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40 Jahre Betriebsrentengesetz – betriebliche Altersversorgung – Teil 22 – Betriebsrentenanpassung



Herausgeber / Autor(-en):
Monika Dibbelt
Rechtsanwältin

Jens Bierstedt
LL.B., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter


8. Kapitel Betriebsrentenanpassung

Bei der Betriebsrentenanpassung wird der Arbeitgeber verpflichtet beziehungsweise berechtigt, das Ruhegeld an wirtschaftlich veränderten Verhältnissen anzupassen. Dies ist der Fall, wenn unter anderem das Einkommensniveau gestiegen ist. Die Höhe der Anpassung richtet sich nach der Art der Versorgungszusage; dabei kann die Anpassung nach festen Beträgen, nach Prozentsätzen des letzten Einkommens oder Einkommen von vergleichbaren aktiven Arbeitnehmer oder aber nach der Höhe der gebildeten Rückstellungen vorgenommen werden. Der Sinn und Zweck einer Betriebsrentenanpassung ist, dass der Betriebsrentner einen Ausgleich des Kaufkraftverlustes erhalten soll.

8.1. Betriebsrentenanpassung alle 3 Jahre nach § 16 Abs. 1 und 2 BetrAVG

Nach dem ausdrücklichen Wortlaut von § 16 Betriebsrentengesetz schuldet der Arbeitgeber seinen Betriebsrentnern zunächst einmal nur die Durchführung einer Anpassungsprüfung und damit eines entsprechenden Prüfungsverfahrens. Gleichwohl ist der Arbeitgeber nach § 16 Abs. 1 Betriebsrentengesetz verpflichtet, alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu prüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden. Dabei hat er insbesondere die Belange des Versorgungsempfängers und seine eigene wirtschaftliche Lage zu berücksichtigen. Hierbei soll § 16 Betriebsrentengesetz einer Entwertung der laufenden Betriebsrenten begegnen, denn solange und soweit der Arbeitgeber leistungsfähig ist, hat er die gesetzlich vorgeschriebenen Anpassungen vorzunehmen. Die Anpassung der Betriebsrenten ist der Regelfall, die Nichtanpassung der Ausnahmefall. Dieser Ausnahmefall darf hierbei nicht planmäßig herbeigeführt werden.

Die Belange des Versorgungsempfängers werden durch den Anpassungsbedarf bestimmt. Dieser richtet sich nach dem seit Rentenbeginn eingetretenen Kaufkraftverlust. Der Anpassungsbedarf wird durch die Nettoverdienstentwicklung bei den aktiven Arbeitnehmer begrenzt. Für die Ermittlung sowohl des Kaufkraftverlustes als auch der Nettoverdienstentwicklung kommt es auf die Entwicklung vom Rentenbeginn bis zum jeweils aktuellen Anpassungsstichtag an. Grund für diese Berechnungsmethode ist, dass ein starker Anstieg der Betriebsrenten im Vergleich zur Lohnentwicklung verhindert werden soll.

Im Rahmen der Anpassungsprüfung nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 Betriebsrentengesetz auf den Kaufkraftverlust abzustellen, der sich aus dem zum Anpassungsstichtag aktuellsten vom statistischen Bundesamt veröffentlichten Verbraucherpreisindex ergibt. Bei der Berechnung des Anpassungsbedarfs vom individuellen Rentenbeginn bis zum aktuellen Anpassungsstichtag kann die sog. Rückrechnungsmethode angewendet werden oder anhand des Anstiegs der Nettolöhne vergleichbarer Arbeitnehmer-Gruppen des gleichen Unternehmens. Bezugsobjekt der Anpassung nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 Betriebsrentengesetz ist die Ausgangsrente, das heißt die Betriebsrente, die sich nach der Versorgungsvereinbarung zum Zeitpunkt des Versorgungsfalls errechnet und vom Arbeitgeber gezahlt wird und nicht die Gesamtversorgung.

Überdies steht der Prüfungszeitraum nicht zur Disposition des Arbeitgebers. Dies ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Der gesetzlich vorgeschriebene Dreijahres-turnus zwingt aber nicht zu starren, individuellen Prüfungs-terminen; die Bündelung aller in einem Unternehmen anfallenden Prüfungstermine zu einem einheitlichen Jahrestermin ist zulässig. Sie vermeidet unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand und beeinträchtigt die Interessen der Betriebsrentner nur geringfügig. Für diese verzögert sich allenfalls die erste Anpassungsprüfung. Die den Versorgungsempfängern daraus entstehenden Nachteile werden regelmäßig dadurch abgemildert, dass ein entsprechend angewachsener höherer Teuerungsausgleich zu berücksichtigen ist. In der Folgezeit muss der Dreijahreszeitraum allerdings eingehalten sein. Zudem darf sich durch den gemeinsamen Anpassungsstichtag die erste Anpassung um nicht mehr als sechs Monate verzögern. Der Vorteil für den Arbeitnehmer liegt darin, dass bei jedem Prüfungstermin alle neue Versorgungsempfänger mit berücksichtig werden und für den Arbeitgeber liegt der Vorteil darin, dass es für ihn erhebliche Entlastungen bedeutet.

Eine Anpassungspflicht kann, soweit es sich um einmalige Kapitalzahlungen und Versorgungsanwartschaften handelt, gänzlich entfallen. Gemäß § 16 Abs. 6 Betriebsrentengesetz fallen die monatlichen Raten im Rahmen eines Auszahlungsplans und die Renten ab Vollendung des 85. Lebensjahres im Anschluss an einen Auszahlungsplan nicht unter die Anpassungspflicht.

Überdies muss der Versorgungsempfänger, wenn er eine ausdrückliche Anpassungsentscheidung des Arbeitgebers nach § 16 Betriebsrentengesetz für unrichtig hält, dies grundsätzlich vor dem nächsten Anpassungsstichtag dem Arbeitgeber gegenüber wenigstens außergerichtlich geltend machen. Mit dem nächsten Anpassungsstichtag erlischt der Anspruch auf Korrektur einer früheren Anpassungsentscheidung. Dies ergibt sich aus der dem § 16 Betriebsrentengesetz zu entnehmenden Befriedungsfunktion. Das Erlöschen des Anspruchs auf nachträgliche Betriebsrentenanpassung bei Versäumung der Rügefrist verletzt weder das durch Art 14 Abs. 1 Grundgesetz geschützte Eigentum des Arbeitnehmer noch erschwert die Rügefrist den Zugang zu den Gerichten in unzumutbarer Weise. Wenn der Arbeitgeber schuldhaft versäumt eine Anpassung vorzunehmen, kann dem Arbeitnehmer ein steuerlicher Vorteil entzogen werden und der Arbeitgeber sich schadensersatzpflichtig machen.

8.2. Betriebsrentenanpassung nach der wirtschaftlichen Lage § 16 Abs. 1 und 4 BetrAVG

Mit dem unbestimmten Rechtsbegriff „wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers“ umschreibt der Gesetzgeber die bei der Anpassungsentscheidung ebenfalls zu berücksichtigenden Belange des Arbeitgebers.

Bei der Anpassung der Betriebsrenten nach § 16 Abs. 1 und Abs. 4 Betriebsrentengesetz ist die wirtschaftliche Lage des versorgungspflichtigen Arbeitgebers entscheidend. Der Beurteilung der wirtschaftlichen Lage muss zu Grunde gelegt werden, dass die Erhaltung des Unternehmens sowie deren Arbeitsplätze vorrangig vor den Betriebsrentnern berücksichtigt werden muss. Die wirtschaftliche Lage eines Unternehmens wird durch dessen Ertragskraft im Ganzen geprägt. Der Arbeitgeber ist nicht schon dann zur Anpassung der Betriebsrenten verpflichtet, wenn einzelne Einkünfte den Umfang der Anpassungslast übersteigen. Entscheidend kommt es auf eine angemessene Eigenkapitalverzinsung und eine hinreichende Eigenkapitalausstattung an.

Bei der Prüfung der wirtschaftlichen Lage eines Unternehmens ist unter anderem zu berücksichtigen:

  • Beurteilungsgrundlage für die erforderliche Prognose ist die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens in der Zeit vor dem Anpassungsstichtag, soweit daraus Schlüsse für die weitere Entwicklung gezogen werden können. Nicht vorhersehbare, neue Rahmenbedingungen und sonstige unerwartete, spätere Veränderungen der wirtschaftlichen Verhältnisse des Unternehmens bleiben unberücksichtigt.
  • Für eine einigermaßen zuverlässige Prognose muss die bisherige Entwicklung über einen längeren, repräsentativen Zeitraum von in der Regel mindestens drei Jahren ausgewertet werden.
  • Der am Anpassungsstichtag absehbare Investitionsbedarf, auch für Rationalisierungen und die Erneuerung von Betriebsmitteln, ist zu berücksichtigen.
  • Scheingewinne bleiben unberücksichtigt.
  • Die Betriebssteuern verringern die verwendungsfähigen Mittel.
  • Eine angemessene Eigenkapitalverzinsung ist in der Regel nötig.

Überdies sind zur Beurteilung der wirtschaftlichen Lage nicht die nach den Rechnungslegungsregeln der IFRS(Fußnote) und dem amerikanischen US-GAAP(Fußnote) maßgeblich, sondern die nach handelsrechtlichen Rechnungslegungsregeln erstellten Jahresabschlüsse im Sinne von § 243 Handelsgesetzbuch, da die handelsrechtlichen Jahresabschlüsse den geeigneten Einstieg für die Feststellung sowohl der erzielten Betriebsergebnisse als auch des jeweils vorhandenen Eigenkapitals bieten, denn soweit das Bundesarbeitsgericht in seinen Entscheidungen formuliert hat, dass die Eigenkapitalverzinsung ausgehend von den handelsrechtlichen Jahresabschlüssen zu bestimmen ist folgt hieraus nicht, dass nach anderen Rechnungslegungsregeln erstellte Jahresabschlüsse ebenfalls eine geeignete Beurteilungsgrundlage bilden können. Ausgangspunkt für die Berechnung der Eigenkapitalverzinsung sind vielmehr stets die handelsrechtlichen Jahresabschlüsse.

Die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers rechtfertigt die Ablehnung einer Betriebsrentenanpassung insoweit, als das Unternehmen dadurch übermäßig belastet und seine Wettbewerbsfähigkeit gefährdet würde. Die Wettbewerbsfähigkeit wird nicht nur beeinträchtigt, wenn keine angemessene Eigenkapitalverzinsung erwirtschaftet wird, sondern auch dann, wenn das Unternehmen nicht mehr über genügend Eigenkapital verfügt.

Da das Bundesarbeitsgericht auf die Fähigkeit des Arbeitgebers abstellt, die Anpassung voraussichtlich aus dem künftigen Wertzuwachs des Unternehmens sowie dessen Erträge zu erbringen, muss der Arbeitgebers zum Anpassungsstichtag eine Prognose der wirtschaftlichen Entwicklung anstellen. Es ist eine zukunftsgerichtete Prüfung erforderlich.

Überdies kann der Arbeitgeber seine negative Prognose auf seine Bilanzen stützen, auch wenn in diese Bilanzen Positionen aus der Gewinn- und Verlustrechnung eingeflossen sind und die Gewinn- und Verlustrechnung ihrerseits den Gliederungsvorgaben von § 275 Handelsgesetzbuch nicht uneingeschränkt entspricht.

Die Fiktion der zu Recht unterbliebenen Anpassung der Betriebsrente nach § 16 Abs. 4 Satz 2 Betriebsrentengesetz kann hingegen nur eintreten, wenn der Arbeitgeber dem Versorgungsempfänger in nachvollziehbarer Weise schriftlich dargelegt hat, aus welchen Gründen davon auszugehen ist, dass das Unternehmen voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die Anpassungsleistungen aufzubringen. Die Darlegungen des Arbeitgebers müssen so detailliert sein, dass der Versorgungsempfänger in der Lage ist, die Entscheidung des Arbeitgebers auf ihre Plausibilität überprüfen zu können.

8.3. Betriebsrentenanpassung nach § 16 Abs. 3 BetrAVG

§ 16 Abs. 3 Nr. 1 Betriebsrentengesetz legt fest, dass die Verpflichtung zur Anpassung entfällt, wenn sich der Arbeitgeber verpflichtet, die Leistungen jährlich um wenigstens 1% anzupassen. Die Parteien können einen höheren Prozentsatz vereinbaren. Dies gilt nach § 30c Abs. 1 Betriebsrentengesetz jedoch nur dann, wenn die Versorgungszusage nach dem 31. Dezember 1998 erteilt wurde.

Mit dem Begriff der Zusage in § 30c Abs. 1 Betriebsrentengesetz ist entsprechend dem allgemeinen betriebsrentenrechtlichen Sprachgebrauch die Versorgungszusage und nicht die Vereinbarung der Anpassung der Betriebsrente um 1% pro Jahr gemeint. Macht man von der Regelung Gebrauch, so entfällt die turnusmäßige Anpassungsprüfung und Anpassungsentscheidung und in Zeiten, in denen die Lebenserhaltungskosten beziehungsweise Nettolöhne vergleichsweise stärker steigen, profitiert das Unternehmen von dieser sogenannten Escape-Klausel. Es ist allerdings zur berücksichtigen, dass die Anpassungsgarantie auch zu erfüllen ist, wenn die Teuerung im zu beurteilenden Jahr weniger als 1 % beträgt, oder wenn aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage bzw. des geringen Nettolohnanstiegs eine Anpassung nicht in Höhe von 1 % bzw. gar nicht zu erfolgen hätte.

8.4. Betriebsrentenanpassung durch Jeweiligkeitsklausel

Eine arbeitsvertragliche Regelung, wonach der Arbeitnehmer Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nach einer vom Arbeitgeber geschaffenen Versorgungsordnung in der jeweils geltenden Fassung erhält, ist wirksam. Sie verstößt weder gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 noch gegen § 308 Nr. 4 Bürgerliches Gesetzbuch.

Überdies berechtigen weder eine Jeweiligkeitsklausel noch eine Zeitkollisionsregel die Betriebspartner oder Partner einer Dienstvereinbarung zu beliebigen Eingriffen in die Besitzstände der Arbeitnehmer. Sowohl das Gebrauch machen von einem Änderungsvorbehalt als auch spätere Betriebs- oder Dienstvereinbarungen, die Ansprüche aus einer früheren Betriebs- oder Dienstvereinbarung einschränken, unterliegen einer Rechtskontrolle. Die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit dürfen nicht verletzt werden. Aus diesen Grundsätzen folgt, dass die Gründe, die den Eingriff rechtfertigen sollen, um so gewichtiger sein müssen, je stärker der Besitzstand ist, in den eingegriffen wird.

8.5. Auszehrungsverbot § 5 BetrAVG

Das Auszehrungsverbot dient dazu, zu verhindern, dass die Dynamisierung sozialer Leistungen entgegen ihrem Sinn und Zweck nicht dem Empfänger zugutekommt, sondern den Arbeitgeber entlastet. Es hat aber nicht den Zweck, im wirtschaftlichen Ergebnis den Arbeitgeber zu zwingen, erhöhte Leistungen zu erbringen.

Beim Auszehrungsverbot dürfen somit bereits laufende Leistungen aus einer betrieblichen Altersversorgung nicht mehr gekürzt werden, wenn andere Versorgungsleistungen zwecks Anpassung an die wirtschaftliche Entwicklung erhöht werden. Abzustellen ist dabei auf den Betrag, der erstmals festgesetzt worden ist. Überdies unterliegt der erhöhte Betrag nach § 16 Betriebsrentengesetz ebenso dem Auszehrungsverbot, da die Erhöhungen sich an die Anpassung der wirtschaftlichen Entwicklung ergeben. Bei einem Verstoß des Arbeitgebers hat der Arbeitnehmer ein Recht auf Anrechnung der gekürzten Unterschiedsbeträge.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „40 Jahre Betriebsrentengesetz – betriebliche Altersversorgung“ von Dr. Maren Augustin, Fachanwältin für Insolvenzrecht, Monika Dibbelt, Rechtsanwältin, und Jens Bierstedt LL.B., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter. Im Original mit Fußnoten erschienen.


 

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Kontakt: Dibbelt@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2015


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Normen: § 5 BetrAVG, § 16 BetrAVG

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