Baumängel vor und im Prozess – Teil 28 – Die gesamtschuldnerische Haftung mehrerer Verursacher, Exkurs ins Öffentliche Baurecht
9.2. Die gesamtschuldnerische Haftung mehrerer Verursacher
Wenn der streitgegenständliche Baumangel auch dem Architekten zuzuordnen ist, tritt in dem Moment ein sogenanntes gesamtschuldnerisches Verhältnis von Architekten und Bauunternehmer ein. Aus Sicht des Bauherrn ist diese Gewährleistungspflicht beider gleichgestellt.[1] Hierdurch ist es dem Auftraggeber möglich zu entscheiden, wen er für die Haftung in Anspruch nimmt. Fällt die Wahl auf den Architekten, kann dieser hieraus nach § 426 BGB einen Ausgleichsanspruch gegenüber dem Bauunternehmer geltend machen.
Beispiele Haftungsrisiken:[2]
- Fehlerhafte Anweisungen im Rahmen einer Unterfangung führen zu Setzungsrissen im Nachbargebäude
- Falsche Bemessung des Grenzabstandes, draus resultiert eine bauordnungsamtliche Abrissverfügung
- Spiegelverkehrte Darstellung der Zeichnungen
- Kellertreppe entgegen den anerkannten Regeln der Technik gebaut – Bauherr stürzt und verletzt sich
9.3. Kurzblick in die HOAI
Die HOAI, als Nachfolgerin der GOA (Gebührenordnung für Architekten) beruht auf der Grundlage des „Gesetzes zur Verbesserung des Mietrechts und zur Begrenzung des Mietanstiegs sowie zur Regelung von Ingenieur- und Architektenleistungen (MRVG)“ und ist zum Anreiz von Baukostensenkungen geschaffen worden.[3] Auch haftungsrechtliche Fragen werden mit Blick auf die honorarrechtlichen Fragen in dieser Gebührenordnung beantwortet.
Die HOAI soll den Architekten und Ingenieuren ein befriedigendes Einkommen und den Bauherren die Qualität der Bauplanung, Ausschreibung, Vergabe und der Objektüberwachung sichern.
Grundsätze:
Jede natürliche oder juristische Person, die Leistung erbringt, die in der HOAI geregelt sind, ist verpflichtet, diese Leistungen nach der HOAI abzurechnen.
Auch wer aus bloßer Gefälligkeit bauplanende oder –überwachende Architektentätigkeiten ausübt, haftet nach denselben Maßstäben wie ein Architekt aus einem Architektenvertrag[4]
10. Kapitel
Exkurs ins Öffentliche Baurecht
10.1. Unterschied zum Privaten Baurecht
Grundsätzlich regelt das Baurecht alle wesentlichen Sachzusammenhänge um das Grundstück. Dazu gehören unter anderem die Anforderungen an das Grundstück, die Regelungen der Bauausführung oder aber auch die Rechtsbeziehungen der an dem Bauvorhaben Beteiligten untereinander.
Während das private Baurecht die Beziehungen der Bauparteien untereinander regelt, bezieht sich das öffentliche Baurecht auf das Verhältnis zwischen Bürger und Staat. Das private Baurecht umfasst nicht nur die zivilrechtlichen Möglichkeiten des Bauherren (Grundstückseigentümers) zur baulichen Nutzung und zur Abwehr von nachbarrechtlcihen Streitigkeiten, sondern auch die Gesetzesvorgaben von der Bauplanung bis hin zur Fertigstellung des Bauwerks.
Die unterschiedlichen Anwendungsgebiete beider Baurechtsgebiete hat zur Folge, dass auch die gesetzlichen Regelungen verschieden sind. Das öffentliche Baurecht ist im Baugesetzbuch, Raumplanungsgesetz sowie in den Landesbauordnungen verankert. Für das private Baurecht als Zivilrecht, sind die Gesetzesgrundlagen im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) sowie wie gesehen vor allem in den VOB zu finden.
Die Kenntnis der allumfassenden Regelungen des Baurechts kann und soll auch nicht von der einzelnen Person vorausgesetzt werden. Deshalb ist es immer ratsam, sich vorab am Besten bei einem Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht Rat zu suchen. Die Kosten der Einschaltung eines Rechtsanwalts stehen, falls im Nachhinein baurrechtliche Probleme auftreten sollten, in keinem Verhältnis zu den damit einhergehenden Verfahrenskosten. Ein Klageweg wäre bedeutend kosten- und zeitintensiver als eine Vorabberatung und gegebenenfalls baurrechtliche Betreuung durch einen Rechtsanwalt.
10.2. Das öffentliche Baurecht
Das öffentliche Baurecht in Form des sogenannten besonderen Verwaltungsrechts hat die Aufgabe, die soziale Sicherheit und Ordnung zu erhalten und zugleich auch die Interessen der Allgemeinheit gegenüber den einzelnen Personen zu vertreten.[5] Für den Bauherren wichtig zu erwähnen ist der Rechtsschutz im öffentlichen Baurecht. Hierbei ist speziell das rechtliche Verhältnis zu den Baubehörden gemeint. Ferner sind die Anfechtungsklagen einer bauordnungsrechtlichen Baueinstellungsverfügung oder einer Bauabrißverfügung oftmals Gegenstand in einem Verfahren mit den Baubehörden. Auch die Klagemöglichkeit, die Behörde auf eine Baugenehmigung zu verpflichten, wird häufig durch die Bauherren in Anspruch genommen. Nachbarklagen sind häufig Gegenstand diverser Streitigkeiten vor Gericht. Beispielhaft hierfür ist der Widerspruch des Nachbarn mit anschließender Anfechtungsklage gegen die zugunsten des Bauherrn ausgesprochenen Baugenehmigung hinsichtlich der Abstandsfläche zu seinem Hausgrundstück. Solche sogenannten subjektiven öffentlichen Rechte des Nachbarn ergeben sich aus dem bundesrechtlichen Bauplanungsrecht und dem landesrechtlichen Bauordnungsrecht. Das Bauplanungsrecht beschäftigt sich mit der Planung der Bodennutzung, das Bauordnungsrecht behandelt die Ausführung bei der betreffenden Bodennutzung, womit im Wesentlichen die sicherheitsrelevanten Rechtsaspekte gemeint sind. Eine dahingehende Differenzierung soll nachfolgend kurz erläutert werden.
[1] Gerhards/Keller, Baufinanzierung von A bis Z, S. 19.
[2] Architektenkammer Niedersachsen, Leitfaden für Architekten, S.9.
[3] Steeger/Fahrenbruch, Praxiskommentar HOAI 2013, (Einleitung) Rn.2.
[4] OLG Frankfurt, Urteil v. 29.09.2010 – 15 U 63/08.
[5] Diederichs, Führungswissen für Bau- und Immobilienfachleute, S. 360.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Baumängel vor und im Prozess“ von Olaf Bühler, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, und Babett Stoye LL.B., erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-67-0.
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