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Arbeitnehmerhaftung im Arbeitsrecht

Der Arbeitsvertrag ist ein Unterfall des im Bürgerlichen Gesetzbuch (Fußnote) geregelten Dienstvertrag. Auf ihn sind die allgemeinen Bestimmungen des BGB anwendbar, soweit keine arbeitsrechtsspezifischen Regelungen entgegenstehen. Nach § 280 I 1 BGB haftet der Schuldner aus einem (Fußnote) Schuldverhältnis wegen jeder „Pflichtverletzung“.
Pflichtverletzung ist das Verhalten, das hinter dem vertraglich festgelegten „Soll“ zurückbleibt.
Es handelt sich also zunächst um eine objektive Größe, deren Vorliegen nicht von einem Sorgfaltsverstoß abhängt.

Wie wird das „Soll“ bestimmt?
Durch vertragliche Abreden und die gesetzlichen Bestimmungen.

Durch den Gesetzgeber sind Eigentum, Leben und Gesundheit vor Schaden geschützt. Eine Bestimmung wie mit eingehenden E-Mails zu verfahren ist, fehlt. Vorausschauende und sicherheitsbewusste Arbeitgeber legen die Verhaltensrichtlinie im Umgang mit E-Mail und Internet fest. Sie bedienen sich hierzu Betriebsvereinbarungen und einzelvertraglichen Absprachen. Alles zusammen ergibt das „Soll“. Gelangen durch ein Verhalten des Arbeitnehmers Viren auf den PC des Arbeitgeber, so liegt objektiv eine Pflichtverletzung vor. Dies gilt in allen Fällen, denn in der Regel ist von einer Eigentumsverletzung, bzw. einer Störung des betrieblichen Ablaufs auszugehen. Die Pflichtverletzung führt nach § 280 I 2 BGB aber nur dann zu einem Schadensersatzanspruch des Gläubigers – hier des Arbeitgebers –, wenn sie vom Schuldner zu vertreten ist.

Nach der Grundnorm des § 276 I BGB sind nur Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten.
Die Rechtsprechung hat für das Arbeitsrecht Sonderregelungen hierzu aufgestellt. Dabei wurde die Verantwortung des Arbeitgebers für die Organisation des Betriebes und die Gestaltung der Arbeitsbedingungen und das darin liegende Betriebsrisiko des Arbeitgebers in die Abwägung der Haftungsfrage einbezogen.

Der Arbeitnehmer kann den vorgegebenen Arbeitsbedingungen in der Regel weder tatsächlich noch rechtlich ausweichen. Auf Grund des Weisungsrechts bestimmt der Arbeitgeber die arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung. Damit prägt die vom Arbeitgeber gesetzte Organisation des Betriebes das Haftungsrisiko für den Arbeitnehmer (Fußnote). Für die Haftung des Arbeitnehmers gilt daher gem. § 254 BGB analog folgendes:

Vorsätzlich verursachte Schäden hat der Arbeitnehmer in vollem Umfang zu tragen.
Bei grober Fahrlässigkeit des Arbeitnehmers ist eine Haftungserleichterung zu seinen Gunsten nicht ausgeschlossen, sondern von einer Abwägung im Einzelfall abhängig (Fußnote).

Ist der Schaden auf leichteste Fahrlässigkeit zurückzuführen, haftet der Arbeitnehmer gar nicht. Bei normaler Fahrlässigkeit hat der Arbeitnehmer den Schaden anteilig zu tragen. Ob und ggf. in welchem Umfang er zum Ersatz verpflichtet ist, richtet sich im Rahmen einer Abwägung der Gesamtumstände, insbesondere von Schadensanlass und Schadensfolgen, nach Billigkeits- und Zumutbarkeitsgesichtspunkten. Primär ist auf den Grad des dem Arbeitnehmer zur Last fallenden Verschuldens, die Gefahrgeneigtheit der Arbeit, die Höhe des Schadens, die Versicherbarkeit des Risikos, die Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb und die Höhe seines Arbeitsentgelts sowie persönliche Umstände des Arbeitnehmers, wie etwa die Dauer der Betriebszugehörigkeit, sein Lebensalter, seine Familienverhältnisse sowie das bisherige Verhalten des Arbeitnehmers abzustellen (Fußnote).

Die volle Haftung setzt somit eine subjektiv schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung voraus. Der Arbeitnehmer muss einen Virus bewusst und zielgerichtet in das System des Arbeitgebers eingeschleust haben. Sei es durch aktives Tun oder bewusstes zielgerichtetes Nichtstun.

Ein vorsätzlicher Pflichtverstoß führt aber nur dann zur vollen Haftung des Arbeitnehmers, wenn auch der Schaden vom Vorsatz erfasst ist (Fußnote).
Wenn der Arbeitnehmer einen Virus bewusst einschleust ist auch davon auszugehen, dass sein Wille auf die Verursachung eines Schadens gerichtet war. Wie das im Falle des Unterlassens zu bewerten ist, wird eine Frage des konkreten Falles sein.

An dieser Stelle sei auf ein praktisches Problem hingewiesen: die Beweislast.

Grundsätzlich muss der Schuldner das „Nicht-zu-vertreten“ beweisen; lediglich bei der Arbeitnehmerhaftung liegt die Beweislast nach § 619a BGB beim Gläubiger, das heißt beim Arbeitgeber. Für die Fälle der „normalen“ Fahrlässigkeit ist davon auszugehen, dass den Arbeitgeber in der Regel ein ganz erhebliches Mitverschulden trifft, wenn er Sicherungseinrichtungen wie Virenscanner und Firewall nicht oder nur unzureichend zur Verfügung stellt oder einsetzt. Auch wird man von Arbeitgebern eine Schulung oder zumindest schriftliche Anweisungen wie mit Internet und E-Mail umzugehen ist erwarten können.
Zu Lasten des Arbeitnehmers wird man aber davon ausgehen müssen, dass die Bedrohung durch Viren und dergleichen immer stärker in den Mittelpunkt des Interesses rückt, so dass mit zunehmender Dauer der Nutzung der „neuen“ Medien – im beruflichen und privaten Bereich – auch vom Arbeitnehmer ein problembewusster Umgang zu erwarten sein wird.
Rechtsprechung hierzu gibt es noch keine.

Ob und unter welchen Voraussetzungen die private Nutzung betrieblicher Datenverarbeitungsanlagen und Internetzugänge – unabhängig von der Bedrohung durch Viren – kündigungsrechtlich relevant ist, ist wenig geklärt.
Die bisher veröffentlichten Entscheidungen legen einen an die Rechtsprechung zu den Folgen ungenehmigter Privattelefonate angelehnten Maßstab an (Fußnote).

Auch zu dieser Fallgruppe fehlt allerdings eine Entscheidung des BAG. In der Instanzrechtsprechung und in der Literatur besteht jedoch mit einigen unterschiedlichen Akzentuierungen weitgehend Übereinstimmung darüber, dass derartige private Telefonate im Regelfall nicht ohne ein ausdrückliches Verbot oder eine vorausgegangene einschlägige Abmahnung eine Kündigung rechtfertigen können (Fußnote).

Sind im Betrieb die dazu erforderlichen technischen Einrichtungen vorhanden, ist es häufig gleichermaßen wie etwa bei Telefongesprächen üblich, dass der Arbeitgeber deren Nutzung durch die bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer in angemessenem Umfang gestattet. Dies trägt insbesondere auch dem Umstand Rechnung, dass Kommunikationshandlungen häufig termingebunden sind und der Arbeitnehmer während der Dauer seines Aufenthaltes im Betrieb private Kommunikationsmittel nicht oder nur eingeschränkt einsetzen kann. Umfasst die private Nutzung betrieblicher Einrichtungen nicht größere Teile der Arbeitszeit und löst sie keine spürbare Kostenbelastung des Arbeitgebers aus, kann ein Arbeitnehmer daher, so lange ein Arbeitgeber keine entgegenstehende Regelung trifft, berechtigterweise von der Duldung derartiger Handlungen ausgehen. Gehört die Internet-Nutzung zu den vertraglichen Aufgaben des Arbeitnehmers, kommt hinzu, dass das Surfen im Internet auch ohne direkte dienstliche Veranlassung Erfahrungen vermitteln und Lerneffekte bewirken kann, die die beruflichen Fähigkeiten des Arbeitnehmers steigern (Fußnote).

Es sind indessen auch wesentliche Unterschiede gegenüber der Privatnutzung betrieblicher Telefonanlagen zu berücksichtigen, die eine völlige Gleichsetzung beider Fallgruppen nicht zulassen. So vergrößert der Besuch und insbesondere das Herunterladen bestimmter Internetseiten das Risiko, dass ein Virus in das betriebliche Datennetz eindringen und erhebliche Schäden verursachen kann. Weiter belasten bei einer zentralen Datenspeicherung größere private Datenbanken die Kapazität des zentralen Speichers. Dadurch kann die Bearbeitungsgeschwindigkeit reduziert werden. Außerdem wird andernfalls betrieblich nutzbare Speicherkapazität gebunden.

Verursacht die private Nutzung derartige Risiken oder Beeinträchtigungen, kann der Arbeitnehmer nicht ohne weiteres von einer Duldung durch den Arbeitgeber ausgehen. Er muss sich dann zunächst die Privatnutzung genehmigen lassen. Andernfalls kann je nach den Umständen eine derartige Privatnutzung auch ohne einschlägige Abmahnung eine Kündigung rechtfertigen.

Zum Abschluss noch ein kurzer Abriss zur Geschichte der Viren: 1949 präsentierte der ungarische Informatiker John von Neumann ein sich selbst mutierendes Programm. Noch im selben Jahr veröffentlichte und erläuterte er seine Theorie von Programmen, die sich selbst vervielfältigen konnten. Seine Theorie blieb zunächst unbeachtet, bis drei junge Programmierer ein Spiel namens „Core Wars“ (Fußnote) erfanden. Es wurde in den 70er Jahren von den Bell Laboratories entwickelt. Die Spieler mussten eine Reihe von selbstreproduzierenden Programmen schreiben, die sie „Organismen“ nannten. Ziel war es, mit die Organismen der Mitspieler mit den eignen zu bekämpfen und auszuschalten.
Der Begriff des „Computervirus“ wurde schließlich 1981 von Professor Adleman eingeführt. Er formte den Begriff während einer Diskussion mit seinem Doktoranden Fred Cohen. Cohen stellte 1983 den ersten funktionsfähigen Virus vor und gab ein Jahr später seine Dissertation mit dem Titel „Computer Viruses“ ab. Von da an kamen ständig neue Viren in Umlauf.

Cohen definierte den Begriff Computervirus wie folgt: „We define a computer virus as a program that can infect other programs by modifying them to include a possibly evolved copy of itself. With the infection property, a virus can spread throughout a computer system or network using the authorizations of every user using it to infect their programs. Every program that gets infected may also act as a virus and thus the infection grows.” Viren sind also Programme, die sich selbst kopieren, in ein Wirtsprogramm einnisten und sich auf diese Weise weiter verbreiten – und, sie sind keinesfalls eine neue Erfindung!


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Stand: 030826


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Herausgeber / Autor(-en):

Portrait Harald-Brennecke  Rechtsanwalt Harald Brennecke


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