Steuerstrafrecht – Strafbarkeit der Organe in Unternehmen – Teil 07 – Steuerstraftaten und –ordnungswidrigkeiten; Steuerhinterziehung
Herausgeber / Autor(-en):
Monika Dibbelt
Rechtsanwältin
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
4 Steuerstraftaten und –ordnungswidrigkeiten
Für das Steuerstraf- und -ordnungswidrigkeitenrecht existieren diverse, teils verstreut zu findende Normen, die eine Ahndung vorsehen, wobei der praktische Schwerpunkt im Bereich der Steuerhinterziehung nach § 370 AO zu sehen ist.
4.1 Einführung
Das Steuerstrafrecht ist im achten Teil der Abgabenordnung, in den §§ 369 ff. AO geregelt. Darin sind sowohl Straf- und Bußgeldvorschriften, als auch Vorschriften hinsichtlich des Verfahrens geregelt. Sofern dort keine abweichenden Regelungen enthalten sind, gelten die Vorschriften des Strafgesetzbuchs bzw. die Vorschriften des ersten Teils des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten ergänzend. Daneben finden sich einige Vorschriften in anderen Gesetzen.
4.1.1 Unterscheidung Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten
Das Steuerstrafrecht umfasst Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten. Der Unterschied zwischen beiden betrifft im Wesentlichen den Vorwurf der Schuld, die den Täter trifft. Bei einer Straftat ist dieser wesentlich stärker. Dementsprechend sind die Rechtsfolgen einer Straftat schwerwiegender als bei einer Ordnungswidrigkeit.
Bei Ordnungswidrigkeiten verwirklicht der Täter zumeist bloßes „Verwaltungsunrecht“. Es handelt sich um geringfügigere Gesetzesübertretungen, die noch nicht den „Unrechts“-Charakter einer Straftat erfüllen. Die Rechtsfolge der Ordnungswidrigkeit soll eine Art Denkzettelfunktion erfüllen und damit zu rechtmäßigem Verhalten erziehen. Dabei ist die Sanktion aber so geringfügig, dass sie nicht die Intensität einer „Strafe“ erreicht.
Bei einer Straftat ist der Schuldvorwurf hingegen so stark, dass nach dem Gesetz eine vom Staat anzuordnende und zu vollziehende Bestrafung des Täters vorgesehen ist.
Zusammengefasst ergeben sich folgende wichtige Unterschiede:(Fußnote)
Bei Steuerstraftaten
- wird kriminelles Unrecht mit einer Geld- oder Freiheitsstrafe geahndet.
- findet das Steuerstrafverfahren vor einem Strafgericht statt.g
- ilt Verfolgungszwang, es gibt kein Ermessen.
- erfolgt bei rechtskräftiger Verurteilung eine Strafregistereintragung („vorbestraft sein“).
Bei Steuerordnungswidrigkeiten
- verstößt der Steuerpflichtige gegen Ordnungsvorschriften ohne Vorwurf kriminellen Unrechts.
- findet das Bußgeldverfahren beim Finanzamt statt (Straf- und Bußsachenstelle).
- besteht die Sanktion in einer Geldbuße.liegt die Verfolgung im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde.
- erfolgt keine Strafregistereintragung.
4.1.1.1 Steuerordnungswidrigkeit
Steuerordnungswidrigkeiten disziplinieren solche Verfehlungen gegen steuerliche Vorschriften, die nicht zu einer tatsächlichen Steuerverkürzung geführt haben.
Was Steuerordnungswidrigkeiten genau sind, regelt § 377 Absatz 1 AO:
Steuerordnungswidrigkeiten (Zollordnungswidrigkeiten) sind Zuwiderhandlungen, die nach den Steuergesetzen mit Geldbuße geahndet werden können.
Damit sind insbesondere
- Bußgeldvorschriften der §§ 378ff. AO
- Schädigung des Umsatzsteueraufkommens in den §§ 26a, 26b UStG
- Verletzung zollrechtlicher Anzeigepflichten nach §§ 31a, 31b ZollVG
erfasst.
Weitere Vorschriften finden sich verstreut über die einzelnen Steuergesetze, z.B. in den Verbrauchsteuergesetzen.
4.1.1.2 Steuerstraftaten
Was Steuerstraftaten sind, ist in § 369 Absatz 1 AO geregelt:
1. Taten, die nach den Steuergesetzen strafbar sind,
2. der Bannbruch,
3. die Wertzeichenfälschung und deren Vorbereitung, soweit die Tat Steuerzeichen betrifft,
4. die Begünstigung einer Person, die eine Tat nach den Nummern 1 bis 3 begangen hat.
Steuerstraftaten sind nach Nr. 1 also insbesondere alle Taten, die nach den Steuergesetzen strafbar sind
- Steuerhinterziehung (§ 370 AO)g
- ewerbsmäßiger, gewaltsamer und bandenmäßiger Schmuggel (§ 373 AO)
- Steuerhehlerei (§ 374 AO)
- Bannbruch nach § 372 AO
- Wertzeichenfälschung und deren Vorbereitung bezogen auf Steuerzeichen nach 148 StGB(Fußnote) sowie
- die Begünstigung der vorgenannten Taten nach § 257 StGB.
5 Die Steuerhinterziehung nach § 370 AO als zentrale Norm
Die Steuerhinterziehung gem. § 370 AO fungiert als zentrale Norm.
5.1 Einführung
§ 370 AO beschreibt Tathandlungen und Taterfolge. Diese müssen in Kombination vorliegen, um eine Strafbarkeit zu begründen. Fehlt eines von beiden, z.B. ein irgendwie gelagerter Taterfolg, so ist die Steuerhinterziehung nicht vollendet. Es kommt dann eine Strafbarkeit wegen versuchter Steuerhinterziehung oder ggf. ein anderer Tatbestand in Betracht.
Die Norm nennt für die Steuerhinterziehung zwei Taterfolge:
- Steuerverkürzung und
- Steuervorteilserlangung.
Steuerverkürzung meint, dass der Täter weniger Steuern an den Fiskus zu zahlen hat, als er nach korrekter Berechnung bezahlen müsste. Steuervorteilserlangung meint, dass der Täter sich einen steuerlichen Vorteil erschleicht, der ihm ohne seine Tathandlungen nicht zugestanden hätte.
Die Vollendung der Tat setzt nicht zwangsläufig eine tatsächliche Schädigung des Steueraufkommens voraus.(Fußnote) Ein tatsächlicher Schaden muss für die Vollendung der Straftat dem Staat nicht entstanden sein. Das gilt in ähnlicher Weise für die Taterfolgsvariante der „Vorteilserlangung“. Wird ein Feststellungsbescheid mit einem ungerechtfertigten Steuervorteil für den Täter erlassen, ist die Tat mit der Festsetzung vollendet, da ein Taterfolg in Form eines Steuervorteils vorliegt. Dafür muss der Steuerbetrag noch nicht aus- oder rückgezahlt worden sein. Begründet wird dies mit der sogenannten Bindungswirkung des Feststellungsbescheides.(Fußnote) Diese besagt, dass der Bürger mit der Festsetzung auf die Auszahlung vertrauen kann. Aufgrund derer kann sich der Täter sicher sein, dass seine falschen Angaben im Feststellungsverfahren ohne weitere Zwischenschritte in die Festsetzung einfließen, also ausbezahlt werden. Deswegen gilt der Steuervorteil schon bei Festsetzung als erlangt, und nicht erst mit Auszahlung.
Das geschützte Rechtsgut ist das Fiskalinteresse an der Erzielung von Einkünften, also das öffentliche Interesse an rechtzeitiger und vollständiger Zahlung der Steuern. Geschützt wird damit letztlich schlicht das Vermögen des Steuerfiskus.(Fußnote)
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Steuerstrafrecht – Strafbarkeit der Organe in Unternehmen“ von Monika Dibbelt, Rechtsanwältin, Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, spezialisiert auf Steuerrecht, und Alexander Mayr, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2016, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-48-9.

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Herausgeber / Autor(-en):
Monika Dibbelt
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Carola Ritterbach
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Stand: Januar 2016