Arbeitnehmer oder Selbständiger – Auswirkung auf die Sozialversicherungspflicht
Arbeitnehmer oder Selbständiger – Auswirkung auf die Sozialversicherungspflicht
1. Einleitung
Die Abgrenzung zwischen Arbeitern und Selbständigen ist eines der ältesten arbeitsrechtlichen Probleme. Das Gesetz trifft hierzu bewusst keine Aussage, da man die Differenzierung der Praxis überlassen wollte. Der aus dem Arbeitsrecht bekannte Grundsatz, dass derjenige Arbeitnehmer (also nicht Selbständiger) ist, der aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages unselbständige Tätigkeit gegen Entgelt verrichtet, soll hier unter dem Hintergrund des Sozialversicherungsrechtes genauer betrachtet werden.
2. Versicherungsmodelle
Das deutsche Sozialversicherungsmodell stützt sich im wesentlichem auf fünf Säulen:
• Die Krankenversicherung, geregelt in § 21 SGB I, SGB IV und V sowie dem KVLG und dem KSVG
• Die Pflegeversicherung, geregelt in § 21a SGB I, SGB IV und XI
• Die Unfallversicherung, geregelt in § 22 SGB I, SGB IV und SGB VII
• Die Rentenversicherung, geregelt in § 23 SGB I, SGB IV und VI sowie dem RÜG, FRG, ALG, KSVG
• Arbeitslosenversicherung geregelt in § 19 I Nr.6 SGB I, SGB IV (§ 1 I 2 SGB IV) und SGB III
3. Versicherungspflicht
Grundsätzlich sind in diesen Versicherungszweigen zunächst alle Arbeiter und Angestellten sowie die zur Berufsausbildung Beschäftigten versicherungspflichtig,. Daraus ergibt sich auch der wesentliche Unterschied zwischen Arbeitnehmern und Selbständigen: Selbständige sind nicht versicherungspflichtig (§ 7 SBG VI).
Eine Abgrenzung ist aber gerade für den Arbeitgeber zwingend geboten, da dieser für die von ihm angestellten Arbeitnehmer Sozialversicherungsabgaben zu zahlen hat und sich strafbar machen würde, sollte er dem nicht nachkommen.
4. Abgrenzungskriterien
Von der Versicherungspflicht ausgeschlossen sind generell der gesamte Bereich des öffentlichen Dienstes (Beamte, Richter, Soldaten usw.), da sie einem anderen Versorgungssystem angehören. Gesetzlich ergibt sich dies für die Krankenversicherung aus § 6 I Nr.2, Nr.4-8, II SBG V; für die Pflegeversicherung aus § 23 SGB IX; für die Rentenversicherung aus § 5 I SGB VI und für die Unfallversicherung aus § 4 I Nr.1 und Nr.3 SGB VII.
Entscheidendes Merkmal für die Abgrenzung von Arbeitnehmer und Selbständigem im Bereich der privaten Arbeit ist die Abhängigkeit des Beschäftigungsverhältnisses. Eine unselbständige Tätigkeit des Arbeitnehmers liegt dann vor, wenn der Tätige hinsichtlich des Ortes und des Inhalts bzw. des Umfangs der geforderten Tätigkeit in eine so genannte Wertschöpfungskette eingegliedert ist. Der Selbständige wiederum gestaltet seine Tätigkeit hinsichtlich der Art und des Umfangs im Wesentlichen selbst, weshalb er auch das wirtschaftliche Risiko allein trägt.
4. Scheinselbständigkeit
Bedeutung erlangt die Frage der Versicherungspflichtigkeit auch bei der Abgrenzung zur sog. Scheinselbständigkeit, da diese durch Einsparung von Beiträgen zur Sozialversicherung bezüglich ihrer Abgaben entlastet werden. Danach wurde nach früherer Rechtslage gemäß § 7 IV SGB IV von der Scheinselbständigkeit abgegrenzt, die hierfür eine Vermutungsregelung aufstellte. Diese Regelung wurde zwar durch das zweite Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt zum Jahresbeginn 2003 wieder abgeschafft, wird aber in der gerichtlichen Praxis weiterhin angewendet, weshalb die Norm noch immer von rechtlicher Bedeutung ist.
5. Arbeitnehmerähnliche Beschäftigte
Als weitere Besonderheit ist bei der gesetzlichen Rentenversicherung zu beachten, dass eine Sondergruppe von arbeitnehmerähnlichen Versicherungspflichtigen besteht, (§ 2 SGB VI). Hinsichtlich der in S.1 der Vorschrift bestehenden Pflichten sind die Ausnahmen in S.2 zu beachten. Entscheidend ist damit für die Rentenversicherungspflicht, ob der Einzelne im Wesentlichen für einen Abnehmer tätig wird und von diesem wirtschaftlich abhängig ist. Die alte Unterscheidung von Angestellten und Arbei-tern ab dem 01.01.2005 ist weggefallen, da für alle nunmehr die Deutsche Rentenversicherung zuständig ist (§ 23 II SBG VI).
6. Sonderformen
Weiterhin gibt es im Einzelfall jedoch schwierig einzuordnende Grenzfälle wie die ohne Gewinnerzielungsabsicht vorgenommenen Gefälligkeitsverhältnisse oder Tätigkeiten im Rahmen der familiären Mitarbeit. Der aus dem Arbeitsrecht altbekannte Streit, ob für eine Arbeitnehmertätigkeit eine Gewinnerzielungsabsicht erforderlich ist, taucht hier also im neuen Gewand wieder auf. Eine Entscheidung muss je nach Art und Umfang der Tätigkeit erfolgen (insbesondere nach der Wertigkeit der geleisteten Arbeit), wobei für die hier behandelten sozialversicherungsrechtlichen Fragestellungen zu beachten ist, dass auf jeden Fall ein Unfallversicherungsschutz nach § 2 II SGB VII greift.
Bei juristischen Personen und Handelsgesellschaften erfolgt die Unterteilung hinsichtlich der Versicherungspflichtigkeit danach, ob diese eine beherrschende, also einem Arbeitnehmer vergleichbare Rolle innehaben. Bei der AG sind dies der Aufsichtsrat und der Vorstand, bei der GmbH der Geschäftsführer. Bei der KG erfüllt regelmäßig der Kommanditist eine solche Rolle, bei der OHG der vertretungsberechtigte Gesellschafter, der auf die Tätigkeit der Gesellschaft einen wesentlichen Einfluss hat.
7. Ausnahmen der Versicherungspflicht
Eine Befreiung aus den dargestellten Pflichtversicherungen kann nur unter engen Voraussetzungen erfolgen. Für die gesetzliche Krankenversicherung gilt dies unter den Voraussetzungen von § 8 SGB V. Für die Rentenversicherung besteht die Möglichkeit einer Befreiung nach § 6 SGB VI bei Zugehörigkeit zu einer der dort aufgezählten Berufsgruppen.
Abschließend lässt sich sagen, dass der alte Problemkreis der Abgrenzung von Arbeitnehmern und Selbständigen auch unter sozialversicherungsrechtlichen Gesichtspunkten eine hohe Praxisrelevanz besitzt.
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Stand: 10/2006
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