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Steuerstrafrecht – Strafbarkeit der Organe in Unternehmen – Teil 24 – Steuerstrafverfahrensrecht: Rechte und Pflichten des Beschuldigten

9 Steuerstrafverfahrensrecht

Gemäß § 385 AO gelten im Steuerstrafverfahren grundsätzlich die allgemeinen Gesetze über das Strafverfahren, also auch die Strafprozessordnung (StPO). Dort sind die Regeln normiert, die den Rahmen abstecken, ob und wie Behörden gegen den Bürger vorgehen können. In der Strafprozessordnung sind verfahrensrechtliche Grundsätze verankert, die sich in einzelnen Normen widerspiegeln und Rechtsstaatlichkeit gewährleisten sollen.

Besonders relevant sind dabei vor allem:(Fußnote)

  • Legalitätsprinzip (§ 152 Absatz 2 StPO)
    Der Legalitätsgrundsatz besagt, dass das Finanzamt bei einem konkretem Verdacht, einem sogenannten Anfangsverdacht, ermitteln muss. Eine Wahlmöglichkeit, ob ermittelt werden muss oder lediglich kann, wie im Bereich der Ordnungswidrigkeiten, existiert nicht. Dies ergibt sich auch aus § 386 Absatz 1 AO: „Bei dem Verdacht einer Steuerstraftat ermittelt die Finanzbehörde den Sachverhalt.“ Dieses Prinzip schützt die Bürger vor Willkür und Rechtsunsicherheit, weil klar geregelt ist, in welchen Fällen ermittelt werden muss. Aus § 386 Absatz 1 AO ergibt sich, dass die Finanzbehörde neben der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen im Besteuerungsverfahren gemäß den §§ 88, 193ff. AO auch für die Ermittlung desselben Sachverhalts im Strafverfolgungsinteresse zuständig ist.
  • Anspruch auf rechtliches Gehör (Artikel 103 Grundgesetz, §§ 243, 257, 163 i.V.m. 136 Absatz 2 StPO)(Fußnote)
    Der Anspruch auf rechtliches Gehör beruht auf dem Prinzip des Rechtsstaates. Er bedeutet, dass der Steuerschuldner sowohl im gerichtlichen Steuerstrafverfahren als auch im zuvor durchzuführenden Ermittlungsverfahren durch die Finanzbehörde anzuhören und ihm zu jeder Zeit die Gelegenheit der Stellungnahme zu geben ist. Die Inhalte der Äußerung sind dabei entsprechend zu würdigen und in die Ermittlungen mit ein zu beziehen. Der Anspruch des Beschuldigten auf rechtliches Gehör korreliert mit dem Aussageverweigerungsrecht des Beschuldigten.
  • Aussageverweigerungsrecht(Fußnote)
    Die Strafprozessordnung schützt den Beschuldigten im Strafverfahren mit der sogenannten „Selbstbelastungsfreiheit“: Schweigen zum Schuldvorwurf darf dem Beschuldigten nicht zum Nachteil gewertet werden. Der Beschuldigte kann und darf in allen Stadien des Verfahrens umfassend schweigen. Es herrscht keine Pflicht zur aktiven Mitarbeit, welche durch Zwangsmaßnahmen durchgesetzt werden könnte. Auf diese Möglichkeit muss der Beschuldigte hingewiesen werden. Wird der Beschuldigte darüber nicht belehrt, und sagt er aufgrund dieser Unwissenheit über seine Rechte doch aus, so ist die Erhebung der Einlassung des Beklagten fehlerhaft. Daraus kann sich ein Beweisverwertungsverbot ergeben. Das heißt, dass ein Strafurteil nicht auf die fehlerhaft erhobene Aussage gestützt werden darf. Lediglich eine Pflicht zur Mitteilung seiner Personalien bleibt bestehen.

9.1 Rechte und Pflichten des Beschuldigten

Beschuldigter ist derjenige, gegen den das Strafverfahren erkennbar betrieben wird. Dabei kommt es nur auf faktische Maßnahmen an, die erkennbar darauf abzielen, gegen diese Person wegen einer Straftat vorzugehen.(Fußnote)

Mit dem Verdacht der Steuerhinterziehung wird die Steuer Gegenstand des Steuerstrafverfahrens.(Fußnote) Damit steht dem Beschuldigten das Aussageverweigerungsrecht zu, er muss sich nicht selbst belasten oder gar zur Sache äußern. Gleichzeitig ist die Steuer auch Gegenstand des Besteuerungsverfahrens, siehe §§ 93, 393 Absatz 1 Satz 1 AO, woraus sich grundsätzlich eine Auskunftspflicht ergibt.

Damit steht der steuerpflichtige Beschuldigte vor einem Konflikt: Einerseits hat er ein Auskunftsverweigerungsrecht, andererseits eine Auskunftspflicht für denselben Steuervorgang. Dieser Schwierigkeit ist in § 393 AO umfassend geklärt: Die beiden Verfahren können nebeneinander bestehen. Der Steuerpflichtige ist danach im Besteuerungsverfahren weiterhin zur Auskunft verpflichtet. Diese Auskunft kann jedoch nicht mit Zwangsmitteln (§ 326 AO: Zwangsgeld, Ersatzvornahme, unmittelbarer Zwang) durchgesetzt werden, soweit er sich damit strafrechtlich belasten müsste. Die Grenze der Auskunftspflicht ist damit gezogen. Der Steuerpflichtige braucht sich im Rahmen des Besteuerungsverfahrens nicht strafrechtlich belasten.

Gemäß § 393 Absatz 1 Satz 4 AO muss der Beschuldigte über diese Situation belehrt werden. Außerdem ist er für einige Pflichten bei der Erstellung der Einkommenssteuererklärung zeitlich befristet entbunden, bis das Verfahren beendet ist.(Fußnote)

Jedoch kann die Finanzbehörde im Besteuerungsverfahren entsprechende negative Konsequenzen ziehen, z.B. durch die Schätzung von Einnahmen.(Fußnote)

Hat der Steuerpflichtige vor oder in Unkenntnis der Einleitung eines Strafverfahrens in Erfüllung steuerlicher Pflichten Tatsachen mitgeteilt, dürfen diese durch die Staatsanwaltschaft grundsätzlich im Rahmen der Verfolgung einer Steuerstraftat verwendet werden. Nicht zulässig ist eine Verwendung z.B. als Beweismittel für andere Straftaten, vgl. § 393 Absatz 2 AO.

Aus der Norm ergibt sich zudem nach herrschender Meinung, dass nicht nur die Verwertung als Beweismittel, sondern auch seine Nutzung als Anknüpfungstatsache für weitere Ermittlungen ausgeschlossen ist.(Fußnote) Anders formuliert: Sofern die Tatsache, die mitgeteilt wurde, um seiner steuerlichen Pflicht nachzugehen, der einzige Anknüpfungspunkt für Ermittlungen ist, darf nicht weiterermittelt werden.

Der umgekehrte Fall ist jedoch möglich: § 393 Absatz 3 AO ordnet an, dass Erkenntnisse, die die Finanzbehörde oder die Staatsanwaltschaft rechtmäßig im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungen gewonnen hat, im Rahmen der Steuerfestsetzung berücksichtigt werden dürfen. Dies gilt sogar für Erkenntnisse, die dem Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis unterliegen. Diese müssen lediglich rechtmäßig, das heißt unter Wahrung des gesetzlich vorgeschriebenen Vorgehens, erlangt worden sein.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Steuerstrafrecht – Strafbarkeit der Organe in Unternehmen“ von Monika Dibbelt, Rechtsanwältin, Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, spezialisiert auf Steuerrecht, und Alexander Mayr, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2016, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-48-9.


 

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Stand: Januar 2016


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Rechtsanwältin Carola Ritterbach absolviert derzeit den Fachanwaltskurs Steuerrecht. Sie berät Gesellschafter und Unternehmer bei der steuerlichen Gestaltung von Gesellschaften und Unternehmen. Sie begleitet Betriebsprüfungen und vertritt bei Finanzgerichtsstreitigkeiten mit dem Finanzamt oder vor Finanzgerichten.  Rechtsanwältin Ritterbach berät und vertritt bei Steuerselbstanzeigen und Steuerstrafverfahren.  Sie erstellt Unternehmensbewertungen und begleitet Unternehmenskäufe bzw. Unternehmensverkäufe aus steuerrechtlicher Sicht.
Sie berät bei der Gestaltung von Erbschaften und Schenkungen zur Vermeidung unnötiger Erbschaftssteuer und entwirft Vermögensübertragungskonzepte. 
Sie berät hinsichtlich steuerlicher Auswirkungen von Insolvenzen. Dabei prüft und beantragt sie Steuererlasse zum Zweck der Unternehmenssanierung oder für insolvente Steuerschuldner sowie die nachträgliche Aufteilung
on Steuern im Fall der Zusammenveranlagungen bei Insolvenzen einzelner Ehepartner.
Rechtsanwältin Ritterbach ist Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht und ist seit vielen Jahren im Bereich Bankrecht tätig. Steuerliche Fragen bei Finanzierungsgeschäften treffen daher ihr besonderes Interesse.

Carola Ritterbach hat im Steuerrecht veröffentlicht:

  • Bilanzierung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-49-6
  • Steuerstrafrecht – Strafbarkeit der Organe in Unternehmen, Monika Dibbelt, Carola Ritterbach und Alexander Mayr, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-48-9
  • Die strafbefreiende Selbstanzeige, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-47-2
  • Besteuerung Personengesellschaften, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-52-6
  • Steuerberaterhaftung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Anika Wegner, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-51-9
  • Erbschaftssteuer- und Schenkungssteuerrecht: Das Recht der Erbschafts- und Schenkungssteuer. Möglichkeiten zur Verringerung der Steuerbelastung bei Erbschaften und Schenkungen, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-16-8,
  • Die Haftung für Steuerschulden, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-39-7

Weitere Veröffentlichungen von Rechtsanwältin Ritterbach im Steuerrecht sind in Vorbereitung, so

  • Änderung von Steuerbescheiden – Wann darf das Finanzamt einen Steuerbescheid aufheben oder korrigieren

Carola Ritternach ist Dozentin für Steuerrecht bei der DMA Deutsche Mittelstandsakademie sowie Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Steuerrecht im Deutschen Anwaltsverein.
 Sie bietet Vorträge und Seminare unter anderem zu folgenden Themen an:

  • Erbschaftssteuer und Schenkungssteuer vermeiden
  • Wahl der Gesellschaftsform unter Steuergesichtspunkten
  • Lohnsteuer- und Umsatzsteuerhaftung des Geschäftsführers
  • Mindestlohn – Worauf hat der Steuerberater zu achten
  • Die Umsatzsteuer – eine kauf- und leasingrechtliche Betrachtung
  • Die steuerliche Organschaft – Was wird wo versteuert?
  • Die Besteuerung ausländischer Einkünfte – Immobilien, Unternehmensbeteiligungen, Kapitalanlagen oder Geschäftsführergehälter

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