Grundlagen der Besteuerung von Personengesellschaften bei Gründung, Ausscheiden und Beendigung – Teil 29 – Besonderheiten bei Sonderbetriebsvermögen, Unentgeltliche Anteilsübertragung
Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
Monika Dibbelt
Rechtsanwältin
Jens Bierstedt
LL.B., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter
6.2.3 Besonderheiten bei Sonderbetriebsvermögen
Sofern Sonderbetriebsvermögen vorhanden ist, ist zu unterscheiden, ob es sich bei dem entsprechenden Sonderbetriebsvermögen um eine funktional wesentliche oder um eine nichtfunktional wesentliche Betriebsgrundlage handelt.
6.2.3.1 Nichtfunktional wesentliche Betriebsgrundlage
Sofern Sonderbetriebsvermögen vorhanden ist, besteht die Problematik darin, dass für den Fall, dass das Sonderbetriebsvermögen nicht mitveräußert wird, nicht der gesamte Mitunternehmeranteil auf den Erwerber übertragen wird.
Es stellt sich in diesen Fällen die Frage, inwieweit ein begünstigter Veräußerungsgewinn nach § 16, 34 EStG entstehen kann. Gem. § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb der Veräußerungsgewinn aus dem gesamten Mitunternehmeranteil. Eine Betriebsveräußerung im Ganzen ist daher grundsätzlich ausgeschlossen, wenn nicht der gesamte Mitunternehmeranteil veräußert wird. Hinsichtlich des Sonderbetriebsvermögens beschränkt sich dies jedoch auf die wesentlichen Betriebsgrundlagen. Diese dürfen nicht zurückbehalten werden.
Werden dagegen Wirtschaftsgüter, die nicht zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen gehören, zurückgehalten, so steht dies der Annahme eines begünstigten Veräußerungsgewinns, der gem. § 34 EStG ermäßigt besteuert werden kann und für den ein Veräußerungsfreibetrag nach § 16 Abs. 4 in Abzug gebracht werden kann, nicht entgegen.
Beispiel
A veräußert seinen Mitunternehmeranteil an der oHG an einen fremden Dritten, Buchwert 100.000, Veräußerungspreis 300.000 €. Der im Alleineigentum des A stehende PKW, den er bisher für seine Tätigkeit im Rahmen der oHG verwendet hat, wird ab diesem Zeitpunkt von A für private Zwecke genutzt.
- Der Veräußerungsgewinn setzt sich in dem Fall zusammen aus dem Veräußerungsgewinn, der sich aus dem Veräußerungspreis abzüglich des Kapitalkontos ergibt und dem Entnahmegewinn, der sich durch die Entnahme des Pkws aus dem Sonderbetriebsvermögen ins Privatvermögen ergibt. Hätte A den PKW nicht im Anschluss privat sondern im Rahmen eines anderen Betriebsvermögens weiterhin betrieblich genutzt, wäre es nicht zur Aufdeckung der stillen Reserven in den PKW gekommen, da der PKW in diesem Fall gem. § 6 Abs. 5 Satz 2 EStG zum Buchwert in das Einzelunternehmen zu überführen wäre.
- Hinsichtlich der Veräußerung des Mitunternehmeranteils handelte es sich auch in diesem Fall um einen begünstigten Veräußerungsgewinn.
6.2.3.2 Funktional wesentliches Sonderbetriebsvermögen
Ein Wirtschaftsgut gilt als funktional wesentliche Sonderbetriebsvermögen, wenn es zur Erreichung des Unternehmenszwecks notwendig ist. Es muss von seiner Funktion her für den Betrieb von entscheidender wirtschaftlicher Bedeutung sein.
Beispiel
A und B sind Gesellschafter der A und B oHG. Gesellschafter A vermietet ein Bürogebäude an die oHG. A veräußert seinen Mitunternehmeranteil an C. Gleichzeitig wird ein notarieller Vertrag über den Verkauf des Grundstücks an C geschlossen.
C erzielt einen Gewinn aus der Veräußerung des Mitunternehmeranteils in Höhe von 150.000 € und aus dem Grundstücksverkauf von 50.000 €.
Kann A die Vergünstigungen der §§ 16, 34 EStG in Anspruch nehmen?
- A hat seinen gesamten Mitunternehmeranteil, bestehend aus Anteil am Gesamthandsvermögen und sein funktional wesentliches Sonderbetriebsvermögen veräußert. Damit unterliegt der gesamte Veräußerungsgewinn einschließlich dem Veräußerungsgewinn aus dem Sonderbetriebsvermögen der Tarifbegünstigung der §§ 16, 34 EStG.
6.3 Unentgeltliche Anteilsübertragung
Im Fall eines unentgeltlichen Übertragungsvorganges hat der Erwerber grundsätzlich die Buchwerte fortzuführen, § 6 Abs. 3 EStG. Es entsteht beim Erwerber kein Erwerbsgewinn, korrespondierend dazu erzielt der ausscheidende Gesellschafter keinen Veräußerungsverlust.[1]
Als unentgeltliche Anteilsübertragung in diesem Zusammenhang gilt auch ein Entgelt, das unterhalb des Buchwertes und gleichzeitig unterhalb des Verkehrswertes der Beteiligung liegt. Ein solcher Vorgang ist als voll unentgeltlicher Vorgang einzustufen.
Im Hinblick auf § 6 Abs. 3 EStG ist jedoch zu beachten, dass im Fall der unentgeltlichen Anteilsübertragung der vollständige Mitunternehmeranteil auf den Erwerber überzugehen hat.
Hier sind wieder die Besonderheiten des Sonderbetriebsvermögens zu bedenken und zu unterscheiden zwischen dem nicht funktional wesentlichen Sonderbetriebsvermögen und dem funktional wesentlichen Sonderbetriebsvermögen.
Im Fall der unentgeltlichen Übertragung eines Mitunternehmeranteils unter Zurückhaltung eines nicht funktionell wesentlichen Wirtschaftsguts des Sonderbetriebsvermögens seitens des übertragenden Gesellschafters sind gem. § 6 Abs. 3 EStG die Buchwerte fortzuführen.
Das Zurückhalten des Wirtschaftsguts aus dem Sonderbetriebsvermögen, das nicht funktional wesentliche Betriebsgrundlage ist, schadet der in § 6 Abs. 3 EStG angeordneten zwingenden Buchwertfortführung nicht.
In diesen Fällen ist jedoch zu unterscheiden, ob das zurückgehaltene Wirtschaftsgut ins Privatvermögen des Übergebers überführt wird oder ob es in ein anderes Betriebsvermögen des Übergebers überführt wird.
Im Fall der Übertragung ins Privatvermögen ist ein ggf. entstehender Entnahmegewinn als laufender Gewinn auf Ebene des Übergebers zu besteuern, im Falle der Überführung in ein anderes Betriebsvermögen sind zwingend die Buchwerte gem. § 6 Abs. 5 EStG fortzuführen.
Im Falle der Nichtmitübertragung eines Wirtschaftsguts aus dem Sonderbetriebsvermögen, das funktional wesentlich ist, kann eine Buchwertfortführung gem. § 6 Abs. 3 EStG nicht erfolgen.
Folge ist, dass hinsichtlich aller in dem entsprechenden Mitunternehmeranteil befindlichen
stillen Reserven eine Aufdeckung dieser stillen Reserven vorzunehmen ist.
Es kommt folglich nicht nur zur Aufdeckung der stillen Reserven in dem nicht mitübertragenen Wirtschaftsgut, sondern gerade zur Aufdeckung aller weiteren im Mitunternehmeranteil verhafteten stillen Reserven. Aus diesen Gründen ist bei der unentgeltlichen Übertragung von Mitunternehmeranteilen stets auf die Konsequenzen bezüglich des Sonderbetriebsvermögens besonders zu achten.[2] Der BFH hat entschieden, dass in diesen Fällen die stillen Reserven sowohl im Gesamthandsvermögen als auch im Sonderbetriebsvermögen aufzudecken sind.
Es handelt sich in diesem Fall jedoch um eine tarifbegünstigte Aufgabe eines Mitunternehmeranteils, so dass der entsprechende Gesellschafter immerhin die Begünstigungen der §§ 16 und 34 EStG in Anspruch nehmen kann.
Ein begünstigter Aufgabegewinn entsteht allerdings in den Fällen nicht, in denen das funktional wesentliche Sonderbetriebsvermögen zurückgehalten wird und dann in dem Betriebsvermögen eines Einzelunternehmers oder alternativ in dem Sonderbetriebsvermögen einer anderen Personengesellschaft genutzt wird.
Beispiel
Gesellschafter A der A und O oHG überträgt seinen oHG-Anteil schenkweise an seinen Sohn S und überführt zeitgleich die bisher an die oHG vermietete Produktionshalle in das Betriebsvermögen seines Einzelunternehmens, von dem diese Halle ab diesem Zeitpunkt genutzt wird.
- Die Überführung des Sonderbetriebsvermögens in das Einzelunternehmen des A ist zwingend gem. § 6 Abs. 5 EStG zum Buchwert vorzunehmen.
- Die Schenkung des oHG-Anteils fällt allerdings nicht unter die Regelung des § 6 Abs. 3 EStG, weil nicht der gesamte Mitunternehmeranteil überführt worden ist. Daraus folgt, dass die anteiligen Wirtschaftsgüter zu entnehmen sind, da aber im Hinblick auf das zum ursprünglichen Mitunternehmeranteil gehörende Sonderbetriebsvermögen keine Aufdeckung der stillen Reserven erfolgt, handelt es sich nicht um einen tarifbegünstigten Gewinn i.S. der §§ 16, 34 EStG, sondern um einen laufenden, nichtbegünstigten Aufgabegewinn aus dem Gesamthandsvermögen.[3]
[1] BFH in BStBl. II 1995, 770.
[2] vgl. BFH in BStBl. II 1995, 890.
[3] BFH in BStBl. II 1998, 104.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Grundlagen der Besteuerung von Personengesellschaften bei Gründung, Ausscheiden und Beendigung“ von Carola Ritterbach, Fachanwältin für Bank-und Kapitalmarktrecht, Monika Dibbelt, Rechtsanwältin, und Jens Bierstedt, Wirtschaftsjurist LL.M. und wissenschaftlicher Mitarbeiter, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-59-5.
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Stand: Januar 2017
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Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht
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Rechtsanwältin Ritterbach ist Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht und ist seit vielen Jahren im Bereich Bankrecht tätig. Steuerliche Fragen bei Finanzierungsgeschäften treffen daher ihr besonderes Interesse.
Carola Ritterbach hat im Steuerrecht veröffentlicht:
- Bilanzierung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-49-6
- Steuerstrafrecht – Strafbarkeit der Organe in Unternehmen, Monika Dibbelt, Carola Ritterbach und Alexander Mayr, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-48-9
- Die strafbefreiende Selbstanzeige, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-47-2
- Besteuerung Personengesellschaften, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-52-6
- Steuerberaterhaftung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Anika Wegner, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-51-9
- Erbschaftssteuer- und Schenkungssteuerrecht: Das Recht der Erbschafts- und Schenkungssteuer. Möglichkeiten zur Verringerung der Steuerbelastung bei Erbschaften und Schenkungen, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-16-8,
- Die Haftung für Steuerschulden, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-39-7
Weitere Veröffentlichungen von Rechtsanwältin Ritterbach im Steuerrecht sind in Vorbereitung, so
- Änderung von Steuerbescheiden – Wann darf das Finanzamt einen Steuerbescheid aufheben oder korrigieren
Carola Ritternach ist Dozentin für Steuerrecht bei der DMA Deutsche Mittelstandsakademie sowie Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Steuerrecht im Deutschen Anwaltsverein.
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- Erbschaftssteuer und Schenkungssteuer vermeiden
- Wahl der Gesellschaftsform unter Steuergesichtspunkten
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- Die Umsatzsteuer – eine kauf- und leasingrechtliche Betrachtung
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