Steuerstrafrecht – Strafbarkeit der Organe in Unternehmen – Teil 15 – Steuergefährdung: Ausstellung unrichtiger Belege, Entgeltliche Weitergabe von Belegen, unrichtige Verbuchung
Herausgeber / Autor(-en):
Monika Dibbelt
Rechtsanwältin
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
6.3 Steuergefährdung, § 379 AO
Mit der Steuergefährdung nach § 379 AO werden Handlungen, die zur Vorbereitung einer Steuerverkürzung oder zur Erlangung nicht gerechtfertigter Steuervorteile geeignet sind, zu eigenen Straftatbeständen erklärt, soweit sie nicht bereits als Gefährdung der Abzugssteuer (siehe Kapitel 6.4), der Verbrauchssteuer oder der Einfuhr- und Ausfuhrabgaben von den §§ 380-382 AO erfasst sind.(Fußnote) Wären diese Handlungen nicht mit § 379 AO sanktioniert, würden sie als „bloße“ Vorbereitungshandlungen einer Steuerverkürzung nicht geahndet werden.(Fußnote) § 379 AO normiert in seinen Absätzen verschiedene Tatbestandsvoraussetzungen.
6.3.1 Tatbestandsvoraussetzungen der Steuergefährdung gem. § 379 Absatz 1 AO
§ 379 Absatz 1 Satz 1 AO bestimmt für die Steuergefährdung folgende Grundvoraussetzungen:
Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder leichtfertig
1. Belege ausstellt, die in tatsächlicher Hinsicht unrichtig sind,
2. Belege gegen Entgelt in den Verkehr bringt oder
3. nach Gesetz buchungs- oder aufzeichnungspflichtige Geschäftsvorfälle oder Betriebsvorgänge nicht oder in tatsächlicher Hinsicht unrichtig verbucht oder verbuchen lässt und dadurch ermöglicht, Steuern zu verkürzen oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile zu erlangen.
6.3.1.1 Steuergefährdung durch das Ausstellen unrichtiger Belege
§ 379 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 AO behandelt das Ausstellen sachlich unrichtiger Belege.(Fußnote) Das sind Schriftstücke, die zum Beweis steuerlich erheblicher Tatsachen geeignet sind und den Aussteller erkennen lassen.(Fußnote) Dabei ist die objektive Möglichkeit einer Steuerverkürzung gemeint: Ob der Empfänger tatsächlich davon Gebrauch macht, ist ohne Bedeutung.(Fußnote)
Es muss sich nicht zwingend um Buchungsunterlagen handeln, auch
- Spendenquittungen
- Kurbescheinigungen oder
- Reisekostenabrechnungen
sind Belege im Sinne der Vorschrift, selbst wenn sie außersteuerlichen Zwecken dienen.(Fußnote) Ein Beleg ist unrichtig, wenn die darin gemachte Aussage über Tatsachen nicht der Wahrheit entspricht (sog. „Schriftliche Lüge“).
Beispiel(Fußnote)
Ein Buchhändler quittiert den Kauf eines Romans als Erwerb eines bestimmten Fachbuchs.
- Das quittieren eines Romans als Fachbuch ist objektiv wahrheitswidrig und stellt damit das Ausstellen eines unrichtigen Belegs dar.
6.3.1.2 Steuergefährdung durch entgeltliche Weitergabe von Belegen
§ 379 Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 AO soll die entgeltliche Weitergabe von Belegen sanktionieren, die den Käufern z.B. die ungerechtfertigte Geltendmachung von Betriebsausgaben oder Werbekosten ermöglicht.(Fußnote) Anlass der Einführung dieses Tatbestandes waren Internetauktionen über Tankbelege, die verstärkt zur unberechtigten Geltendmachung von Ansprüchen geführt haben.(Fußnote) Der Begriff des „Belegs“ ist derselbe wie in Nummer 1, jedoch sind sowohl unrichtige als auch richtige Belege gemeint, die vom Empfänger missbräuchlich verwendet werden können.(Fußnote) Erfasst ist allein das entgeltliche Inverkehrbringen, eine Schenkung fällt nicht unter die Vorschrift.(Fußnote) Entgeltlichkeit setzt jedoch nicht zwingend eine Bezahlung in Geld voraus, auch Sachzuwendungen sind ausreichend.(Fußnote)
Beispiel
Der Vielfahrer A sammelt und schenkt seinem Bruder B, der einen Gewerbebetrieb unterhält, seine Tankbelege.
- Die Tankbelege selbst haben für den B einen mittelbaren Mehrwert, da er diese als Betriebsausgaben geltend machen kann, um damit Steuervorteile zu erlangen. Diese stehen ihm objektiv nicht zu, da die Rechnungsbeträge, für die B Quittungen erhält, durch den A bezahlt worden sind. Allerdings erhält B die Quittungen geschenkt, weshalb er sich nach dieser Vorschrift nicht strafbar macht.
6.3.1.3 Steuergefährdung durch unrichtige Verbuchung und Aufzeichnungen
Von § 379 Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 AO umfasst sind unrichtige Verbuchungen und Aufzeichnungen, soweit sich die Pflicht zur Verbuchung oder Aufzeichnung aus einem Gesetz ergibt. Täter ist also derjenige, der als Steuerpflichtiger oder kraft seiner Stellung für die Buchführungs- und Aufzeichnungspflicht verantwortlich ist.(Fußnote) Als Steuerpflichtige kommen bei Einzelunternehmen die Inhaber und deren gesetzliche Vertreter in Betracht, für Personengesellschaften die geschäftsführenden Vertreter bzw. bei Kapitalgesellschaften die GmbH-Geschäftsführer oder die Vorstandsmitglieder einer AG. Dies bestimmt § 34 und § 35 AO, die anordnen, dass die gesetzlichen Vertreter die Pflichten der juristischen Person abgewälzt bekommen.
Einzelne Gesetze können z.B. sein:
- §§ 141ff. AO: Buchführungspflicht bestimmter Steuerpflichtiger
- §§ 41ff. GmbHG: Buchführungspflicht der Gesellschafter
- §§ 238ff. HGB: Buchführungspflicht des Kaufmanns
Als Handlungen kommen das vollständig unterlassene Verbuchen und das unrichtige Verbuchen in Betracht. Eine Delegation der genannten Pflichten entbindet nicht von der Pflicht an sich, weswegen Kontrollen über die korrekte Ausführung der Pflichten notwendig bleiben, um eine Ahndung zu vermeiden.
Nicht umfasst ist die bloße unvollständige Buchung: Bei einer unvollständigen Buchung wird nur etwas weggelassen oder vergessen, wohingegen bei einer unrichtigen Buchung die Buchung nicht der tatsächlichen Gegebenheit entspricht, z.B. bei einem abweichenden Sachverhalt.(Fußnote) Die Vollendung der Tat tritt dann ein, wenn die Buchung nach den Grundsätzen der ordnungsgemäßen Buchführung hätte vorgenommen werden müssen.(Fußnote)
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Steuerstrafrecht – Strafbarkeit der Organe in Unternehmen“ von Monika Dibbelt, Rechtsanwältin, Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, spezialisiert auf Steuerrecht, und Alexander Mayr, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2016, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-48-9.

Weiterlesen:
zum vorhergehenden Teil des Buches
zum folgenden Teil des Buches
Links zu allen Beiträgen der Serie Buch - Steuerstrafrecht
Herausgeber / Autor(-en):
Monika Dibbelt
Rechtsanwältin
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
Stand: Januar 2016