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Steuerberaterhaftung – Teil 17 – Hypothetische Reserveursache, Rechtmäßiges Alternativverhalten, Beweislast

4.4.2.3 Hypothetische Reserveursache

Eine hypothetische Reserveursache besteht, wenn der tatsächlich durch den Steuerberater verursachte Schaden in gleicher Höhe durch einen anderen Umstand (Reserveursache) herbeigeführt worden wäre.(Fußnote) Die Reserveursache kann sich nicht mehr auf den Schaden auswirken.

Beispiel
Steuerberater B wurde von Mandant A beauftragt, ein Gutachten zur steuerlich günstigen Übertragungsmöglichkeit seines Betriebsgrundstücks zu erstellen. Hierbei unterlag B einer fehlerhaften Rechtsauffassung, sodass die stillen Reserven des Grundstücks aufgedeckt und besteuert wurden. Vier Monate später gibt A den Betrieb auf.

  • Durch die Aufgabe des Betriebs hätte A die stillen Reserven des Grundstücks sowieso aufdecken müssen, so dass die Steuer ohnehin entstanden wäre. Der Zurechnungszusammenhang entfällt, weil die Besteuerung durch die Betriebsaufgabe in der gleichen Weise erfolgt wie die Besteuerung durch die Übertragung des Betriebsgrundstücks.

4.4.2.4 Rechtmäßiges Alternativverhalten

Ein rechtmäßiges Alternativverhalten liegt vor, wenn der Schaden des Mandanten auch ohne das pflichtwidrige Verhalten des Steuerberaters eingetreten wäre.(Fußnote) In diesem Fall hätte der Steuerberater eine pflichtgemäße Handlung vornehmen können und der Schaden wäre trotzdem eingetreten.

Beispiel
Steuerberater B hat die Einspruchsfrist des Steuerbescheides seines Mandanten A versäumt. Der Steuerbescheid des A war aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen fehlerfrei.

  • Dadurch, dass der Steuerbescheid des A fehlerfrei war, wäre ein fristgerechter Einspruch von vornherein ohne Aussicht auf Erfolg gewesen. Die Höhe der Steuer stellt somit keinen Schaden dar.

4.4.3 Beweislast

Grundsätzlich trägt der Mandant die Beweislast und muss sowohl die Kausalität zwischen der Pflichtverletzung und dem Schaden(Fußnote) als auch den Zurechnungszusammenhang beweisen (§ 287 ZPO). Das Gericht entscheidet unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung, ob der Schaden durch die Pflichtverletzung entstanden ist. Zugunsten des Mandanten gilt grundsätzlich die Vermutung (Anscheinsbeweis), dass er sich beratungsgemäß verhalten hätte.(Fußnote) Diese Vermutung gilt nicht, wenn die Interessenlage des Mandanten oder die konkreten Umstände einen bestimmten Entschluss des Mandanten als wahrscheinlicher erscheinen lassen.

Beispiel
Mandant A hat Steuerberater B zur Erstellung eines Gutachtens über die steuerlich günstige Umgestaltung seines Unternehmens beauftragt. Für A wäre die GmbH die steuergünstigste Unternehmensform gewesen. Dies übersieht B aufgrund eines Fehlers, sodass A sein Unternehmen nicht in eine GmbH umwandelt.

  • Sofern keine Gründe vorhanden sind, warum A sein Unternehmen nicht in eine GmbH hätte umwandeln sollen, gilt der Anscheinsbeweis, dass sich A beratungsgemäß verhalten und sein Unternehmen in eine GmbH umgewandelt hätte.

Beispiel
Steuerberater B weist seinen Mandanten A nicht darauf hin, dass die Veräußerung eines Grundstücks nach einer Wartefrist von zehn Jahren steuergünstig erfolgen kann. A verkauft das Grundstück nach neun Jahren.

  • Selbst wenn B den A auf die Wartefrist hingewiesen hätte, kann davon ausgegangen werden, dass A das Grundstück verkauft hätte, da zusätzlich Liquiditätsgründe oder ein guter Verkaufspreis für den Verkauf des Grundstücks sprechen können. Anders verhält es sich dann, wenn andere Gründe durch die Umstände des Einzelfalls ausgeschlossen werden können.

Diesen Anscheinsbeweis kann der Steuerberater entkräften, wenn er Tatsachen beweist, die für ein atypisches Verhalten des Mandanten sprechen. Hierzu reicht es aus, wenn er Umstände aufzeigt, die einen atypischen Kausalverlauf für möglich erscheinen lassen. Ferner trägt der Steuerberater die Beweislast, wenn er einwendet, der Schaden wäre ohne sein Verhalten eingetreten, d.h. in den Fällen der hypothetischen Reserveursache und des rechtmäßigen Alternativverhaltens.(Fußnote)

Zu einer Beweislastumkehr kommt es, wenn eine Partei Dokumente vernichtet oder vernichten lässt, obwohl erkennbar ist, dass den Dokumenten eine Beweisfunktion zukommen kann.(Fußnote) Das Verhalten soll keine beweisrechtlichen Vorteile erbringen.(Fußnote)


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Steuerberaterhaftung“ von Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, spezialisiert auf Steuerrecht, Monika Dibbelt, Rechtsanwältin, und Anika Wegner, wissenschaftliche Mitarbeiterin, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2016, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-51-9.


 

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Kontakt: ritterbach@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2016


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