Ansprüche gegenüber Arbeitgeber
1) Anspruchsgrundlage für Schadensersatzansprüche
Die zentrale Norm für Schadensersatzansprüche gegen den Arbeitgeber ist § 15 AGG.
2) § 15 AGG - Entschädigung und Schadensersatz
(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.
(3) Der Arbeitgeber ist bei der Anwendung kollektiv- rechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.
(4) Ein Anspruch nach den Absätzen 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.
(5) Im Übrigen bleiben Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt.
(6) Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 begründet keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg, es sei denn, ein solcher ergibt sich aus einem anderen Rechtsgrund.
Voraussetzung ist, der Arbeitgeber muss gemäß § 15 AGG den Arbeitnehmer wegen eines in § 1 AGG genannten Benachteiligungsmerkmals diskriminiert haben oder ein Diskriminierung zu vertreten haben. Dies ist gegeben bei eigenem vorsätzlichem oder fahrlässigen Verschulden, Verschulden der Organmitglieder oder Verschulden von Erfüllungsgehilfen.
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, erforderliche vorbeugende Maßnahmen zum Schutz vor einer Ungleichbehandlung wegen eines in § 1 AGG genannten Diskriminierungsmerkmales zu treffen, zu denen er rechtlich und tatsächlich in der Lage ist.
Der Arbeitgeber muss bereits im Vorfeld in geeigneter Art und Weise auf die Unzulässigkeit von Benachteiligungen hinweisen und darauf hinwirken, dass diese unterbleiben.
Verstößt er gegen diese Voraussetzungen, kann der Benachteiligte Sanktionen von seinem Arbeitgeber verlangen.
a) Schmerzensgeld
Eine angemessene Entschädigung in Form von Schmerzensgeld wird ausschließlich für immaterielle Schäden gemäß § 15 AGG gewährt. Damit ist eine Kompensation für die Beeinträchtigung des seelischen Gleichgewichts, Rufbeeinträchtigungen und ähnlichem gegeben.
Diese Immaterielle Schäden können - anders als bei Schadensersatzansprüchen - verschuldensunabhängig gegenüber dem Arbeitgeber geltend gemacht werden.
Die Höhe der Entschädigung muss dabei angemessen sein. Auch wenn dies zunächst für den juristisch unerfahrenden Arbeitgeber keine fassbare Größe darstellt, ist es eine bekannte Umschreibung im Rahmen von Schadensersatzansprüchen bei der sich die Höhe im Laufe der Zeit durch die Rechtssprechung konkretisiert.
Damit verbleibt bei dem Gericht ein Beurteilungsspielraum. So können und sollen die Besonderheiten des einzelnen Falles Berücksichtigung finden können. Allerdings zu Lasten der Rechtssicherheit, die vor allem die in Anspruch genommenen Unternehmer betrifft.
b) Erfüllungsschaden
Der Erfüllungsschaden bezeichnet den Schaden, der jemandem dadurch entstanden ist, dass ein anderer seinen Verpflichtungen nicht nachgekommen ist. So kann der Beschäftigte zum Beispiel wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes nicht befördert worden sein.
Wegen der Natur des Entschädigungsanspruchs als zivilrechtlicher Schadensersatzanspruch ist es nicht dringend erforderlich, dass der Arbeitgeber selbst bzw. sein gesetzlicher Vertreter gehandelt hat. Liegt die Entscheidung über die Einstellung oder Beförderung bei einem Mitarbeiter mit entsprechender Personalverantwortung, wird dem Arbeitgeber dessen Verhalten über § 278 BGB zugerechnet.
Ein Entschädigungsanspruch setzt auch nicht voraus, dass das betreffende Diskriminierungsmerkmal das Hauptmotiv für die ablehnende Entscheidung des Arbeitgebers ist. Zur geschlechtsbedingten Diskriminierung hat das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich entschieden, „dass es ausreicht, wenn das Geschlecht bei der Entscheidung des Arbeitgebers zu Lasten des Bewerbers berücksichtigt wird“, also nur ein Bestandteil des Motivbündels ist.
Die Höhe des Entschädigungsanspruchs ist in § 15 Absatz 2 Satz 1 AGG nicht begrenzt. Wie bereits erläutert weist den Gerichten die Aufgabe zu, eine angemessene Entschädigung festzusetzen. Als Vorgabe sieht er nur an, dass die Sanktion in einem angemessenen Verhältnis zum erlittenen Schaden stehen muss und eine wirklich abschreckende Wirkung haben soll.
Beispiel: Für den Fall der Nichteinstellung ordnet § 15 Absatz 2 AGG jedoch an, dass die Entschädigung drei Monatsgehälter nicht übersteigen darf, wenn der Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre, den Arbeitsplatz demnach auch dann nicht erhalten hätte, wenn die in § 1 AGG genannten Diskriminierungsmerkmale bei der Entscheidung des Arbeitgebers keine Rolle gespielt hätten.
c) Schadensersatz
Neben dem Entschädigungsanspruch, der den immateriellen Schaden des Benachteiligten ersetzen soll, kann ein Schadensersatzanspruch treten, welcher den materiellen Schaden des Diskriminierten ausdrücken soll.
Der Schadensersatz, welcher seine Grundlage in § 15 Absatz 1 AGG hat, bezeichnet die Leistung, die den Zustand wiederherstellen soll, der vor dem Eintritt einer Rechtsgutsverletzung, also der Benachteiligung durch eines in § 1 AGG genannten Diskriminierungsmerkmales, bestand.
Der Schadensersatzanspruch setzt voraus, dass der Arbeitgeber die Pflichtverletzung vorsätzlich oder fahrlässig zu vertreten hat.
Die Beweisregelung des § 22 AGG gilt für alle Ansprüche und Rechte, die auf die Verletzung eine Benachteiligungsverbotes gestützt sind, somit auch für Schadensersatzansprüche.
Als materieller Schaden kommt für einen nicht eingestellten Bewerber insbesondere entgangenes Arbeitsentgelt in Betracht.
Hier ist für Arbeitgeber zu beachten: Selbst wenn der Bewerber auch bei benachteiligungsfreier Auswahl mangels Qualifikation nicht eingestellt worden wäre, kann ein Schadensersatz bis zu drei Monatsgehälter beansprucht werden (Fußnote).
Es wird sich zeigen, ob die Rechtssprechung eine Analogie für den Fall der ausbleibenden Beförderung ziehen wird. Ähnlich wie bei der Einstellung gibt es keinen Rechtsanspruch auf Beförderung, jedoch könnte dennoch ein entsprechender Schadensersatzanspruch entwickelt werden.
Im Übrigen können für den Fall der Nichteinstellung die Bewerbungskosten als Schadensersatz verlangt werden, weil der Bewerber auf eine diskriminierungsfreie Auswahlentscheidung des Arbeitgebers vertrauen durfte.
d) Schutz vor Benachteiligung
Weiterhin kann der Beschäftigte Schutz vor Benachteiligung gemäß § 12 AGG verlangen, denn hiernach unterliegt der Arbeitgeber der Pflicht, die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten vor Benachteiligungen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes zu treffen.
Dabei ist er auch zu vorbeugenden Maßnahmen verpflichtet. Dazu muss der Arbeitgeber in geeigneter Weise auf die Unzulässigkeit diskriminierender Verhaltensweisen hinweisen und darauf hinwirken, dass diese unterbleiben.
Diese Pflicht wird erst dann als erfüllt gelten, wenn der Arbeitgeber seine Beschäftigten in geeigneter Weise zum Zwecke der Verhinderung von Benachteiligungen geschult hat.
Sinnvoll ist, dass der Arbeitgeber seinen Mitarbeitern eine schriftliche Belehrung mit entsprechenden Unternehmensrichtlinien aushändigt und sich den Empfang bestätigen lässt (Fußnote). Hierbei muss er darauf achten, dass die Belehrung in der für den Arbeitnehmer verständlichen Sprache erfolgt, dies muss dabei nicht zwangsläufig Deutsch sein.
Eine solche Belehrung dient letztlich nur dazu, bei möglichen Verstößen von Mitarbeitern diese in Regress zu nehmen.
§ 12 Absatz 2 AGG verpflichtete den Arbeitgeber darüber hinaus geeignete Schulungen für seine Beschäftigten vorzunehmen. Es ist darauf zu achten, dass die Schulung ausdrücklich als geeignet angesehen wird. Falls dies nicht der Fall ist, wird die gesamte Schulung als unwirksam betrachtet und der Arbeitgeber haftet vollständig für Diskriminierungsverstöße in seinem Unternehmen.
Der Umfang solcher Schulungen sollten in halb- oder ganztägigen Veranstaltungen erfolgen. Kurzschulungen (iFußnote) dürften von den Gerichten als ungeeignet angesehen werden, da in dieser kurzen Zeit die Wahrscheinlichkeit sehr gering ist, dass die Arbeitnehmer in allen Bereichen des allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes geschult wurden.
Verstoßen dennoch Beschäftigte gegen das Diskriminierungsverbot, ist der Arbeitgeber ungeachtet der präventiven Maßnahmen gehalten, die geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, um die Benachteiligung zu unterbinden (Fußnote)
Dies kann zur Folge haben, dass ein Beschäftigter versetzt, abgemahnt oder sogar entlassen werden muss.
Problem des Arbeitgebers:
Das Gesetz spricht lediglich von geeigneten Maßnahmen. Dieser wenig konkrete Begriff macht es dem Arbeitgeber schwer die vertretbaren Maßnahmen umzusetzen. Vor allem stehen die Maßnahmen unter Kontrolle beider Arbeitnehmer. Der benachteiligte Arbeitnehmer wird überprüfen wollen, ob die Maßnahme zu seinem Schutz ausreicht.
Der gemaßregelte Arbeitnehmer wird jedoch ebenso überprüfen lassen, ob die Sanktion noch angemessen ist. In dieser Situation wird dem Arbeitgeber keine andere Wahl verbleiben, als sich entsprechenden Rat einzuholen, um die Rechtssprechung für den jeweiligen Fall zu prüfen.
e) Leistungsverweigerung
Ein dem Arbeitsrecht neuer Anspruch ist das Leistungsverweigerungsrecht. Ziel ist es dem Arbeitnehmer das Recht einzuräumen, für den Fall wiederholter Diskriminierung seinen Arbeitplatz zu verlassen und die Arbeit zu verweigern. Hierdurch soll der Arbeitnehmer geschützt und der Arbeitgeber zur Erfüllung seiner Pflichten angehalten werden.
Dieser Anspruch kann aber nur geltend gemacht werden, wenn drei Voraussetzungen erfüllt sind:
• Es muss eine Diskriminierung gemäß den Benachteiligungsmerkmalen des § 1 AGG am Arbeitsplatz vorliegen.
• Der Arbeitgeber hat keine bzw. offensichtlich ungeeignete Maßnahme zur Unterbindung dieser Diskriminierung getroffen.
• Die Einstellung der Arbeitsleistung muss zum Schutz des Beschäftigten erforderlich sein.
Eine Leistungsverweigerung ist demnach erst dann möglich, wenn alle anderen Mittel versagt haben, d.h. die Einstellung der Arbeitsleistung muss für den Beschäftigten Ultima Ratio sein. Der Tatbestand des § 14 AGG ist damit so eng geschnitten, dass die Voraussetzungen eines Leistungsverweigerungsrechts nur in Ausnahmefällen erfüllt sein werden, bei denen der Arbeitgeber sich hartnäckig weigert seinen Arbeitnehmer vor Diskriminierung zu schützen.
Dies sollte jeder Arbeitgeber zu vermeiden wissen.
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Stand: 01.11.2006
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