Steuerberaterhaftung – Teil 16 – Zurechnungszusammenhang: Schutzbereich und Unterbrechung
Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
Monika Dibbelt
Rechtsanwältin
4.4.2 Zurechnungszusammenhang
Der Schaden muss dem Steuerberater zurechenbar sein. Der Zurechnungszusammenhang ist grundsätzlich bei jeder Pflichtverletzung gegeben, sofern diese geeignet ist, Vermögensnachteile des Mandanten zu bewirken.(Fußnote) Der Zurechnungszusammenhang ist nicht gegeben, wenn der Schaden ohne das schädigende Verhalten des Steuerberaters eingetreten wäre.
4.4.2.1 Schutzbereich der verletzten Vertragspflicht
Nach der Lehre von dem Schutzzweck der Norm, kann eine Schadensersatzpflicht nur dann bestehen, wenn und soweit der geltend gemachte Schaden nach seiner Art und Entstehungsweise in den Schutzbereich der verletzten Vertragspflicht fällt. Hierzu muss es sich bei dem Schaden um Nachteile handeln, die aus dem Bereich der Gefahren stammen, zu deren Abwendung die verletzte Vertragspflicht übernommen wurde.(Fußnote)
Beispiel
Mandant A und Steuerberater B schließen einen allgemeinen Beratungsauftrag. Hierbei vergisst B die steuerliche Beratung über eine Vermögensanlage. Die erstrebten Steuervorteile stellen sich trotzdem ein. Die Anlage erweist sich als schlecht, wodurch A Verluste in Höhe von 40 % erleidet.
- Die Beratungspflicht des B erstreckt sich auf die steuerliche Beratung. Dementsprechend fallen Nachteile, die nicht mit dem Bereich der steuerlichen Beratung in Zusammenhang stehen, nicht in den Schutzbereich der verletzten Vertragspflicht des B. Er haftet nicht dafür, dass die Vermögensanlage aus anderen Gründen nachteilig ist.
4.4.2.2 Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs
Der Zurechnungszusammenhang kann durch das Verhalten anderer Personen unterbrochen werden. Kommt es zu einer Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs haftet der Erstschädiger für den Schaden des Mandanten nicht. Dies ist jedoch nur in Ausnahmefällen der Fall. Regelmäßig stehen dem Mandanten vielmehr zusätzlich Haftende zur Verfügung.(Fußnote) Die Schädiger haften in diesem Fall als Gesamtschuldner.
4.4.2.2.1 Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs durch den Mandanten
Der Zurechnungszusammenhang kann durch eine Handlung des Mandanten unterbrochen werden. In diesem Fall wird ein selbstständiger Willensakt des Mandanten dem Steuerberater grundsätzlich zugerechnet. Eine Ausnahme besteht, wenn für die Handlung des Mandanten ein Anlass bestand und die Reaktion nicht völlig unangemessen war.(Fußnote)
Beispiel
Mandant A und dessen Ehefrau haben durch die fehlerhafte Beratung ihres Steuerberaters B von der Zusammenveranlagung (§ 26b EStG) Abstand genommen. Hierdurch entstand ihnen ein Steuerschaden in Höhe von 40.000,- €.
- Der Schaden beruht auf einem Willensentschluss des A und dessen Ehefrau, keine Zusammenveranlagung vorzunehmen. Dieser Entschluss ist auf die fehlerhafte Beratung des B zurückzuführen, da A und dessen Ehefrau durch die Beratung des B herausgefordert worden sind, sich gegen eine Zusammenveranlagung zu entscheiden. Das Befolgen eines Beratungsergebnisses ist eine typische Reaktion, so dass der Ursachenzusammenhang nicht unterbrochen wurde und der Steuerberater haftet.
4.4.2.2.2 Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs durch sonstige Dritte
Die Handlung eines Dritten kann den Zurechnungszusammenhang nur dann durchbrechen, wenn sich ein Dritter völlig ungewöhnlich und unverständlich verhält und dadurch der Schaden des Mandanten erst endgültig herbeiführt wird.(Fußnote)
Beispiel
Steuerberater B wurde von seinem Mandanten A mit der Erstellung einer Steuererklärung beauftragt. Diese erstellt B fehlerhaft. Vor Übersendung der Steuererklärung an das Finanzamt wechselt A den Steuerberater. Dem neuen Steuerberater C erteilt er einen allgemeinen Beratungsauftrag und bittet nochmals um Prüfung der Steuererklärung. Der Fehler des B wird übersehen.
- Sowohl B als auch C verhalten sich pflichtwidrig. Das Übersehen eines vorangegangenen Fehlers stellt kein völlig ungewöhnliches Verhalten dar. Dementsprechend durchbricht die Pflichtverletzung des C den Zurechnungszusammenhang zwischen der Pflichtverletzung des B und dem Schaden des A nicht. C haftet stattdessen zusätzlich.
4.4.2.2.3 Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs durch das Gericht
Zudem kommt eine Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs durch das Gericht in Betracht. Dazu muss der Schadensbeitrag des Gerichts gegenüber dem des Steuerberaters so weit überwiegen, dass der Beitrag des Steuerberaters hinter dem des Gerichts vollständig zurücktritt und kein innerer Zusammenhang mehr zwischen dem Schaden und der pflichtwidrigen Handlung des Steuerberaters besteht.(Fußnote)
Bespiel
Steuerberater B macht in einem Gerichtsprozess einen Fehler. Er erkennt den Fehler und korrigiert ihn noch in dem Prozess. Die Korrektur wird seitens des Gerichts nicht zur Kenntnis genommen. Der Fehler wird zur Grundlage der Entscheidung gemacht.
- Der Fehler des B wäre bei richtiger rechtlicher Beurteilung der Korrektur erfolglos geblieben. Der bereits behobene Fehler des B steht daher in keinem inneren Zusammenhang mehr mit der Fehlentscheidung des Gerichts. Der Zurechnungszusammenhang zwischen der Pflichtverletzung des B und dem Schaden wird durchbrochen. Der Mandant hat keinen Anspruch gegen B. Er kann nur Rechtsmittel gegen die fehlerhafte Entscheidung des Gerichts einlegen.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Steuerberaterhaftung“ von Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, spezialisiert auf Steuerrecht, Monika Dibbelt, Rechtsanwältin, und Anika Wegner, wissenschaftliche Mitarbeiterin, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2016, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-51-9.

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Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
Monika Dibbelt
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Stand: Januar 2016