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Fehlerhafte Zinsberechnung von Banken – Teil 12 – Rückerstattung des Disagios, Vorfälligkeitsentschädigung


Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin

Igor Ivanov
Wissenschaftlicher Mitarbeiter


2.9.2. Rückerstattung des Disagios

Ob das Disagio der Zins- oder Kostentilgung dienen soll, spielt vor allem bei der vorzeitigen Vertragsbeendigung eine erhebliche Rolle.
Denn von seiner Bestimmung hängt die Summe ab, die der Darlehensnehmer bei vorzeitiger Rückzahlung an den Darlehensgeber zu bezahlen hat.

Dient das Disagio dazu, die Kosten der Bank zu bezahlen, sind diese regelmäßig unabhängig von der vorzeitigen Rückzahlung des Darlehens angefallen. Der Darlehensnehmer hat in diesem Fall neben der Darlehenssumme das Disagio zurück zu bezahlen.

Dient es der Zinstilgung, kann es sein, dass die Bank anfänglich einen höheren Zinsbetrag eingehalten hat, als der Darlehensnehmer im Fall der vorzeitigen Vertragsbeendigung schuldet. Der von der Bank anfänglich einbehaltene Betrag, der die geschuldeten Zinsen übersteigt, ist von dem geschuldeten Gesamtbetrag in Abzug zu bringen.

Beispiel

A nimmt bei der B-Bank einen Kredit in Höhe von 100.000 € mit einer Laufzeit von 10 Jahren auf. Die Zinsen für die 10 Jahre betragen insgesamt 9.000 €. Die Bank behält diese 9.000 € von Anfang an als Disagio ein und überweist A nur 91.000 €. A zahlt das Darlehen nach 8 Jahren zurück.
Insgesamt wurden hier mehr Zinsen einbehalten, als A tatsächlich schuldete, denn die Zinsberechnung ist am tatsächlichen Nutzungszeitraum von 8 Jahre zu bemessen und nicht anhand der ursprünglich geplanten Laufzeit von 10 Jahren. Da das von der Bank einbehaltene Disagio allerdings auf eine Vertragslaufzeit von 10 Jahren berechnet war, hat die Bank zu viel einbehalten. Die Bank muss das zu viel einbehaltene Disagio von dem von A geschuldeten Gesamtbetrag abziehen, so dass A nur den Darlehensbetrag nebst der bis zum Rückzahlungszeitpunkt eigentlich angefallenen Zinsen zurückzahlen muss. Die nicht verbrauchten Zinsen schuldet er der Bank nicht.

Ob bei einer vorzeitigen Vertragsbeendigung der Darlehensnehmer das Disagio vollständig an die Bank zurückzahlen muss oder ein Guthaben seine Rückzahlungsverpflichtung mindert, hängt von der Art und Weise der Vertragsbeendigung ab.

Wird ein Darlehen mit fester Vertragslaufzeit durch fristlose Kündigung der Bank aus wichtigem Grund vorzeitig beendet, weil etwa der Darlehensnehmer seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachgekommen ist, hat die Bank einen Anspruch auf Ersatz des Schadens, den sie durch die vorzeitige Beendigung des Vertrages erleidet. Der Ersatzanspruch der Bank gegenüber dem Darlehensnehmer berechnet sich in diesem Fall bis zu dem Zeitpunkt, an dem der Darlehensnehmer das Darlehen nach ordentlichem Kündigungsrecht hätte kündigen können. Die Zinsen, die bis zu diesem Zeitpunkt angefallen wären, hat der Darlehenshemer der Bank zu ersetzen. Übersteigt das anfänglich von der Bank einbehaltene Disagio diesen Betrag, ist die Rückzahlungsverpflichtung des Darlehensnehmers um diesen Betrag zu kürzen. Der Teil des Disagios, der in seiner Höhe der zu zahlenden Zinsverpflichtung des Darlehenshemers entspricht, verbleibt als Teil der rechtsgeschützten Zinserwartung in vollem Umfang bei der Bank, da die Bank darf darauf vertrauen darf, dass ein Darlehensvertrag nicht außerordentlich beendet wird. Dieser Betrag wird der eigentlich geschuldeten Darlehenssumme hinzugerechnet und muss vom Darlehensnehmer an die Bank bezahlt werden.

Wird ein Darlehensvertrag mit fester Vertragslaufzeit im Einvernehmen beider Vertragsparteien vorzeitig beendet, darf die Bank die Vertragsbeendigung von der Zahlung einer angemessenen Vorfälligkeitsentschädigung abhängig machen. Eine Bank muss es nicht hinnehmen, dass ihr durch die vorzeitige Vertragsbeendigung ein wirtschaftlicher Nachteil entsteht.
Kann eine Bank die vom Darlehensnehmer geschuldete Vorfälligkeitsentschädigung durch das Disagio nicht decken, kann sie den Fehlbetrag zusätzlich gegenüber dem Darlehensnehmer geltend machen. Der Darlehensnehmer hat keinen Anspruch auf Anrechnung des unverbrauchten Disagios auf seine Rückzahlungsverpflichtung, sofern eine Bank einen Schaden erlitten hat, der das unverbrauchte Disagio übersteigt. Das unverbrauchte Disagio wird mit der Vorfälligkeitsentschädigung bzw. dem Schadensersatzanspruch der Bank verrechnet. Einen Mehrbetrag schuldet der Darlehensnehmer zusätzlich.

Beispiel

A möchte sich eine Eigentumswohnung kaufen und benötigt dafür noch Kapital. Die B-Bank gewährt ihm dazu im Januar 2011 ein endfälliges, durch eine Grundschuld an der Wohnung gesichertes Darlehen über 430.000 € mit fester Laufzeit bis zum 31.12.2015. Die ordentliche Kündigung wird ausgeschlossen. Als Disagio behält die Bank 30.000 € ein. Weil das Darlehen endfällig ist, muss A erst zum 31.12.2015 den vollen Darlehensbetrag zurückzahlen und bis dahin keine Raten leisten. Ein Jahr nach Abschluss des Vertrages veräußert A die Eigentumswohnung und bittet aus diesem Anlass die Bank um vorzeitige Aufhebung des Darlehensvertrages. Die B-Bank erklärt sich damit einverstanden, fordert aber von A die Rückzahlung des noch offenen Darlehensbetrages in Höhe von 400.000 € zuzüglich Zinsen und Kosten in Höhe von 4.000 €. Außerdem verlangt sie gemäß vertraglicher Vereinbarung die Entrichtung einer Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 4.300 €.
Die Bank ist zu diesen Forderungen berechtigt, so dass A insgesamt eigentlich 438.300 € zurück bezahlen müsste (400.000 € Darlehen + 30.000 € Disagio + 4.000 € Zinsen + 4.300 € Vorfälligkeitsentschädigung).
A hat allerdings einen Anspruch auf Zurückzahlung des unverbrauchten Disagio, berechnet auf die Jahre der tatsächlichen Kapitalnutzungen. Dies wären 26.000 € (30.000 € - 4.000 €). Dieser Rückzahlungsanspruch des A gegen die Bank wird mit der Rückzahlungsverpflichtung von A verrechnet, so dass A nur noch 412.300 € (438.300 € - 26.000 €) zurückbezahlen muss.
Da die Bank allerdings noch einen Anspruch gegen A auf Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigung hat, kann sie das unverbrauchte Disagio in Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung einbehalten. Diesen Betrag muss A dann nicht mehr zusätzlich leisten. A muss dann an die Bank einen Betrag in Höhe von 434.000 € (400.000 € + 30.000 € + 4.000 €) an die Bank bezahlen. Der Rückzahlungsanspruch des A bezüglich des unverbrauchten Disagios vermindert sich um die Vorfälligkeitsentschädigung und beträgt damit nur noch 21.700 € (30.000 € - 4.000 € - 4.300 €). Dieser Betrag ist dann von der Rückzahlungsverpflichtung des A abzuziehen, so dass er 412.300 € (434.000 € - 21.700 €) schuldet. Die Vertragsparteien tauschen also ihre Ansprüche: Die Bank verzichtet auf Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigung, behält aber das Disagio, das eigentlich dem A ausgezahlt werden müsste in dieser Höhe ein. A verzichtet seinerseits auf das Disagio, das ihm eigentlich zustehen würde, muss dafür aber keine Vorfälligkeitsentschädigung an die Bank leisten.

Von der Verrechnung des Disagios im Falle einer vorzeitigen Darlehensrückzahlung bleibt eine eventuelle Vorfälligkeitsentschädigung unberücksichtigt. (vgl. Kapitel 3.)


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Kreditzinsen und Vorfälligkeitsentschädigung - Gewinn- und Schadensberechnung der Banken“ von Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, spezialisiert auf Bank- und Kapitalmarktrecht, und Igor Ivanov, wissenschaftlicher Mitarbeiter, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-45-8.


 

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Kontakt: ritterbach@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2015


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Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht

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Rechtsanwältin Carola Ritterbach arbeitet seit vielen Jahren im Bereich des Bankrechts. Sie ist Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht. Sie unterstützt Verbraucher und Unternehmer in jeglichen Bereichen, in denen Schwierigkeiten mit ihren Banken aufgetreten sind oder drohen aufzutreten.

Beispiele aus dem Tätigkeitsbereich von Rechtsanwältin Carola Ritterbach:

  • Beratung und Vertretung von Bankkunden bei allen Fragen hinsichtlich Darlehensverträgen, Kreditsicherheiten, wie beispielsweise Bürgschaften oder Grundschulden und Kapitalanlagen wie z.B. Wertpapiere oder Fonds
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  • Beratung und Vertretung im Bereich des Factorings

Rechtsanwältin Carola Ritterbach hat im Bankrecht veröffentlicht:

  • Die Beraterhaftung im Kapitalmarktrecht, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-30-4
  • Kreditsicherheiten, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-27
  • Kreditzinsen und Vorfälligkeitsentschädigung - Gewinn- und Schadensberechnung der Banken, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-45-8
  • Bankvertragsrecht, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-32-8
  • Kreditvertragsrecht, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-35-9
  • Leasingrecht – Einführung in das Recht des Leasings, ISBN 978-3-939384-25-0, 2014, Verlag Mittelstand und Recht

 

Rechtsanwältin Ritterbach ist Dozentin für Bank- und Kapitalmarktrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie sowie Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Bank- und Kapitalmarktrecht im Deutschen Anwaltsverein.

Rechtsanwältin Ritterbach bietet Schulungen, Vorträge und Seminare zu den Themen:

  • Die Bürgschaft - Wer bürgt wird gewürgt?
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  • Bankstrategien von Unternehmen – u.a.: Zweibankenstrategie, die passende Bank für Ihr Geschäft
  • Die Abrechnung von Leasingverträgen - Was Leasinggesellschaften dürfen und worauf Sie achten sollten
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