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Bankzulassungsrecht – Teil 27 – Durchsuchung- und Sicherstellungsrecht, Informationsanforderungsrecht der BaFin, Ermittlungsbefugnisse der BaFin

9.3.3.2 Durchsuchung- und Sicherstellungsrecht

Nach § 44c III KWG dürfen ermittelnde Beamten der BaFin Räume und Personen mit einem richterlichen Durchsuchungsbefehl durchsuchen, wenn die Wahrscheinlichkeit besteht, Gegenstände aufzufinden, die über Art und Umfang der betriebenen Geschäfte Aufschluss geben. Die Durchsuchung kann sich auf Räume aller Beschäftigten, seiner Organe und private Wohnräume erstrecken. Der Begriff Durchsuchung definiert die ziel- und zweckgerichtete Suche staatlicher Organe zur Ermittlung eines Sachverhalts, wenn der Wohnungsinhaber von sich aus die Tatsachen nicht offen legen will. Zumeist werden die Prüfungen nicht angekündigt, damit der Betroffene nicht die Gelegenheit erhält, Beweismittel weg zu schaffen. Die betroffenen Unternehmen sind zur Mithilfe nicht verpflichtet. Ist zu befürchten, dass die durch die Einschaltung des Richters eintretende Verzögerung den Erfolg der Durchsuchung gefährden könnte (sog. Gefahr in Verzug) ist eine richterliche Anordnung nach § 44c III 8 KWG entbehrlich. Eine richterliche Anordnung ist aber in jedem Fall erforderlich, wenn Räume durchsucht werden, die als Wohnung dienen.

Wurden im Rahmen der Durchsuchung Gegenstände gefunden, die als Beweismittel für die Sachverhaltsermittlung in Betracht kommen, erlaubt § 44c Abs. 4 KWG den Bediensteten der BaFin und der Deutschen Bank, diese Gegenstände sicherzustellen. Der Begriff "Gegenstände" erfasst nicht nur bewegliche Sachen, sondern neben Datenträger und Magnetbänder auch unbewegliche Sachen. Eine Sicherstellung setzt aber nicht zwangsläufig eine Durchsuchung voraus. Es ist auch denkbar, dass die BaFin im Rahmen ihres Betretungs- und Besichtigungsrechts erhebliche Unterlagen entdeckt, die zu Beweiszwecken über die Durchsicht hinaus bei der Behörde verbleiben sollen.

9.3.3.3 Informationsanforderungsrecht der BaFin

Um Missständen im gesamten Kredit- und Finanzdienstleistungswesen und nicht nur bei einzelnen Instituten entgegenzuwirken, kann sich die BaFin nach § 6 KWG alle notwendigen Informationen mit Hilfe ihrer Auskunfts-, Prüfungs- und Untersuchungsrechte beschaffen.

9.3.3.4 Ermittlungsbefugnisse der BaFin

Die Ermittlungsbefugnisse der BaFin werden durch § 40 WpÜG ergänzt. Diese Norm ermöglicht der BaFin die Überwachung über die Einhaltung der Pflichten des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes (WpÜG). Das WpÜG enthält Regelungen zum öffentlichen Angebot für den Erwerb von Anteilen an Gesellschaften, wenn der Handel der von der Gesellschaft ausgegebenen Wertpapiere an einem organisierten Markt im Inland oder in anderen Ländern der EU zugelassen ist, § 1 WpÜG. Mit dem Gesetz sollen folgende Ziele erreicht werden:

  • Gewährleistung eines fairen und geordneten Verfahrens
  • Information und Transparenz für die betroffenen Aktionäre
  • Stärkung der Stellung von Minderheitsaktionären
  • Orientierung an international üblichen Standards.

Zentrale Bestandteile der Ermittlungsbefugnisse sind die Auskunfts- und Vorlagerechte. In der Praxis dienen die Befugnisse der BaFin überwiegend dazu, die Einhaltung der Veröffentlichungs-, Mitteilungs- und Übersendungspflichten von Bietern zu überprüfen.

9.3.3.4.1 Materielle Voraussetzungen

Nach § 40 Abs. 1 WpÜG kann die BaFin von Jedem Auskünfte, die Vorlage von Unterlagen und die Überlassung von Kopien verlangen, sowie Personen laden und vernehmen, soweit dies auf Grund von Anhaltspunkten für die Überwachung der Einhaltung eines Gesetzes erforderlich ist. Mit diesem Informationsrecht kann die BaFin grundsätzlich "über alles und jeden" Informationen verlangen, wenn sie zur Prüfung der Einhaltung eines Ge- oder Verbots des WpÜG erforderlich sind. Dabei muss die BaFin das Verhältnismäßigkeitsprinzip beachten und vor allem einen legitimen Zweck verfolgen.
Das Informationsrecht darf im Umkehrschluss nur ausgeübt werden, wenn es der Beachtung einer konkreten Ge- oder Verbotsnorm des WpÜG dient.

Bevor die BaFin auf das Informationsrecht zurückgreift, muss sie alle anderen, nicht grundrechtsrelevanten, Erkenntnisquellen ausschöpfen. Gleichzeitig muss die Ausübung der Informationsrechte geeignet sein, den gewünschten Zweck zu erreichen. Die nach § 40 Abs. 1 WpÜG erfragten Informationen müssen folglich einen mitwirkenden Beitrag zur Aufklärung leisten. Das Vorliegen einer Verschwiegenheitspflicht nach § 9 WpÜG führt noch nicht zur Unverhältnismäßigkeit der Informationsanfrage, ebenso wenig wie ein erheblicher finanzieller oder zeitlicher Aufwand. Denn einem Unternehmen kann die Durchführung eigener Ermittlungen zugemutet werden, soweit der eigene Geschäftsbetrieb betroffen ist.

Allerdings muss die BaFin zuvor konkrete Anhaltspunkte für einen Verstoß gehabt haben. Sie darf ihr Informationsrecht nicht "ins Blaue hinaus" ausüben. Selbst wenn Unklarheiten bestehen, kann die BaFin Maßnahmen ergreifen, wenn ein Verstoß gegen eine konkrete Ge- oder Verbotsnorm ernsthaft in Betracht kommt.

Beispiel
Am 20.07.2016 erhält die BaFin einen Hinweis, dass der Geschäftsführer der X-Bank AG, der 35 % der Stimmrechte und damit die Kontrolle gem. § 29 II WpÜG über die AG hat, gegen § 35 WpÜG verstoßen hat. Der Geschäftsführer, Herr Müller, soll nicht wie in der Veröffentlichung geschildert, erst am 15.07.2016, sondern bereits am 15.06.2016 die Kontrolle über die Gesellschaft erlangt haben. Dieser Hinweis alleine ist aber nicht ausreichend für einen konkreten Verdacht. Nach seinem Informationsstand könnten die Tatsachen nur möglicherweise den Verdacht eines Verstoßes begründen. Allerdings findet der Sachbearbeiter am nächsten Tag einen Zeitungsartikel vom 01.07.2016 über die X- Bank, in dem Herr Müller als neuer Geschäftsführer mit 35 % der Stimmrechte vorgestellt wird. Dieser bestätigt die Vermutung, sodass ein Verstoß konkret vorliegt. Durfte der Sachbearbeiter selbständig weiterermitteln und den Zeitungsartikel verwenden?

  • Gem. § 35 WpÜG ist derjenige, der die Kontrolle über eine AG erlangte, zur Veröffentlichung des Zeitpunktes der Kontrollerlangung über die Gesellschaft verpflichtet. Für die Ermittlungsbefugnisse der BaFin ist es bereits ausreichend, wenn eine Unklarheit über das Einhalten eines konkreten Ge- oder Verbotes des WpÜG besteht. Erfährt die BaFin z.B. von bestimmten Tatsachen, die zwar möglicherweise einen Verstoß begründen könnten, für sich genommen aber nicht zur Feststellung des Verstoßes ausreichen, kann sie weitere Informationen z.B. durch Presseberichte hinzuziehen, selbst wenn diese lediglich Vermutungen und Gerüchte wiedergeben. Ein Verstoß gegen eine konkrete Ge- oder Verbotsnorm muss ernsthaft in Betracht kommen. Da durch den ersten Hinweis bezüglich eines möglichen Verstoßes eine Grundlage zur weiteren Ermittlung des Sachverhaltes gegeben war, und der Zeitungsartikel eine öffentliche, und somit keineswegs grundrechtsrelevante Erkenntnisquelle darstellt, war die weitere Ermittlung des Sachverständigen zulässig.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Bankzulassungsrecht“ von Carola Ritterbach, Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht, und Patricia Deutsch, wissenschaftliche Mitarbeiterin, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-71-7.


 

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Kontakt: ritterbach@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2017


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Herausgeber / Autor(-en):

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Rechtsanwältin Carola Ritterbach hat im Bankrecht veröffentlicht:

  • Die Beraterhaftung im Kapitalmarktrecht, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-30-4
  • Kreditsicherheiten, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-27
  • Kreditzinsen und Vorfälligkeitsentschädigung - Gewinn- und Schadensberechnung der Banken, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-45-8
  • Bankvertragsrecht, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-32-8
  • Kreditvertragsrecht, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-35-9
  • Leasingrecht – Einführung in das Recht des Leasings, ISBN 978-3-939384-25-0, 2014, Verlag Mittelstand und Recht

 

Rechtsanwältin Ritterbach ist Dozentin für Bank- und Kapitalmarktrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie sowie Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Bank- und Kapitalmarktrecht im Deutschen Anwaltsverein.

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Normen: § 44c KWG, § 6 KWG, § 40 WpÜG

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