes Foulspiel darf z.B. nicht schwerwiegender bzw. länger bestraft werden, als eine Tätigkeit (z.B. Faustschlag ins Gesicht des Gegners beim Fußballspiel). Sollte dies doch der Fall sein, so ist die Bestrafung nicht verhältnismäßig und damit gleichzeitig unwirksam.
2.6.2.5. Begründungs- und Mitteilungserfordernis
Wird dem Sportler eine Sanktion bzw. Strafe erteilt, so muss diese durch Verein oder Verband dem Sportler schriftlich mitgeteilt und begründet werden. Liegt eine Spielsperre wegen eines bspw. groben Foulspiels vor, so wird die Begründungserfordernis und Mitteilungserfordernis allerdings meist so gehandhabt, dass der strafaussprechende Verband den jeweiligen Verein über die Dauer der Sperre informiert und dieser wiederum den Sportler darüber benachrichtigt. Eine direkte Begründungserfordernis und Mitteilungserfordernis ist demnach nicht zwingend. Durch die Begründung soll der Betroffene erkennen, warum die Strafe verhängt wurde und vor allem woraus sich die Einzelheiten (z.B. Dauer, Länge, etc.) der individuellen Sanktion ergeben.(Fußnote)
2.6.3. Zusammenfassung
Die Verbandsautonomie und Vereinsautonomie ist die Grundlage für die Ordnungsgewalt und Strafregelungsgewalt der einzelnen Verbände und Vereine. Man spricht auch gerne von einer sogenannten allgemein anerkannten privaten Rechtssetzungsbefugnis bzw. auch oft von einer sportrechtlichen Privatautonomie.
Trotz dieser autonomen Handlungsfähigkeit bzw. Handlungsfreiheit und Regelungsfreiheit sind auch die einzelnen Ordnungswerke und Regelungswerke der Vereine und Verbände nicht schrankenlos bzw. grenzenlos.
Im Gegenteil, auch hier bedarf es der Berücksichtigung der rechtsstaatlichen Grundsätze, wie dem Bestimmtheitsgebot, dem Rückwirkungsverbot, dem Verbot der Doppelbestrafung, der Wahrung des Verhältnismäßigkeitsprinzips sowie dem Erfordernis der Mitteilung und Begründung einer Strafsetzung.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Sportrecht – Eine Einführung für Sportler und Vereine“ von Michael Kaiser, auf Vertriebsrecht spezialisierter Rechtsanwalt, und Franco Caputo, wissenschaftlicher Mitarbeiter, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2015, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-54-0.
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Kontakt: kaiser@brennecke-rechtsanwaelte.deStand: Januar 2015