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Steuerstrafrecht – Strafbarkeit der Organe in Unternehmen – Teil 20 – Die Selbstanzeige

8 Die Selbstanzeige

Die Selbstanzeige ist die Möglichkeit des Täters, doch noch Straffreiheit für eine bereits von ihm begangene Steuerstraftat zu erlangen. An diese Möglichkeit sind jedoch hohe Anforderungen gestellt.(Fußnote)

8.1 Die Selbstanzeige nach § 371 AO

Die Selbstanzeige nach § 371 AO bietet Steuerpflichtigen, die eine Steuerhinterziehung begangen oder versucht haben, die Möglichkeit, nach der Begehung noch Straffreiheit zu erlangen. Die Selbstanzeige ist ein sogenannter persönlicher Strafausschließungsgrund. Das heißt, Straffreiheit kann nur derjenige, der selbst in seiner Person alle Voraussetzungen des § 371 AO erfüllt.

Nach der Rechtsprechung verfolgt die Möglichkeit der Selbstanzeige primär den Zweck, den Willen zur Rückkehr in die Steuerehrlichkeit zu honorieren.(Fußnote) Dies soll Anreizwirkung für andere mögliche Steuertäter ausstrahlen. Daneben spielen monetäre Interessen eine Rolle. Der Fiskus erschließt sich durch die Selbstanzeige bislang unerkannte Steuerquellen in nicht geringer Höhe.

8.1.1 Voraussetzungen

Voraussetzungen für eine wirksame Selbstanzeige und die damit verbundene Straffreiheit sind nach § 371 Absatz 1 AO:

  • die Berichtigung unrichtiger Angaben bzw.
  • die Ergänzung unvollständiger Angaben oder
  • unterlassener Angaben.

Im Fall bereits eingetretener Steuerverkürzung oder erlangter Steuervorteile ist zusätzlich kumulativ die Nachentrichtung der hinterzogenen Steuern innerhalb einer bestimmten Frist notwendig. Daneben darf keiner der in § 371 Absatz 2 AO genannten Sperrgründe vorliegen.

8.1.1.1 Steuerstraftat

Voraussetzung für die Erlangung der Straffreiheit ist die Begehung einer Steuerhinterziehung in den Varianten des § 370 AO oder eine leichtfertige Steuerhinterziehung nach § 378 Absatz 3 AO. In allen anderen Fällen ist lediglich eine Berichtigung nach § 153 AO vorgesehen, was praktisch aber ohne hohe Relevanz ist, da § 370 AO den Großteil der Fälle abdeckt. In § 153 AO geht es um die Berichtigung von Erklärungen vor Ablauf einer Festsetzungsfrist. Erkennt ein Steuerpflichtiger nachträglich vor Ablauf der Festsetzungsfrist unrichtige oder unvollständige Angaben, die eine Steuerverkürzung zur Folge haben (könnte), so ist er verpflichtet, dies unverzüglich anzuzeigen und richtig zu stellen. Ist die Festsetzungsfrist abgelaufen, bleibt dann nur die Möglichkeit einer Selbstanzeige.

8.1.1.2 Person

Da die Selbstanzeige einen persönlichen Strafausschließungsgrund darstellt, tritt dessen Wirkung auch nur bei demjenigen ein, der selbst berichtigt beziehungsweise ergänzt oder nachholt. Grundsätzlich ist eine Stellvertretung möglich, wobei gemäß der Rechtsprechung ein ausdrücklicher Auftrag durch den Täter oder Teilnehmer erforderlich ist.(Fußnote) Auch an eine versteckte Stellvertretung ist zu denken, bei der der Name des anderen Täters nicht nach außen hervortritt.(Fußnote) Nicht möglich ist jedoch eine nachträgliche Genehmigung des Täters, sofern ein Vertreter ohne Befugnis zuvor gehandelt hat.

8.1.1.3 Inhalt

Es reicht für eine wirksame Selbstanzeige nicht aus, dass unrichtiges Verhalten eingeräumt wird oder die bloße Ankündigung, man werde sich selbst anzeigen. Vielmehr muss der Steuerpflichtige die Angaben machen, die er zu einem früheren Zeitpunkt schon bei ordnungsgemäßer Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten hätte machen müssen. Dies sind in der Regel die entsprechenden Besteuerungsgrundlagen, sprich die Zahlenangaben, nach denen die Steuer korrekt berechnet werden kann. Es reicht aber auch aus, einen Sachverhalt so umfassend darzulegen, dass die Finanzbehörde ohne weitere Ermittlungen in die Lage versetzt wird, korrekte Berechnungen anzustellen und damit die tatsächlichen Steuern festzusetzen.

Weiter wird vorausgesetzt, dass die Angaben zu allen nicht verjährten Steuerstraftaten einer Steuerart in vollem Umfang berichtigt bzw. ergänzt werden. Werden Angaben bezüglich der gleichen Steuerart nur hinsichtlich einzelner, nicht aber hinsichtlich aller noch nicht verjährter Jahre berichtigt, ist die Selbstanzeige unwirksam. Sind verschiedene Steuerarten betroffen, so ist die Selbstanzeige für jede Art gesondert zu betrachten.

Beispiel
Der Unternehmer U hat über die letzten zwei Jahre hinweg unrichtige Einkommenssteuer- und Umsatzsteuererklärungen eingereicht. Als in den Medien ein Bericht erscheint, in dem von verstärkten Kontrollen im Bereich der Einkommenssteuer die Rede ist, entschließt er sich, sich hinsichtlich seiner unrichtigen Einkommenssteuererklärungen vollständig und umfassend anzuzeigen. Die Selbstanzeige ist wirksam und rechtzeitig. Von den Umsatzsteuererklärungen, die unrichtig waren, erzählt er nichts, da er seine Begehungsweise für "wasserdicht" hält. Die Ermittler kommen jedoch durch einen Fehler seines Geschäftspartners auf die Spur der gefälschten Belege, die zu den unrichtigen Umsatzsteuererklärungen geführt haben.

  • U hat sich hinsichtlich seiner Verfehlungen die Einkommenssteuer betreffend umfassend angezeigt und damit Straffreiheit erlangt nach § 371 AO. Dies stellt ihn jedoch nicht hinsichtlich der hinterzogenen Umsatzsteuerbeträge straffrei, weswegen eine vollendete Steuerhinterziehung zu bejahen ist.

Stellt sich nur eine einzige Angabe nach Abgabe der Selbstanzeige als nicht korrigiert heraus, erlischt die Straffreiheit mit rückgreifender Wirkung. Das heißt auch eine bereits bestätigte Selbstanzeige kann unwirksam werden, sofern sich Informationen zum Sachverhalt ändern, beispielsweise wenn die Fahnder durch sonstige Ermittlungen von weiteren hinterzogenen Steuern erfahren. Für den Anzeigenden ist die Situation damit noch ungünstiger als zuvor. Denn mit der unwirksamen Selbstanzeige gilt die Steuerstraftat als entdeckt im Sinne von § 371 Absatz 2 AO. Eine erneute, vollständige Selbstanzeige ist damit nicht möglich.

Eine Ausnahme bildet die unbewusste Unvollständigkeit. Diese lässt die Wirksamkeit dann nicht entfallen, wenn die Unvollständigkeit als geringfügig angesehen wird. Das soll nach der Rechtsprechung dann der Fall sein, soweit die Abweichung maximal 5% oder weniger beträgt.(Fußnote) Solche unbewussten Abweichungen kommen dadurch zustande, dass man für eine zeitnahe Einreichung einer Selbstanzeige unter Umständen nicht alle Unterlagen vorliegen hat, und daher realistische Schätzungen über die hinterzogenen Summen herangezogen werden.

Beispiel(Fußnote)
Der Geschäftsführer G der X-GmbH hat eine Steuerhinterziehung in Ausübung der Erfüllung seiner Steuerpflicht im Namen der X-GmbH begangen. In seiner hastig erstellten Selbstanzeige erklärt er Besteuerungsgrundlagen nach, die zu einer "Mehrsteuer" von 94.500 € führen. Nach einer umfassenden Ermittlung der Staatsanwaltschaft kommt raus, dass die tatsächlich Summe 100.000 € beträgt.

  • Der Geschäftsführer G hat sich einer Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall strafbar gemacht, da der hinterzogene Betrag 50.000 € überschreitet. Die durch die Rechtsprechung anerkannte Maximaltoleranz beträgt 5%, also 100.000 € x 5% = 5.000 €. Die Selbstanzeige ist damit als unwirksam, da die 5%-Grenze bei der unvollständigen Abgabe überschritten wurde.
8.1.1.4 Form und korrekter Adressat

Explizite Formvorgaben gibt es nicht. Weder muss ein amtlicher Vordruck verwendet werden, noch muss die Nachricht an die Behörden überhaupt mit „Selbstanzeige“ betitelt sein. Die Nachricht kann mündlich oder schriftlich erfolgen. Die Selbstanzeige ist bei den Finanzbehörden einzureichen. Staatsanwaltschaft und Polizei sind dabei keine Finanzbehörden im Sinn des § 371 AO. Wer gegenüber diesen Behörden meldet, riskiert die sogenannte Tatentdeckung, die dann einen möglichen Ausschluss der Selbstanzeige nach § 371 Absatz 2 Nr. 2 AO zur Folge hat.

Maßgeblich ist allein die Kenntnisnahme der im jeweiligen Fall für die konkrete Steuerart sachlich und örtlich zuständigen Finanzbehörde.(Fußnote) Nur diese Finanzbehörde richtiger Adressat der Selbstanzeige.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Steuerstrafrecht – Strafbarkeit der Organe in Unternehmen“ von Monika Dibbelt, Rechtsanwältin, Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, spezialisiert auf Steuerrecht, und Alexander Mayr, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2016, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-48-9.


 

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Stand: Januar 2016


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Rechtsanwältin Carola Ritterbach absolviert derzeit den Fachanwaltskurs Steuerrecht. Sie berät Gesellschafter und Unternehmer bei der steuerlichen Gestaltung von Gesellschaften und Unternehmen. Sie begleitet Betriebsprüfungen und vertritt bei Finanzgerichtsstreitigkeiten mit dem Finanzamt oder vor Finanzgerichten.  Rechtsanwältin Ritterbach berät und vertritt bei Steuerselbstanzeigen und Steuerstrafverfahren.  Sie erstellt Unternehmensbewertungen und begleitet Unternehmenskäufe bzw. Unternehmensverkäufe aus steuerrechtlicher Sicht.
Sie berät bei der Gestaltung von Erbschaften und Schenkungen zur Vermeidung unnötiger Erbschaftssteuer und entwirft Vermögensübertragungskonzepte. 
Sie berät hinsichtlich steuerlicher Auswirkungen von Insolvenzen. Dabei prüft und beantragt sie Steuererlasse zum Zweck der Unternehmenssanierung oder für insolvente Steuerschuldner sowie die nachträgliche Aufteilung
on Steuern im Fall der Zusammenveranlagungen bei Insolvenzen einzelner Ehepartner.
Rechtsanwältin Ritterbach ist Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht und ist seit vielen Jahren im Bereich Bankrecht tätig. Steuerliche Fragen bei Finanzierungsgeschäften treffen daher ihr besonderes Interesse.

Carola Ritterbach hat im Steuerrecht veröffentlicht:

  • Bilanzierung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-49-6
  • Steuerstrafrecht – Strafbarkeit der Organe in Unternehmen, Monika Dibbelt, Carola Ritterbach und Alexander Mayr, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-48-9
  • Die strafbefreiende Selbstanzeige, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-47-2
  • Besteuerung Personengesellschaften, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-52-6
  • Steuerberaterhaftung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Anika Wegner, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-51-9
  • Erbschaftssteuer- und Schenkungssteuerrecht: Das Recht der Erbschafts- und Schenkungssteuer. Möglichkeiten zur Verringerung der Steuerbelastung bei Erbschaften und Schenkungen, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-16-8,
  • Die Haftung für Steuerschulden, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-39-7

Weitere Veröffentlichungen von Rechtsanwältin Ritterbach im Steuerrecht sind in Vorbereitung, so

  • Änderung von Steuerbescheiden – Wann darf das Finanzamt einen Steuerbescheid aufheben oder korrigieren

Carola Ritternach ist Dozentin für Steuerrecht bei der DMA Deutsche Mittelstandsakademie sowie Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Steuerrecht im Deutschen Anwaltsverein.
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  • Lohnsteuer- und Umsatzsteuerhaftung des Geschäftsführers
  • Mindestlohn – Worauf hat der Steuerberater zu achten
  • Die Umsatzsteuer – eine kauf- und leasingrechtliche Betrachtung
  • Die steuerliche Organschaft – Was wird wo versteuert?
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