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Das Widerrufsrecht – Teil 12 – Besondere Vorschriften für den Direktvertrieb und den Fernabsatz

4.2 Besondere Vorschriften für den Direktvertrieb und den Fernabsatz

Bei den Vorschriften zu den besonderen Vertriebsformen handelt es sich um spezielle Vorschriften, die gegenüber den allgemeinen Regeln aus § 355 BGB vorrangig sind (lex specialis). Insbesondere in Bezug auf den Fristbeginn ergeben sich hier Abweichungen im Verhältnis zu den allgemeinen Regeln.

4.2.1 Widerrufserklärung (Muster–Widerrufsformular)

Gemäß § 356 Abs.1 S. 1 BGB kann der Unternehmer dem Verbraucher die Möglichkeit einräumen, den Widerruf auf der Homepage des Unternehmers mittels dem vom Gesetzgeber zur Verfügung gestellten Muster - Widerrufsformular zu erklären (Anlage 2 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB). Dieses muss der Verbraucher in zutreffender Weise ausfüllen und rechtzeitig an den Unternehmer übermitteln. Eine Verpflichtung zur Nutzung des Musters besteht nicht.

Macht der Verbraucher vom Muster - Widerrufsformular gebrauch, muss der Unternehmer den Zugang der Widerrufserklärung unverzüglich auf einem dauerhaften Datenträger bestätigen. Unverzüglich bedeutet, dass dies ohne schuldhaftes Zögern geschehen muss. Dies entspricht nach Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs regelmäßig einer Obergrenze von maximal zwei Wochen.(Fußnote) Es kommt jedoch auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls an! Eine konkrete Frist kann so nicht bestimmt werden. Die Fristlänge kann im Einzelfall daher auch weniger als 14 Tage betragen, in einem anderen Fall können mehr als 14 Tage angemessen sein. Es geht im Ergebnis vielmehr um die Einhaltung einer angemessenen Frist.

Die Bestätigung dient dem Beweiszweck. Die Nutzung des Widerrufsformulars ist von Vorteil für beide Seiten. Der Unternehmer kann dadurch auf seiner Internetseite eine automatisierte Rückabwicklung vornehmen. Der beweispflichtige Verbraucher erhält umgehend eine Bestätigung des Zugangs.

4.2.2 Widerrufsfrist

Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage ab dem Vertragsschluss. Sie wird jedoch nur dann bei Vertragsschluss ausgelöst, wenn dem Verbraucher zusätzlich eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung zugegangen ist (§ 356 Abs. 3 S. 1 i.V.m. Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB). Um den Fristablauf nicht unnötig zu verzögern, sollte der Unternehmer die Widerrufsbelehrung bei Vertragsschluss ordnungsgemäß durchführen. Tut er dies nicht, sollte der Unternehmer die Widerrufsbelehrung schnellstens nachholen. Dann läuft die Widerrufsfrist erst 14 Tage nach der tatsächlich erfolgten Widerrufsbelehrung ab.

Erfolgt die Belehrung gar nicht oder nur unvollständig oder fehlerhaft, so wird die Widerrufsfrist gar nicht ausgelöst. Der Unternehmer setzt sich dann einer verlängerten Widerrufsfrist aus. Ein unendliches Widerrufsrecht steht dem Verbraucher dabei jedoch auch dann nicht zu, wenn der Unternehmer keine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung nachholt. Das Widerrufsrecht erlischt spätestens 12 Monate und 14 Tage nach dem Vertragsschluss (§§ 356 Abs. 3 S. 2 Var. 2 i.V.m. § 355 Abs. 2 S. 2 BGB).

4.2.2.1 Fristauslösung beim Kauf beweglicher Sachen

Bei einem Kauf beweglicher Sachen (Verbrauchsgüterkauf) beträgt die Widerrufsfrist 14 Tage. Sie beginnt ab dem Zeitpunkt, in dem der Verbraucher oder ein von ihm benannter Dritter die Ware erhalten hat (§ 356 Abs. 2 Nr. 1a BGB) und eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung durchgeführt wurde (§ 356 Abs. 3 S. 1 BGB). Fehlt es an einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung, so erlischt das Widerrufsrecht spätestens 12 Monate und 14 Tage nachdem der Verbraucher die Ware erhalten hat (§§ 356 Abs. 3 S. 2 Var. 1 i.V.m. § 356 Abs. 2 BGB). Da der Warenerhalt durch den Verbraucher, das primär fristauslösende Ereignis darstellt, muss die Widerrufsbelehrung nicht unbedingt bei Vertragsschluss erfolgen. Es ist ausreichend, wenn der Unternehmer die Widerrufsbelehrung der Ware beilegt, sodass der Erhalt der Ware mit dem Erhalt der Widerrufsbelehrung zeitlich zusammenfällt.

4.2.2.2 Fristauslösung bei der einheitlichen Bestellung mehrerer Waren

Hat der Verbraucher mehrere Waren einheitlich bestellt und werden diese getrennt geliefert, beginnt die Widerrufsfrist erst dann, wenn der Verbraucher die letzte Teillieferung erhalten hat (§ 356 Abs. 2 Nr. 1b BGB). Dies setzt den einheitlichen Bestellvorgang eines Vertrages voraus. Ein einheitlicher Bestellvorgang liegt vor, wenn über ein einheitliches Bestellformular oder einer einheitlichen Bestellmaske (Website) die Bestellung formuliert wird. Es ist jedoch nicht notwendig, dass ein funktioneller Zusammenhang zwischen den gelieferten Waren besteht.

Werden bei einem Bestellvorgang mehrere Verträge über bewegliche Sachen geschlossen, gilt, dass die Frist jeweils mit dem Erhalt der gelieferten Waren aus einem Vertrag ausgelöst wird (§ 356 Abs. 2 Nr. 1a BGB). Auf den Erhalt der zuletzt gelieferten Ware oder der vollständigen Erfüllung aller Verträge kommt es dann nicht mehr an, da diese einem anderen Vertrag zugeordnet wird.

Beispiel 1:
Der Verbraucher bestellt einen Schrank zusammen mit einem Regal im Internet. Wegen Lieferengpässen des Zulieferers, kann der Unternehmer am 10.10 zuerst nur den Schrank liefern. Das Regal wird am 17.10. nachgeliefert.

  • Die Bestellung der Möbel stellt eine einheitliche Bestellung des Verbrauchers dar. Dieser hat den Kaufvertrag in einem Bestellvorgang auf der Homepage des Unternehmers abgeschlossen. Das fristauslösende Ereignis stellt die letzte Teillieferung am 17.10. dar. Nach Maßgabe der Berechnungsregelung des § 187 Abs. 1 BGB ist der Tag in dem das für die Fristberechnung maßgebliche Ereignis stattfindet, nicht mitzurechnen. Damit wird die Widerrufsfrist erst am 18.10. ausgelöst und beträgt dann 14 Tage.

Beispiel 2:
Der Verbraucher bestellt im Internet ein Regal. Nach dem Abschluss der Bestellung entdeckt der Kunde, kurz vor dem Verlassen der Website, einen dazu passenden Tisch. Kurzerhand entschließt er sich, diesen ebenfalls zu bestellen. Das Regal wird dem Verbraucher am 10.10. geliefert. Den Tisch empfängt er erst am 17.10.

  • Es liegt keine einheitliche Bestellung vor. Der Verbraucher schließt mit dem Unternehmer zwei verschiedene Kaufverträge ab. Einen über das Regal und einen über den Tisch. Jedem Vertrag liegt eine eigene Widerrufsfrist zugrunde. Damit ist die Vorschrift des § 356 Abs. 2 Nr. 1a BGB anzuwenden, wonach die Widerrufsfrist eines jeden Vertrages mit dem Erhalt der jeweiligen Ware aus dem dazugehörigen Vertrag beginnt. Nach Maßgabe der Berechnungsregelung des § 187 Abs. 1 BGB beginnt die Widerrufsfrist für das Regal am 11.10. und für den Tisch am 18.10.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Das Widerrufsrecht“ von Harald Brennecke, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, Monika Dibbelt, Rechtsanwältin, und Pascal Schöning, Wirtschaftsjurist LL.B., mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2016, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-56-4.


 

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Stand: Januar 2016


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