Die Europäische Aktiengesellschaft (SE) als Rechtsform für mittelständische Unternehmen – Teil 02 – Besonderheiten der SE
Herausgeber / Autor(-en):
Harald Brennecke
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz
Brennecke Rechtsanwälte
2.3 Besonderheiten der SE
Die SE als supranationale Rechtsform weist im Gegensatz zu anderen Rechtsformen Besonderheiten auf:
- Wahl des Leitungssystems
- Grundsatz der Mehrstaatlichkeit
- Grenzüberschreitende Sitzverlegung
- Mitbestimmungsregelung
2.3.1 Wahl des Leitungssystems
Die SE ist die einzige Rechtsform, bei der die Möglichkeit besteht, zwischen folgenden zwei Leitungssystemen zu wählen:
- dualistisches Leitungssystem
- monistisches Leitungssystem
Das dualistische Leitungssystem hat ähnlich einer deutschen Aktiengesellschaft einen zweigliedrigen Aufbau, bestehend aus Vorstand (§§ 76 ff. AktG) und Aufsichtstrat (§§ 95 ff. AktG). Das sog. Leitungsorgan der SE nimmt die Rolle des Vorstandes einer Aktiengesellschaft ein und führt gem. Art. 39 SE-VO die Geschäfte in eigener Verantwortung.(Fußnote) Das Aufsichtsorgan gleicht dem Aufsichtsrat und überwacht im dualistischen System gem. Art. 40 SE-VO die Tätigkeit des Leitungsorgans.(Fußnote)
Bei dem monistischen Modell werden Geschäftsführung und Kontrolle von ein und demselben Organ ausgeübt, dem sog. Verwaltungsrat. Das Organ ist dazu ermächtigt, die Geschäfte zu führen und gleichzeitig zu überwachen.(Fußnote) Neben dem Verwaltungsrat existieren in einer monistisch strukturierten SE sog. geschäftsführende Direktoren, die im Gegensatz zum Verwaltungsrat keine Überwachungsfunktion ausüben, sondern mit der Führung der laufenden Geschäfte betraut sind.(Fußnote)
Zentrale Vorschrift hinsichtlich der Organisationsverfassung der SE ist Art. 38 b SE-VO. Demnach entscheidet die SE in ihrer Satzung, ob sie das dualistische System (Aufsichtsorgan und Leitungsorgan) oder ein monistisches System (Verwaltungsorgan) als Leitungsstruktur in Anspruch nimmt. Die Möglichkeit eines nachträglichen Wechsels der Leitungssysteme ist ebenfalls gegeben.
2.3.2 Gemeinschaftszugehörigkeit und Mehrstaatlichkeitserfordernis
Die SE als europäische Rechtsform zeichnet sich unter anderem durch das Merkmal der Gemeinschaftszugehörigkeit aus. Für die Gründung einer SE sind sowohl die Gemeinschaftszugehörigkeit als auch die Mehrstaatlichkeit ausschlagende Faktoren.
2.3.2.1 Gemeinschaftszugehörigkeit
Grundsätzlich müssen die Gesellschaften, um das Erfordernis der sog. Gemeinschaftszugehörigkeit zu erfüllen, nach dem Recht eines Mitgliedstaates gegründet worden sein. Zu den Mitgliedstaaten zählen alle Staaten gem. Art. 299 EGV und Mitgliedsstaaten des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) sowie Island, Liechtenstein und Norwegen. Dabei müssen Sitz und Hauptverwaltung in der Gemeinschaft liegen. Die Notwendigkeit, dass sowohl Sitz und Hauptversammlung, in demselben Mitgliedsstaat liegen, besteht nicht.
2.3.2.2 Mehrstaatlichkeit
Ebenso setzt die Gründung einer SE das formelle Erfordernis der Mehrstaatlichkeit i.S.d. Art 2 I SE-VO voraus. Je nach Gründungsform ist das Merkmal unterschiedlich ausgestaltet. Bei Ausgründung einer Tochter-SE wird auf das Erfordernis der Mehrstaatlichkeit verzichtet.
Es sind zwei Formen der Mehrstaatlichkeit zu unterscheiden:
- „Echte Mehrstaatlichkeit“ i.S.d. Art 2 I SE-VO
- „Eingeschränkter Mehrstaatlichkeit“ i.S.d. Art. 2 II SE-VO
2.3.2.2.1 Echte Mehrstaatlichkeit
In Fällen der "echten Mehrstaatlichkeit" müssen bei Gründungsformen mit mehr als einem Gründer mindestens zwei Unternehmen dem Recht verschiedener Mitgliedsstaaten unterliegen. Innerstaatliche Verschmelzungen genügen nicht.
Beispiel
Der Wurstproduzent W-AG mit Sitz in Tschechien möchte sich mit der Restaurantkette "Wurst Hochzwei" H-GmbH mit Sitz in München zu einer neuen SE, der WH-SE verschmelzen.
- Die Gründungsunternehmen, sowohl die W-AG als auch die H-GmbH, unterliegen dem Recht unterschiedlicher Mitgliedsstaaten, sodass das Mehrstaatlichkeitserfordernis gewahrt ist. Es liegt eine sog. "echte Mehrstaatlichkeit" vor. Die W-AG und die H-GmbH könnten somit zu einer neu gegründeten SE verschmelzen.
2.3.2.2.2 Eingeschränkte Mehrstaatlichkeit
Bei Gründung einer Holding gem. Art 2 II SE-VO müssen mindestens zwei Gründungsgesellschaften dem Recht unterschiedlicher Gründungsstaaten unterliegen oder seit mindestens zwei Jahren eine dem Recht eines anderen Mitgliedsstaates unterliegende Tochtergesellschaft oder Zweigniederlassung in einem anderen Mitgliedsstaat bestehen. Wenn diese Voraussetzzungen gegeben sind, liegt eine sog. "eingeschränkte Mehrstaatlichkeit" vor.
Beispiel
Der Schuhproduzent X-AG mit Sitz in Deutschland möchte sich mit dem Schuhgroßhandel Y-AG, auch mit Sitz in Deutschland zu einer SE firmieren. Die X-AG hat seit 10 Jahren eine Tochtergesellschaft in Griechenland, insbesondere für die Herstellung von Lederschuhen.
- Die Gründungsunternehmen, sowohl die X-AG als auch die Y-AG, unterliegen dem Recht desselben Mitgliedsstaates, sodass das Mehrstaatlichkeitserfordernis nicht gewahrt wäre. Da die X-AG jedoch eine Tochtergesellschaft in einem anderen Mitgliedsstaat besitzt, liegt eine sog. "eingeschränkte Mehrstaatlichkeit" vor. Die X-AG und die Y- AG könnten somit eine Holding-SE gründen.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Die Europäische Aktiengesellschaft (SE) als Rechtsform für mittelständische Unternehmen“ von Harald Brennecke, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, und Sarah Schwab, Wirtschaftsjuristin LL.M., mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-60-1.
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Stand: Januar 2017
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Rechtsanwalt Harald Brennecke ist Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Fachanwalt für Insolvenzrecht.
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Harald Brennecke ist seit 1999 im Bereich der Unternehmenssanierung tätig. Als Fachanwalt für Insolvenzrecht berät und begleitet er Sanierungen und betreut Geschäftsführer und Gesellschafter bei Firmeninsolvenzen. Er unterstützt Geschäftsführer in der Unternehmenskrise hinsichtlich der für sie bestehenden Haftungsrisiken sowie Gesellschafter im Interesse der Wahrung der Unternehmenswerte. Er unterstützt bei der Suche nach Investoren und Wagniskapitalgebern (venture capital), begleitet Verhandlungen und erstellt Investorenverträge.
Rechtsanwalt Harald Brennecke hat im Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht veröffentlicht:
- "Das Recht der GmbH", Verlag Mittelstand und Recht, 2015, ISBN 978-3-939384-33-5
- "Der Gesellschaftsvertrag der GmbH - Die GmbH-Satzung in Theorie und Praxis", 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-40-3
- "Der Unternehmenskauf - Rechtliche Risiken bei Kauf und Verkauf mittelständischer Unternehmen", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-18-2
- "Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-29-8
- "Gesellschaftsrecht in der Insolvenz", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-26-7
- "Die Limited in der Insolvenz", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-34-2
- "Der Insolvenzplan – Sanierungsinstrument in der Insolvenz", 2007, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-03-8
- "Die Regelinsolvenz - Insolvenz für Unternehmer und Unternehmen", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-07-6
- "Gesellschafterinteressen in der Publikums-KG: Auskunftsrechte der Kommanditisten einer Publikums-KG gegen Treuhänder“, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-28-1
- "Die Gesellschafterversammlung: Ein Leitfaden", Harald Brennecke und Dipl.-Jur. Marc Schieren, M. L. E., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-50-2
- "Arztpraxis – Kauf und Übergang", Harald Brennecke und Michael Kaiser, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-54-0
Folgende Veröffentlichungen von Rechtsanwalt Brennecke sind in Vorbereitung:
- Die Due Diligence – Rechtliche Prüfung beim Unternehmenskauf
- Die Liquidation der Kapitalgesellschaft
- Die Unternehmergesellschaft (UG)
Harald Brennecke ist Dozent für Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie und Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht im DeutscherAnwaltVerein.
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare unter anderem zu den Themen:
- Gesellschaftsrecht für Steuerberater und Unternehmensberater – Grundlagen des Gesellschaftsrechts
- Gesellschaftsvertragsgestaltung – Grundlagen und Risiken
- Die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) – kleine Chance, großes Risiko
- Welche Gesellschaftsform ist die Richtige? Vor- und Nachteile der Rechtsformen für Unternehmer
- Geschäftsführerhaftung – Geschäftsführung von Kapitalgesellschaften; das letzte große Abenteuer der westlichen Zivilisation
- Insolvenzrecht für Gründer und lebende Unternehmen: Aus Insolvenzen anderer lernen heißt das eigene Insolvenzrisiko zu vermeiden
- Unternehmenssanierung: Kopf aus dem Sand! Wer zu spät reagiert, reagiert nie wieder.
- Insolvenzrecht für Steuerberater – Grundlagen des Insolvenzrechts für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer
- Insolvenzrecht für Unternehmensberater – Sanierungschancen erkennen und wahren
- Insolvenzberatung: das (enorme) Haftungsrisiko des Sanierungsberaters
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