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Die Gesellschafterversammlung: Ein Leitfaden – Teil 18 – Nichtigkeitsgründe

8.3.1.3 Gesetzesverstöße

Werden mit einem Gesellschafterbeschluss gesetzliche Vorschriften, die ausschließlich oder überwiegend im öffentlichen Interesse stehen oder den Schutz von Gläubigern bezwecken, verletzt, sind diese Beschlüsse nichtig (§ 241 Nr. 3 Alt. 2 AktG analog).

Als derartige Vorschriften kommen in Betracht:

  • Regelungen über die Kapitalaufbringung (Gläubigerschutz)
  • Vorschriften über die Firma (Verkehrsschutz)
  • Bestellung eines Geschäftsführers unter Nichtbeachtung der Vorschriften über die erforderliche Integrität, § 6 Abs. 2 GmbHG (Verkehrs- und Gläubigerschutz)
  • Vorschriften des Mitbestimmungsgesetzes (Grundrecht der Koalitionsfreiheit) sowie
  • kartellrechtliche Vorschriften (Wettbewerbsschutz).(Fußnote)

Beispiel
Die Gesellschafterversammlung der X GmbH beschließt, den mehrfach wegen Wirtschaftsdelikten vorbestraften G zum Geschäftsführer zu bestellen.

  • Weil G nicht die erforderliche Integrität (§ 6 Abs. 2 GmbHG) aufweist, ist der Beschluss nichtig.

Beispiel
Die Gesellschafter der X GmbH beschließen, unter dem Namen "Bundesrepublik Deutschland GmbH" zu firmieren.

  • Weil mit diesem Firmennamen der Eindruck erweckt wird, es handele sich bei der Gesellschaft um eine staatliche Institution, ist dieser Beschluss nichtig.

8.3.1.4 Sittenverstoß

Ein Beschluss der gegen die guten Sitten verstößt, also das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verletzt, ist nichtig (§ 241 Nr. 4 AktG analog). Dies kann bereits dann der Fall sein, wenn ein Gesellschafter seine Macht missbraucht oder durch den Beschluss die Rechte Dritter unverhältnismäßig berührt werden.(Fußnote) Die Sittenwidrigkeit muss dabei in dem Beschluss zu erkennen sein; rein sittenwidrige Motive eines einzelnen Gesellschafters reichen in der Regel nicht aus.(Fußnote)

Beispiel
Mehrheitsgesellschafter A stimmt für einen Antrag, wonach ausschließlich ihm eine Gewinnausschüttung zuteilwerden soll. Die anderen Gesellschafter stimmen dagegen.

  • A hat dadurch seine vorherrschende Stellung als Mehrheitsgesellschafter missbraucht, dass die Kapitalbeteiligung der anderen Gesellschafter bei künftigen Gewinnausschüttungen unbeachtet bleiben soll. Ein solcher Beschluss verstößt gegen die guten Sitten und ist daher nichtig.

8.3.1.5 Unvereinbarkeit mit dem Wesen der GmbH

Eine geringe Rolle in der Praxis spielt die Regelung des § 241 Nr. 3 AktG analog, wonach Beschlüsse nichtig sind, die mit dem "Wesen der GmbH" unvereinbar sind.

Dies ist der Fall bei

  • Beschlüssen, die in nicht entziehbare Minderheitenrechte eingreifen (zum Beispiel das Einberufungsrecht der Gesellschafterversammlung nach § 50 GmbHG)
  • Beschlüssen, die Informationsrechte beschneiden (zum Beispiel das Auskunfts- und Einsichtsrecht nach § 51a GmbHG)
  • Beschlüssen, die nicht entziehbare Rechte der Gesellschafter entziehen (zum Beispiel das Recht zur Teilnahme an der Gesellschafterversammlung nach § 48 GmbHG) oder
  • Beschlüssen, die das Recht zur Anfechtung von Gesellschafterbeschlüssen verkürzen.

8.3.1.6 Weitere Nichtigkeitsgründe

Nichtig sind zudem Beschlüsse die in einem durch Gesetz oder Gesellschaftervertrag nicht vorgesehenen Verfahren zustande gekommen sind.(Fußnote)

Beispiel
Geschäftsführer G lässt über einen Antrag per E-Mail abstimmen, obwohl dies im Gesellschaftsvertrag ausdrücklich untersagt ist, da Gesellschafter R über keinen E-Mail-Account verfügt.

  • Der Beschluss ist nichtig.

Darüber hinaus sind wirksam angefochtene bzw. aus dem Handelsregister gelöschte Gesellschafterbeschlüsse nichtig und entfalten demnach keine Rechtswirkung (mehr), § 241 Nr. 5 und 6 AktG.(Fußnote)

Beispiel
Gesellschafter B hat sich erfolgreich vor Gericht gegen einen Beschluss der Gesellschafterversammlung gewehrt. Der angegriffene Beschluss wurde aufgehoben.

  • Folglich entfaltet der Beschluss keine Rechtswirkung mehr.

Im Rahmen von Kapitalerhöhungsmaßnahmen kennt das GmbH-Recht spezielle Nichtigkeitstatbestände in §§ 57j S. 2, 57n Abs. 2 S. 3 und 4 GmbHG. Danach sind insbesondere Beschlüsse nichtig, nach denen die neuen Geschäftsanteile in einem anderen Verhältnis als die alten auf die Gesellschafter verteilt werden sollen oder Beschlüsse über Kapitalerhöhungen, die nicht binnen drei Monaten nach der Beschlussfassung in das Handelsregister eingetragen worden sind.

Beispiel
Die Gesellschafterversammlung beschließt, dass Rücklagen in Stammkapital umgewandelt werden sollen, dabei jedoch Gesellschafter A, der bisher 34 % des Stammkapitals hielt, künftig 40 % halten soll.

  • Der Beschluss ist nichtig (§ 57j S. 2 GmbHG).

Praktisch weniger bedeutsame Nichtigkeitsgründe finden sich darüber hinaus in § 250 AktG analog (Fehler bei der Zusammensetzung des Aufsichtsrats), § 253 AktG analog (Beschlüsse über die Verwendung des Bilanzgewinns sind nichtig, wenn die Feststellung des Jahresabschlusses nichtig ist) sowie § 256 AktG analog (inhaltliche Fehler des Jahresabschlusses).(Fußnote)


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Die Gesellschafterversammlung: Ein Leitfaden“ von Harald Brennecke, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, und Dipl.-Jur. Marc Schieren, M. L. E., mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2016, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-50-2.


 

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Stand: Januar 2016


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Herausgeber / Autor(-en):

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Rechtsanwalt Harald Brennecke ist Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Fachanwalt für Insolvenzrecht.

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  • Auseinandersetzungen zwischen Gesellschaftern
  • Liquidation von Gesellschaften
  • Firmenkäufen
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  • Geschäftsführerverträgen
  • Sanierung, Insolvenzvermeidung und Insolvenzbegleitung:
    Harald Brennecke ist seit 1999 im Bereich der Unternehmenssanierung tätig. Als Fachanwalt für Insolvenzrecht berät und begleitet er Sanierungen und betreut Geschäftsführer und Gesellschafter bei Firmeninsolvenzen. Er unterstützt Geschäftsführer in der Unternehmenskrise hinsichtlich der für sie bestehenden Haftungsrisiken sowie Gesellschafter im Interesse der Wahrung der Unternehmenswerte. Er unterstützt bei der Suche nach Investoren und Wagniskapitalgebern (venture capital), begleitet Verhandlungen und erstellt Investorenverträge.


Rechtsanwalt Harald Brennecke hat im Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht veröffentlicht:

  • "Das Recht der GmbH", Verlag Mittelstand und Recht, 2015, ISBN 978-3-939384-33-5
  • "Der Gesellschaftsvertrag der GmbH - Die GmbH-Satzung in Theorie und Praxis", 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-40-3
  • "Der Unternehmenskauf -  Rechtliche Risiken bei Kauf und Verkauf mittelständischer Unternehmen", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-18-2
  • "Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-29-8
  • "Gesellschaftsrecht in der Insolvenz", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-26-7
  • "Die Limited in der Insolvenz", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-34-2
  • "Der Insolvenzplan – Sanierungsinstrument in der Insolvenz", 2007, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-03-8
  • "Die Regelinsolvenz - Insolvenz für Unternehmer und Unternehmen", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-07-6
  • "Gesellschafterinteressen in der Publikums-KG: Auskunftsrechte der Kommanditisten einer Publikums-KG gegen Treuhänder“, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-28-1
  • "Die Gesellschafterversammlung: Ein Leitfaden", Harald Brennecke und Dipl.-Jur. Marc Schieren, M. L. E., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-50-2
  • "Arztpraxis – Kauf und Übergang", Harald Brennecke und Michael Kaiser, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-54-0

Folgende Veröffentlichungen von Rechtsanwalt Brennecke sind in Vorbereitung:

  • Die Due Diligence – Rechtliche Prüfung beim Unternehmenskauf
  • Die Liquidation der Kapitalgesellschaft
  • Die Unternehmergesellschaft (UG)

Harald Brennecke ist Dozent für Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie und Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht im DeutscherAnwaltVerein.  
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare unter anderem zu den Themen:

  • Gesellschaftsrecht für Steuerberater und Unternehmensberater – Grundlagen des Gesellschaftsrechts
  • Gesellschaftsvertragsgestaltung – Grundlagen und Risiken
  • Die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) – kleine Chance, großes Risiko
  • Welche Gesellschaftsform ist die Richtige? Vor- und Nachteile der Rechtsformen für Unternehmer
  • Geschäftsführerhaftung – Geschäftsführung von Kapitalgesellschaften; das letzte große Abenteuer der westlichen Zivilisation
  • Insolvenzrecht für Gründer und lebende Unternehmen: Aus Insolvenzen anderer lernen heißt das eigene Insolvenzrisiko zu vermeiden
  • Unternehmenssanierung: Kopf aus dem Sand! Wer zu spät reagiert, reagiert nie wieder.
  • Insolvenzrecht für Steuerberater – Grundlagen des Insolvenzrechts für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer
  • Insolvenzrecht für Unternehmensberater – Sanierungschancen erkennen und wahren
  • Insolvenzberatung: das (enorme) Haftungsrisiko des Sanierungsberaters

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