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Bankzulassungsrecht – Teil 28 – Formelle Voraussetzungen, Kritische Aspekte

9.3.3.4.2 Formelle Voraussetzungen

Da Unternehmen nur die aktiven Offenlegungspflichten unaufgefordert erfüllen müssen, ist für das Einfordern der passiven Offenlegungspflichten ein konkretes Verlangen der BaFin diesbezüglich erforderlich, auf welches die Unternehmen dann zu reagieren haben. Dieses den jeweiligen Unternehmen gegenüber ausgedrückte Verlangen ist gleichzeitig darauf gerichtet, die Entstehung des Informationsrechts der BaFin in einem konkreten Fall herbeizuführen. Insoweit entfaltet es Regelungs- und Außenwirkung und stellt einen Verwaltungsakt gemäß § 35 S. 1 VwVfG dar. Daher müssen für den Erlass des Verwaltungsaktes ergänzend die allgemeinen Anforderungen des VwVfG beachtet werden.

Das Informationsverlangen muss:

  • auf den nach § 40 Abs. 1 WpÜG zulässigen Inhalt beschränkt sein
  • alle wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe nach § 39 VwVfG darlegen, wie die Rechtsgrundlage, den Gegenstand und den Zweck der Informationsanforderung und
  • nach § 37 VwVfG bestimmt sein, sodass etwa die vorzulegenden Unterlagen nach ihrer Art beschrieben werden.

Das Auskunfts- oder Vorlageverlangen kann formlos gestellt werden, also auch per Telefax, Email oder fernmündlich. Aus Gründen der Rechtssicherheit ist ein schriftlicher Erlass aber empfehlenswert. Die BaFin setzt für die Erfüllung des jeweiligen Auskunftsverlangens eine angemessene Frist. Gegen ein Informationsverlangen kann Widerspruch nach § 41 WpÜG und die Anfechtungsbeschwerde nach § 48 WpÜG eingelegt werden. Verstöße gegen die durch das Verlangen konkretisierten Pflichten gem. § 40 WpÜG können zur Verhängung eines Bußgeldes nach § 60 Abs. 2 Nr. 1 WpÜG führen.

9.3.3.4.3 Kritische Aspekte

Im Ergebnis ist somit festzustellen, dass die BaFin nach § 40 WpÜG jeden Privaten zur Anzeige verpflichten kann. Dies ist eine Ausnahme im deutschen Recht. Im Vergleich kennt nur § 138 StGB eine Anzeigepflicht geplant Straftaten. Dies gilt aber nur, wenn es sich hierbei um Straftaten von erheblicher Bedeutung handelt, die in § 138 StGB abschließend aufgezählt sind.

Zu nennen ist dabei beispielhaft:

  • Vorbereitung eines Angriffskrieges (§ 138 I Nr. 1 StGB)
  • Hochverrat (§ 138 I Nr. 2 StGB)
  • Geld- oder Wertpapierfälschung oder die Fälschung von Zahlungskarten (§ 138 I Nr. 4 StGB)
  • Mord oder Todschlag (§ 138 I Nr. 5 StGB)

Eine Anzeigepflicht begangener Straftaten gibt es dagegen nicht. Daher muss die Anzeigepflicht der BaFin kritisch beleuchtet werden. Insbesondere seit Erlass der ersten Geldwäsche-Richtlinie im Jahre 1991 ist die Anzeigepflicht Privater aufgrund europäischer Vorgaben im deutschen Finanzaufsichtsrecht nicht nur vereinzelt verankert, sondern seither stetig ausgedehnt worden im Bereich des Wertpapierhandels (§ 10 GwG), sowie zur Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung (§§ 1 II, 11 Abs. 1 GwG).

Diese Anzeigepflicht gegenüber der BaFin kann, vor allem im Vergleich zur Anzeigepflicht nach § 138 StGB ein unverhältnismäßiger Eingriff in das Recht auf informelle Selbstbestimmung nach Art. 1 I, 2 I GG und in die Berufsfreiheit nach Art. 12 GG darstellen. Des Weiteren kann eine Interessenskollision entstehen, wenn ein Mitarbeiter eines Wertpapierdienstleisters mit der Verdachtsanzeige gegen eine Verschwiegenheitspflicht verstoßen würde und sich gegebenenfalls sogar selbst belastet. Mit der Verdachtsanzeige könnte er sich unter Umständen nämlich selbst in die Gefahr bringen, wegen Beihilfe zur Ausführung des marktmissbräuchlichen Geschäfts verfolgt zu werden, wenn er daran beteiligt war bzw. es überstützte. Nach dem sog. "nemo-tenetur" Grundsatz muss sich aber niemand selbst belastet und darf insoweit seine Aussage verweigern bzw. lügen.

Daneben kann die Anzeigepflicht zu einer Überflutung von Verdachtsanzeigen führen, wenn z.B. Juristische Laien eine bestimmte Verhaltensweise fälschlicherweise als Verstoß werten, aber gewissenhaft seiner Anzeigepflicht nachkommen möchte.

Vor diesem Hintergrund richtet sich die Anzeigepflicht im Rahmen des Geldwäschegesetzes nicht gegen Jedermann, sondern lediglich an die in § 2 Abs. 1 GwG abschließend aufgeführten Adressaten, die für ihre berufliche Tätigkeit auch im wohlverstandenen eigenen Interesse auf die Wahrung der Marktintegrität angewiesen sind.

Dazu gehören beispielsweise

  • Kreditinstitute
  • Finanzdienstleistungsinstitute
  • Unternehmen, die E-Geld vertreiben bzw. rücktauschen
  • Versicherungsunternehmen
  • Versicherungsvermittler
  • Kapitalverwaltungsgesellschaften
  • Rechtsanwälte, Kammerrechtsbeistände, Patentanwälte und Notare, wenn sie für ihre Mandanten z.B. am Kauf bzw. Verkauf von Immobilien oder an der Verwaltung von Geld/ Wertpapieren beteiligt sind.

Damit soll derjenige, der zur Erzielung eigener Gewinne die Finanzmärkte in Anspruch nimmt, deren Stabilität maßgebend auf staatlicher Aufsicht und Regulierung beruhen, als Gegenleistung hinnehmen, wenn er seinerseits zur Erleichterung der Aufsicht mit der Anzeigepflicht in Anspruch genommen wird.

Das Bankgeheimnis wird auch an anderen Stellen durchbrochen, wie z.B. zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung, was nicht grundsätzlich illegitim ist.
Im Rahmen des WpÜG steht dem Anzeigepflichtigen nach § 40 III WpÜG lediglich ein Auskunfts- und Aussageverweigerungsrecht zu. Damit kann der Anzeigepflichtige zwar nicht seine komplette Aussage verweigern, aber solche Fragen ablehnen, deren Beantwortung ihn selbst oder einen der in § 383 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 ZPO bezeichneten Angehörigen der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung oder eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens aussetzt.

Nach § 40 III WpÜG i.V.m. § 383 Abs. 1 ZPO kann der Auskunftsverpflichtete daher seine Aussage verweigern, wenn er damit

  • seinen Verlobten
  • seinen Ehegatten
  • seinen Lebenspartner oder
  • einen Verwandten oder Verschwägerten (selbst, wenn die Verwandtschaft oder Schwägerschaft nicht mehr besteht)

belastet.

Mit § 40 III WpÜG wird daher gewährleistet, dass sich der Anzeigepflichtige nicht selbst belasten muss. Abs. 3 ist somit Ausdruck des im Rechtsstaatsprinzip verankerten Grundsatzes der Unzumutbarkeit der Selbstanzeige (nemo-tenetur- Grundsatz).[1] Der Anzeigepflichtige muss gem. § 40 III S. 2 WpÜG über sein Auskunftsverweigerungsrecht belehrt werden, selbst, wenn der Auskunftspflichtige bereits Kenntnis von seinem Recht hat.


[1] Vgl. Geibel/ Süßmann- Uhlendorf, § 40 WpÜG 2. Auflage 2008 Rn. 18.

Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Bankzulassungsrecht“ von Carola Ritterbach, Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht, und Patricia Deutsch, wissenschaftliche Mitarbeiterin, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-71-7.


 

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Kontakt: ritterbach@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2017


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