Die strafbefreiende Selbstanzeige – Teil 15 – Kenntnis von der Entdeckung bzw. mit der Entdeckung rechnen müssen
Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
Monika Dibbelt
Rechtsanwältin
Jens Bierstedt
LL.B., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter
5.6.2 Kenntnis von der Entdeckung bzw. mit der Entdeckung rechnen müssen
Die strafbefreiende Selbstanzeige ist nach § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO ausgeschlossen, wenn der Steuerpflichtige im Zeitpunkt der Selbstanzeige die nach objektiven Kriterien zu bestimmende Entdeckung positiv kannte oder mit ihr rechnen musste.
5.6.2.1 Kenntnis von der Entdeckung
Eine Kenntnis von der Entdeckung liegt vor, wenn der Täter aus den ihm nachweislich bekannten Tatsachen nachweislich den Schluss gezogen hat, dass eine Behörde oder ein Dritter von seiner Tat so viel erfahren hat, dass bei vorläufiger Tatbewertung seine Verurteilung wahrscheinlich ist. Unerheblich ist, ob diese Kenntnis auf eigener Wahrnehmung oder auf Informationen Dritter beruht. Es kommt lediglich auf die Kenntnis an.
Beispiel(Fußnote)
In der Steuererklärung des A wird im Rahmen des Realsplittings von ihm gezahlter Ehegattenunterhalt als Sonderausgaben geltend gemacht. Er versichert seinem Steuerberater, dass die angesetzten Beträge von seinem Privatkonto geflossen sind. Die geschiedene Ehefrau E teilt dem Finanzamt mit, dass sie keinen Unterhalt von A bekommen hat. Mit A nimmt die E keinen Kontakt auf. Die zuständige Sachbearbeiterin des Veranlagungsfinanzamts nimmt auf der Grundlage der Mitteilung der E mit dem Steuerberater des A telefonisch Kontakt auf und teilt mit, dass nach Auskunft der E Ehegattenunterhalt tatsächlich nicht gezahlt worden ist. Es bestehe der Verdacht der Steuerhinterziehung. Daraufhin nimmt der Steuerberater zu A Kontakt auf und fragt, ob die Zahlungen über ein privates Konto geflossen seien, er finde sie auf den ihm bekannten Konten nicht. A gesteht seinem Steuerberater, dass die angeblichen Zahlungen tatsächlich nicht erfolgt sind. Dieser schreibt nun an das Finanzamt und teilt mit, dass die Ehegattenunterhaltszahlungen versehentlich angesetzt wurden und die Steuerbescheide daher entsprechend geändert werden müssten.
- Die Selbstanzeige des Steuerberaters ist wirksam ergangen, da es nicht auf die Kenntnis von ihm ankommt, sondern die des Steuerpflichtigen A und dieser noch keine Kenntnis von der Entdeckung der Tat durch das Finanzamt hatte.
Die irrtümliche Annahme, die Tat sei entdeckt, schließt die Straffreiheit einer Selbstanzeige nicht aus. Ob der Anzeigenerstatter Kenntnis von der Entdeckung hatte, obliegt allein der Finanzbehörde, denn auch hier gilt der Grundsatz „in dubio pro reo“.
Beispiel
Nachdem der Bundesnachrichtendienst im Jahre 2006/2007 steuerlich und steuerstrafrechtlich relevante Daten auf einer CD von einem ehemaligen Angestellten einer Liechtensteinischen Bank gekauft hat, erstattet ein Steuerbürger eine Selbstanzeige mit folgendem Wortlaut: „Die L…-Bank hat mir mitgeteilt, dass auf Grund einer internen Rasterung feststeht, dass ich einer der Steuerpflichtigen bin, die auf der CD sind, die der BND angekauft hat. …“
- Damit hat der Steuerpflichtige zu erkennen gegeben, dass er Kenntnis um die Tatentdeckung hatte. Allerdings ist die Tat damit noch nicht entdeckt und der Steuerpflichtige kann eine wirksame Selbstanzeige abgeben.
5.6.2.2 Mit der Entdeckung hätte „Rechnen müssen“
Der Kenntnis von der Tatentdeckung steht es gleich, wenn der Täter bei verständiger Würdigung der Sachlage mit der Entdeckung rechnen musste. Mit der Entdeckung rechnen müssen bedeutet, dass der Täter aus den ihm nachweislich bekannten Tatsachen den Schluss auf die Entdeckung der Tat hätte ziehen müssen. Demnach ist von Bedeutung, ob der Täter aufgrund seiner persönlichen Erkenntnis- und Urteilsfähigkeit in der konkreten Situation in der Lage war, die Tatentdeckung zu erkennen.
Hinsichtlich des mit der Tatentdeckung rechnen müssen gilt der Grundsatz in dubio pro reo. Bleibt zweifelhaft, ob der Täter von der Tatentdeckung Kenntnis gehabt haben konnte, wirkt sich dies zu Gunsten der Selbstanzeigenden aus.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Die strafbefreiende Selbstanzeige“ von Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, spezialisiert auf Steuerrecht, Monika Dibbelt, Rechtsanwältin, und Jens Bierstedt LL.M., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2016, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-47-2.

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Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
Monika Dibbelt
Rechtsanwältin
Jens Bierstedt
LL.B., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter
Stand: Januar 2016