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40 Jahre Betriebsrentengesetz – betriebliche Altersversorgung – Teil 23 – Versorgungsausgleich und Widerruf der Versorgungszusage



Herausgeber / Autor(-en):
Monika Dibbelt
Rechtsanwältin

Jens Bierstedt
LL.B., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter


9. Kapitel Versorgungsausgleich

Das gesetzliche Versorgungsausgleichrecht hat die Aufgabe, die von den Eheleuten während der Ehe erworbenen Anrechte auf eine Versorgung wegen Alter und Invalidität im Falle einer Scheidung gleichmäßig aufzuteilen. Ausgleichspflichtige Anrechte können sich in diesem Zusammenhang beispielsweise beziehen auf Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung, Beamtenpensionen, Leistungen der betrieblichen Altersversorgung, Leistungen der berufsständischen Versorgung, Zusatzversorgungen des Bundes oder der Länder und Leistungen der privaten Altersversorgung.

Die Verwirklichung dieses Grundgedankens ist jedoch erst am 01.09.2009 mit dem Inkrafttreten des Versorgungsausgleichgesetzes auf eine neue Grundlage gestellt worden.

Der Grundsatz der Reformierung des Versorgungsausgleichrechts lautet, dass jedes Anrecht innerhalb des jeweiligen Versorgungssystems zu teilen ist. Dieser Vorgang wird als sogenannte interne Teilung im Rahmen einer nun auch für die betriebliche Altersversorgung obligatorische Realteilung bezeichnet. Dies bedeutet, dass der ausgleichsberechtigte Ehegatte einen verfassungsmäßigen eigenen, direkten Anspruch gegen den Versorgungsträger des ausgleichsverpflichteten Ehegatten erhält. Somit werden betriebliche Versorgungsansprüche bereits unmittelbar im Anschluss einer Scheidung geteilt, wodurch Wertverzerrungen und Berechnungsprobleme vermieden werden sollen. In Ausnahmefällen ist auch die sog. externe Teilung möglich. Hierbei wird ein Versorgungsanspruch des ausgleichberechtigten Ehegatten nicht bei dem Versorgungsträger des ausgleichsverpflichteten Ehegatten begründet, sondern bei einem neuen Versorgungsträger. Geht ein Ehegatte in den vorzeitigen Ruhestand und wird ihm als Teil der Betriebsrente noch während der Ehezeit ein Ausgleichsbetrag zugesagt, der die mit dem vorzeitigen Rentenzugang einhergehende Kürzung seiner gesetzlichen Rente teilweise auffangen soll, so ist dieser Ausgleichsbetrag grundsätzlich im Versorgungsausgleichrecht zu berücksichtigen.

Private Rentenversicherungen mit Kapitalwahlrecht unterfallen nach Ausübung des Kapitalwahlrechts nicht mehr dem Versorgungsausgleich, selbst wenn das Kapitalwahlrecht nach Ende der Ehezeit vor der letzten tatrichterlichen Entscheidung ausgeübt wurde. Es kommt lediglich ein güterrechtlicher Ausgleich in Betracht.

10. Kapitel Ruhegeldbeendigung

10.1. Widerruf

10.1.1. Widerruf wegen wirtschaftlicher Notlage

Das Recht des Arbeitgebers, in einer sogenannten wirtschaftlichen Notlage in erdiente Versorgungszusagen einzugreifen und diese widerrufen zu können, war von der Rechtsprechung sehr frühzeitig anerkannt worden. Unausgesprochene Grundlage jeder Versorgungszusage sei, dass der Arbeitgeber noch in der Lage ist, die entsprechenden Leistungen zu erbringen.

Mit der Streichung von § 7 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Betriebsrentengesetz a.F. hat der Gesetzgeber nicht ausdrücklich das Widerrufsrecht des Arbeitgebers wegen wirtschaftlicher Notlage oder aber einen solchen Widerruf untersagt. Vielmehr beschränkt sich die Bestimmung unmittelbar darauf, die Einstandspflicht des Trägers der Insolvenzsicherung in Fällen des Widerrufs der Versorgungszusage wegen wirtschaftlicher Notlage zu beseitigen. Die Rechtsfolge kann trotzdem nur sein, dass eine Versorgungszusage nicht mehr wegen wirtschaftlicher Notlage widerrufen werden kann. Ebenfalls kann einen Wegfall der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Bürgerliches Gesetzbuch die wirtschaftliche Notlage des Arbeitgebers nicht begründen.

Wegen der wechselseitigen Abhängigkeit von Widerrufs- und Kürzungsmöglichkeiten auf der einen und der Sicherung des Ausfalls durch den Pensionssicherungsverein auf der anderen Seite kann damit auch ein Widerruf in sog. Übergangsfällen nicht mehr auf triftige wirtschaftliche Gründe gestützt werden.

Überdies würde eine Aufrechterhaltung des Widerrufsrechts die Arbeitnehmer als Versorgungsempfänger völlig schutzlos stellen. Eine vollständig Entwertung der Rechtspositionen der Versorgungsempfänger und der Inhaber unverfallbarer Anwartschaften ist im Rahmen einer Abwägung, in der Interessen beider Seiten eingestellt werden müssen, verfassungsrechtlich nicht tragbar.

10.1.2. Widerruf wegen schwerer Pflichtverletzung

Die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts räumt dem Arbeitgeber bei schweren Pflichtverletzungen das Recht ein, die Gewährung des Ruhegeldes zu verweigern bzw. zu widerrufen. Schwere Pflichtverletzungen, die ein Arbeitnehmer begangen hat, berechtigen den Arbeitgeber nur dann zum Widerruf der Versorgungszusage, wenn die Berufung des Arbeitnehmers auf das Versorgungsversprechen rechtsmissbräuchlich im Sinne von § 242 Bürgerliches Gesetzbuch ist. Dies kann der Fall sein, wenn der Arbeitnehmer die Unverfallbarkeit seiner Versorgungs-anwartschaft nur durch Vertuschung schwerer Verfehlungen erschlichen hat. Das ist anzunehmen, wenn eine rechtzeitige Entdeckung derartiger Verfehlungen zur fristlosen Kündigung geführt hätte, bevor die Versorgungsanwartschaft unverfallbar wurde und der Arbeitnehmer den Arbeitgeber durch die Vertuschung des Fehlverhaltens daran gehindert hat, noch vor Eintritt der Unverfallbarkeit zu kündigen. Der Rechtsmissbrauchseinwand kann auch dann gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber durch grobes Fehlverhalten einen nicht behebbaren, insbesondere durch Ersatzleistungen nicht wiedergutzumachenden schweren Schaden zugefügt hat. Stützt sich der Arbeitgeber auf die Verursachung eines Vermögensschadens durch den Arbeitnehmer, so kann er die Versorgungszusage nur dann widerrufen, wenn der Arbeitnehmer seine Pflichten in grober Weise verletzt und dem Arbeitgeber hierdurch einen existenzgefährdenden Schaden zugefügt hat.

Die Entscheidung bestätigt die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des Bundesgerichtshofs zu den strengen Voraussetzungen eines Widerrufs einer Versorgungszusage wegen Rechtsmissbrauchs. Nur der nicht behebbare schwere Schaden, der die wirtschaftliche Grundlage des Arbeitgeber gefährdet, kann den Rechtsmissbrauchseinwand begründen oder wenn der Arbeitgeber beweisen kann, dass er dem Arbeitnehmer vor Erreichen der Unverfallbarkeitsfrist hätte kündigen können, der Arbeitnehmer dies aber erfolgreich durch Vertuschen seiner Taten verhindert hat.

Der Arbeitgeber, der eine erteilte Versorgungszusage unter Berufung auf den Rechtsmissbrauchseinwand widerrufen möchte, wird dann, wenn er nicht durch die Verfehlungen des Arbeitnehmer in den Ruin getrieben worden ist, sich immer darüber im Klaren sein müssen, dass er im Prozess Kündigungsgründe im Sinne des § 626 Bürgerliches Gesetzbuch darlegen und beweisen muss, die aus der Zeit vor dem Erreichen der Unverfallbarkeit der betrieblichen Versorgungsanwartschaft stammen. Dies kann wie hier Parteien und Gericht zu einem fiktiven Kündigungsschutzprozess über kündigungsbegründende Tatsachen aus einer Zeit vor mehr als 25 Jahren nötigen.

10.2. Überversorgung

Der Arbeitnehmer hat grundsätzlich keinen Anspruch darauf, im Alter sich einen höheren Lebensstandard leisten zu können, als während der Zeit seines aktiven Berufslebens. Ergibt eine Auslegung des Versorgungsversprechens, das nur der bisherige Lebensstandard gesichert werden soll oder ein sogar darunter liegender Versorgungsgrad, darf eine Überversorgung abgebaut werden, denn ist im Rahmen eines Gesamtversorgungssystems das ursprünglich angestrebte Versorgungsziel im späteren Verlauf erheblich überschritten, ist gemäß § 313 Bürgerliches Gesetzbuch die Geschäftsgrundlage gestört.

Eine die Anpassungsbefugnis begründende Überversorgung kann damit auch insoweit vorliegen, als die Versorgungsordnung nur einen unterhalb der letzten Nettoeinkünfte liegenden Versorgungsgrad angestrebt hat und dieser Versorgungsgrad nunmehr aufgrund von Änderungen im Abgabenrecht planwidrig erheblich überschritten wird. Beruht die Versorgungszusage nicht auf einer individuellen Vereinbarung, sondern auf einer allgemeinen Versorgungsordnung, kommt es für die Feststellung des Versorgungsziels auf den Zeitpunkt an, in dem das Versorgungswerk geschaffen wurde.

Überdies darf durch das Anpassungsrecht nicht in die geltende Vereinbarung stärker eingegriffen werden, als es durch die Grundlagen der ursprünglichen Vereinbarung geboten ist. Die Anpassung hat sich deshalb an den Bestimmungen der Versorgungsordnung zu orientieren, in die eingegriffen wird. Zulässig ist es also lediglich, das ursprüngliche Versorgungsziel wieder zu erreichen, nicht aber, die Versorgung auf ein (noch) geringeres Maß zurückzuführen. War die Versorgungsordnung nicht auf eine Versorgung in Höhe von 100 % des maßgeblichen Nettoeinkommens, sondern auf eine geringere Versorgung ausgelegt, so ist dieser ursprünglich beabsichtigte Versorgungsgrad für den Umfang der zulässigen Absenkung maßgeblich.

Zwar sind dem Arbeitgeber dann, wenn es sich bei der Versorgungsordnung um eine allgemeine Regelung mit kollektiver Wirkung handelt, Typisierungen, Pauschalierungen und Generalisierungen erlaubt. Dies gilt sowohl bei einer Bruttogesamtversorgungsobergrenze als auch bei einer Nettogesamtversorgungsobergrenze. Das Anpassungsrecht des Arbeitgebers dient jedoch nicht dazu, die Versorgungsordnung umzustrukturieren und veränderte Gerechtigkeitsvorstellungen zu verwirklichen.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „40 Jahre Betriebsrentengesetz – betriebliche Altersversorgung“ von Dr. Maren Augustin, Fachanwältin für Insolvenzrecht, Monika Dibbelt, Rechtsanwältin, und Jens Bierstedt LL.B., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter.


 

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Kontakt: Dibbelt@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2015


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