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Das Widerrufsrecht – Teil 21 – Wertersatzansprüche

5.2.6 Wertersatzansprüche

Sofern der Verbraucher Waren in einem verschlechterten Zustand zurückgibt, hat er für die Verschlechterung gegenüber dem Unternehmer einen Wertersatz zu leisten. Eine Wertersatzpflicht des Verbrauchers kann auch bei Dienstleistungs- und Energielieferverträgen entstehen, wenn mit der Umsetzung des Vertrages durch den Unternehmer noch vor Ablauf der Widerrufsfrist begonnen wird und der Verbraucher den Vertrag dann widerruft.

5.2.6.1 Bei Waren

Erleidet die Ware einen Wertverlust, der auf den Umgang mit der Ware durch den Verbraucher zurückzuführen ist, muss der Verbraucher dafür haften (§ 357 Abs. 7 Nr. 1 BGB). Dies betrifft jedoch nur einen solchen Wertverlust, der auf einem unsachgemäßen Umgang beruht. War die Benutzung der Ware für die Prüfung ihrer Beschaffenheit und Funktionen nicht notwendig, liegt ein unsachgemäßer Umgang vor.

Zur Prüfung ihrer Eigenschaften ist es dem Verbraucher erlaubt, mit der Ware so umzugehen, wie er es im üblichen Ladengeschäft tun dürfte. Dazu gehört nicht nur die Inaugenscheinnahme, sondern auch eine Ingebrauchnahme.(Fußnote) Die Wertersatzpflicht entfällt, wenn die Ware einen Wertverlust erleidet, der gewöhnlicher Weise auch bei einem sachgemäßen Umgang eintritt.(Fußnote) Eine Prüfung von Waren, bei denen eine Ingebrauchnahme nicht üblich ist, führt dagegen sofort zur Wertersatzpflicht.(Fußnote) Eine weitere Voraussetzung ist, dass der Verbraucher über sein Widerrufsrecht ordnungsgemäß belehrt wurde (§ 357c Abs. 7 Nr. 2 BGB, Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB).

Beispiel
Der Verbraucher bestellt eine Winterjacke über den Versandhandel. Die Jacke möchte er am Wochenende beim Skifahren ausprobieren. Die Winterjacke hat nach ein paar Stürzen einen kleinen Riss davongetragen. Nachdem der Verbraucher von der Qualität nicht begeistert war, entschließt er sich, seine Willenserklärung zu widerrufen und schickt die Jacke zurück.

  • Das Nutzen der Jacke zum Skifahren stellt keinen sachgemäßen Umgang mit der Ware i.S.v. § 357 Abs. 7 Nr. 1 BGB dar. Ein Funktionstest der Jacke wäre ebenso ohne die Skifahrt möglich gewesen. Ein Funktionstest im üblichen Ladengeschäft wäre das Anprobieren der Jacke gewesen.
    Hätte der Verbraucher die Jacke lediglich Zuhause anprobiert und wären dabei leichte Gebrauchsspuren durch die Betätigung des Reißverschlusses entstanden, würde dies keine Wertersatzpflicht begründen. Der Verbraucher darf Kleidungsstücke anprobieren, jedoch nicht gebrauchen (tragen).


5.2.6.2 Bei Dienstleistungen und Energielieferungen

Bei Dienstleistungs- oder Energielieferungsverträgen ist der Verbraucher dem Unternehmer gegenüber zum Wertersatz verpflichtet, wenn mit der Leistungserbringung seitens des Unternehmers vor Ablauf der Widerrufsrist auf ausdrücklichem Wunsch des Verbrauchers begonnen wurde und der Verbraucher den Vertrag widerrufen hat (§ 357 Abs. 8 S. 1 BGB). Die Wertersatzpflicht kann nur dann entstehen, wenn der Verbraucher im Rahmen der Widerrufsbelehrung über diese informiert wurde (§ 357 Abs. 8 S. 1 BGB, Art. 246 § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 und Nr. 3 EGBGB). Für die Ermittlung des Wertersatzes ist der vereinbarte Gesamtpreis maßgebend (§ 357 Abs. 8 S. 5 BGB). Dieser ist dann anteilig zu errechnen.

Beispiel 1
Der Verbraucher verlangt ausdrücklich von einem Stromanbieter, unverzüglich nach Vertragsschluss, mit der Energieversorgung zu beginnen. Daraufhin informiert der Unternehmer den Verbraucher noch vor Vertragsschluss darüber, dass Wertersatz zu leisten ist, sofern nach Beginn der Vertragsausführung der Verbraucher seine Willenserklärung widerruft. So steht es in der Widerrufbelehrung des Unternehmers. Am dritten Tag nach Vertragsschluss fließt der elektrische Strom zum Verbraucher nach Hause. Als der Verbraucher einige Tage später ein wesentlich günstigeres Angebot eines anderen Stromanbieters entdeckt, widerruft er den abgeschlossenen Vertrag noch innerhalb der 14-tägigen Widerrufsfrist. Der Verbraucher bezog letztlich 6 Tage lang elektrischen Strom vom Unternehmer.

  • Da der Unternehmer bereits damit begonnen hat Energie zu liefern, und er den Verbraucher im Rahmen der Widerrufsbelehrung ordnungsgemäß über die Wertersatzpflicht informiert hat, schuldet der Verbraucher dem Unternehmer einen Wertersatz für die bis zum Widerruf gelieferte Energie. Denn eine Herausgabe der erhaltenen Energie ist aufgrund ihrer Natur nicht möglich. Der Verbraucher hat daraufhin einen anteiligen Wertersatz vom vereinbarten Gesamtpreis zu leisten.

Beispiel 2
Der Verbraucher bestellt per Telefon einen Maler für das Streichen seiner Wohnung. Dies findet bereits einen Tag nach Vertragsschluss statt, nachdem der Verbraucher dies ausdrücklich verlangt hat. Nachdem der Maler einen Teil der Wohnung gestrichen hat, widerruft der Verbraucher den Vertrag. Ein Konkurrent des Malers hat ihm kurzerhand angeboten, die andere Wohnungshälfte rund 20 % günstiger zu streichen. Eine Widerrufs- und Wertersatzbelehrung hat nicht stattgefunden.

  • Eine wichtige Voraussetzung ist, dass der Verbraucher über eine mögliche Wertersatzpflicht und sein Widerrufsrecht informiert wurde. Da dies nicht geschah, bleibt der Maler auf seinen Unkosten sitzen. Der Wertersatzanspruch für die bis zum Widerruf erbrachte Leistung des Malers entfällt gem. § 357 Abs. 8 S. 2 BGB.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Das Widerrufsrecht“ von Harald Brennecke, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, Monika Dibbelt, Rechtsanwältin, und Pascal Schöning, Wirtschaftsjurist LL.B., mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2016, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-56-4.


 

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Stand: Januar 2016


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